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Gleise und Weichen sollen weichen

Gleise und Weichen sollen weichen

Die Brücke, auf der die Bahnstrecke in Oberoderwitz die B96 quert, soll zurückgebaut und durch einen Neubau für den Radweg ersetzt werden. Foto: privat

Während in politischen Kreisen noch immer um den Erhalt der Bahnstrecke Löbau-Zittau gerungen wird, ist die Deutsche Bahn dabei, hinsichtlich des Rückbaus der Anlage Tatsachen zu schaffen.

Oderwitz/Niedercunnersdorf.
Die DB Netz AG hat beim Eisenbahnbundesamt ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet, in dessen Zuge sie die „planungsrechtliche Zulassungsentscheidung“ für den Teilrückbau zwischen Niedercunnersdorf und Oberoderwitz erwirken will. Damit sollen die Voraussetzungen für den vom Landkreis Görlitz angestrebten Bau eines Radweges auf der bisherigen Bahntrasse geschaffen werden.

Die DB Netz AG will Gleise, Weichen und weitere für den Bahnbetrieb erforderliche Anlagen auf dem 15 Kilometer langen Abschnitt zwischen Niedercunnersdorf und Oberoderwitz zurückbauen. Nicht von den Plänen betroffen sind das Gleisbett mit Unterbau sowie die Bauwerke entlang der Strecke, die erhalten bleiben sollen. Einzige Ausnahme: Die Brücke, auf der die Bahnstrecke in Oberoderwitz die B96 quert. Diese soll zurückgebaut und durch einen Neubau für den Radweg ersetzt werden. „Die Bogenbrücke ist aufgrund ihrer geringen Durchfahrtshöhe und -breite sowie häufig vorkommender Unfälle – insbesondere durch Lkw – zu einem Hindernis auf der vielbefahrenen Hauptverkehrsstraße B96 Richtung Zittau/Grenze geworden“, begründet die DB Netz. Aufgrund des den Straßenverkehr behindernden Querschnitts der bisherigen Brücke wird sich die neue in ihrem Erscheinungsbild deutlich von ihr unterscheiden. „Aus wirtschaftlichen Gründen (die geschätzten Kosten einer Wiederinbetriebnahme würden circa 8,4 Millionen Euro betragen und die Betriebskosten sind mit jährlich circa 100.000 Euro veranschlagt) ist eine Wiederaufnahme des Bahnverkehrs nicht wahrscheinlich“, führt die DB Netz aus. Und weiter: „Da die Instandhaltung der Trasse und der zahlreichen Bauwerke auf der Strecke zwischen Oberoderwitz und Niedercunnersdorf unwirtschaftlich ist, hat sich die Deutsche Bahn AG dazu entschlossen, die Gleise und Weichen rückzubauen.“ Die früheren Bahnübergänge werden nach dem Rückbau nicht mehr als solche erkennbar sein, Schranken und Andreaskreuze verschwinden.

Zunächst werden in der Nähe von Bahnübergängen vier Baustelleneinrichtungsflächen angelegt: am Bahnhof Oberoderwitz, zwischen Ruppersdorf und Herrnhut, an der Friedensthaler Straße bei Strahwalde sowie „Am Steinbruch“ in Niedercunnersdorf. An diesen Plätzen werden die zuvor vor Ort in „Joche“ (maximal 25 Meter lange an den Schwellen montierte Schienenstränge) zerlegten Gleise demontiert, in Container verladen und abtransportiert. Insgesamt geht die DB Netz von circa 700 Lkw-Ladungen aus. Geplant ist, dass der Landkreis die von der Bahn angelegten Flächen gleich für den anschließenden Radwegbau übernimmt. Um Auswirkungen auf die Anwohner zu minimieren, sollen die Abbrucharbeiten nur tagsüber an Werktagen erfolgen. Die Bauzeiten sollen auch Rücksicht auf die Fauna – – vor allem Vögel, Fledermäuse und Amphibien – nehmen. Bei Wetterlagen, die Staubentstehung begünstigen, werden die „unmittelbaren Abbrucharbeiten“ unterbrochen.

Außer den politischen Konflikten mit den Befürwortern eines Erhalts der Bahnstrecke, die für das Planverfahren keine Bedeutung haben, gibt es insbesondere Konflikte mit dem Denkmalschutz. So fordert das Landesamt für Denkmalschutz, an möglichst vielen Stellen die Gleise zu erhalten und den Radweg parallel zu führen. Sämtliche technischen Ausrüstungsgegenstände, die zur Sicherung des Bahnbetriebes notwendig waren, sollen zudem erhalten bleiben. Die DB Netz lehnt es ab, diese Forderungen zu erfüllen: „Das Nebeneinander von Gleisen und Radweg ist aus unfalltechnischer Sicht nicht realistisch. Hinzu kommt, dass der Eigentümer die ungenutzten Gleise auf Dauer von Bewuchs freihalten und gegen Diebstahl und unbefugte Benutzung sichern müsste.“ Zudem erfordere die Sanierung der zu erhaltenden Brücken und Viadukte den Rückbau der Gleise. Ein Wiederaufbau sei absurd. Und auch Schranken und Andreaskreuze können aus Sicht der Bahn nicht bleiben, weil sich „dadurch verkehrsrechtlich problematische Situationen ergeben.“

Wie geht es jetzt weiter?

Die Auslegung der Planfeststellungsunterlagen hat bereits stattgefunden, im nächsten Schritt werden die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange, zu denen auch die Anliegerkommunen gehören, sowie betroffener Bürger ausgewertet. Auch der Pro Herrnhuter Bahn e.V. hat eine Einwendung verfasst und erklärt dazu: „Der Abbau der Gleise bedeutet zwar noch nicht zwangsläufig das Ende der Strecke. Es werden dadurch aber Tatsachen geschaffen, die eine mögliche weitere Nutzung als Eisenbahnstrecke extrem unwahrscheinlich machen. Darum muss er verhindert werden!“ Je nach Umfang und Komplexität der Einwände kann es dazu kommen, dass ein Erörterungstermin anberaumt wird. Generell ist das Ende eines Planfeststellungsverfahrens schwer absehbar, da den Einwendern auch der Klageweg vor Gericht offensteht. Unabhängig davon ist die politische Entwicklung zu betrachten. Neben dem Görlitzer Kreistag haben auch schon der Gemeinderat von Oderwitz und der Stadtrat von Herrnhut den Radwegplänen zugestimmt. Aus Kottmar steht ein solcher Beschluss derzeit nicht in Aussicht. Der Pro Herrnhuter Bahn e.V. hält an seinen Plänen für eine Reaktivierung der Bahnstrecke fest und setzt dabei auch auf Unterstützung aus Tschechien, wo es ein starkes Interesse an grenzüberschreitenden Verbindungen gebe.

 

Uwe Menschner / 29.11.2020

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