Wer schützt die Tagebauanrainer?
Renommierte Wissenschaftler befürchten, dass das Naturdenkmal „Teufelssteine“ durch die tagebaubedingten Sprengerschütterungen ernsthaften Schaden nehmen könnte. Foto: privat
Obwohl bei der Erweiterung einer Abraumhalde im Steinbruch Pließkowitz Abstriche gemacht werden sollen, hält eine Bürgerinitiative den Druck gegenüber Oberbergamt und Tagebaubetreiber weiter aufrecht. Sie sieht in der geplanten Änderung des Rahmenbetriebsplanes lediglich eine Art Beruhigungspille.
Malschwitz. Die Volksseele kocht – und das in gleich mehreren Ortsteilen. Erst vor wenigen Tagen hat sich eine so heftige Detonation im Granitsteinbruch Pließkowitz ereignet, dass sich diesmal sogar eine Familie aus dem über drei Kilometer Luftlinie entfernten Briesing besorgt an Bürgermeister Matthias Seidel wandte. Das bestätigte das Gemeindeoberhaupt auf Anfrage dem Oberlausitzer Kurier. Zur gleichen Zeit weilte ein Vertreter des Sächsischen Oberbergamtes in der Region, ohne auch nur eine erkennbare Konsequenz zu ziehen. Die Behörde und der Tagebaubetreiber sitzen seit Monaten über dem Entwurf für eine Änderung des Rahmenbetriebsplanes. In diese Verhandlungen will sich nun auch die Malschwitzer Gemeindeverwaltung einklinken. Eine Stellungnahme, in der auf die Forderungen einer Bürgerinitiative (BI) verwiesen werden soll, wie aus dem Gemeindeamt verlautete, werde fristgemäß bis kommenden Donnerstag erarbeitet. Selbst für die Verwaltung scheint inzwischen ein Punkt erreicht zu sein, im Sinne der Bürger andere Saiten aufzuziehen. Zahlreiche Bewohner vor allem in Kleinbautzen, Doberschütz und Pließkowitz beklagen seit Längerem Risse in ihren Wohnhäusern. Mehrere machen in erster Linie die Explosionen im Steinbruch dafür verantwortlich.
Für die Mitstreiter um Luise Dutschmann dürfte die jüngste Entwicklung einer der größten Erfolge bislang sein. Bei der Kleinbautzenerin laufen in punkto BI alle Drähte zusammen. Seitdem im Frühjahr Informationen durchgesickert wa-ren, wonach entlang des Granitsteinbruchs eine weitere, bis zu 35 Meter hohe und ungeschützte Halde für kontaminierten Abraum entstehen soll, trommelt die Protestbewegung gegen diese und andere Auswüchse des Steinbruchs. Der Widerstand scheint inzwischen auf fruchtbaren Boden zu fallen. Nicht nur, weil die Politik hellhörig geworden ist. So soll nun selbst der riesige Abraumberg in seiner Höhe um zehn Meter kleiner ausfallen und mit Mischwald begrünt werden. Auch das Sonnenlicht würde wie bisher das benachbarte Naturdenkmal „Teufelssteine“ durchdringen können. Dies besagt die erste Ergänzung der Abänderung des Rahmenbetriebsplanes in ihrer aktuellen Fassung. Allerdings wollen sich Luise Dutschmann und ihre zahlreichen Mitstreiter davon keinesfalls in die Irre führen lassen, wie sie betonen.
Dafür gibt es Gründe. „Sollte nun die schier unendliche Aufzählung von Maßnahmen, die in den bisherigen Plänen auch benannt, aber nie eingehalten wurden, die BI beruhigen, dass man wenigstens die Probleme erkannt hat“, fragt sich die Kleinbautzenerin. Besonders zu denken gibt ihr und den anderen, dass „sich nirgends ein verbindlicher Zeitplan für einzelne Maßnahmen findet“. Seitens des Oberbergamtes würde sie gern in Erfahrung bringen, was es zur Folge hätte, wenn sich der Tagebaubetreiber nicht an die vorgegebenen Spielregeln hält. Genau dazu seien in dem Papier keine Angaben enthalten.
Dennoch habe sich der bisherige Kampf gelohnt. Luise Dutschmann und ihre Mitstreiter sehen sich nun in die künftigen Planungen mit einbezogen. Anders als in der Vergangenheit können sie ihre Recherchen und Argumente in das gesamte Verfahren einbringen. Bereits vor einigen Wochen hatte die BI eine Petition in den Landtag eingebracht. Seitdem versucht sie, sich durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit auf breiter Front Gehör zu verschaffen. Unterstützt werden die Lausitzer dabei von Landtagsabgeordneten, vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie von der Universitätssternwarte der Uni Siegen und anderen namhaften Wissenschaftlern. Sie alle sind daran interessiert, eine für die jeweiligen Parteien verträgliche Lösung ausfindig zu machen, die vom Tagebau und den Halden ausgehende Feinstaubbelastung einzudämmen, die Sprengungen im Steinbruch so zu gestalten, dass weder Wohngebäude noch das von einer Zerstörung bedrohte Naturdenkmal „Teufelssteine“ weiter Schaden nehmen, sowie die mit dem Steinbruch verbundene Verkehrsbelastung in den einzelnen Ortsteilen zu senken.
Trotz des geänderten Rahmenbetriebsplanes sei die Gesundheit Tausender Menschen in der Umgebung des Tagebaus bedroht, die Verkehrsproblematik weiterhin ungeklärt, Wohneigentum in keiner Weise vor Sprengungen und Staubbelastung geschützt, heißt es seitens der Bürgerinitiative.
Diese lehnt daher das Papier in dessen aktuellen Fassung ab. „Es darf im Steinbruch Pließkowitz keine Haldenerweiterung geben“, bekräftigt Luise Dutschmann noch einmal. „Vorhandene Halden haben in den letzten Jahren die genehmigte Höhe überschritten und müssen deshalb abgetragen werden. Wir fordern eine sofortige Einstellung der Arbeit an den Außenhalden, solange die Abänderung des Rahmenbetriebsplanes nicht genehmigt ist und erwarten, dass keine weiteren Zulassungen und Ergänzungen des Hauptbetriebsplanes erfolgen.“
Wie aus den Unterlagen hervorgeht, bietet der Steinbruch 14 Menschen einen Job. Nach Informationen der BI sollen diese vorwiegend aus dem Nachbarland Polen stammen. Eine Anfrage des Oberlausitzer Kuriers dazu beim Tagebaubetreiber blieb bislang unbeantwortet.
Bürgermeister Matthias Seidel hingegen führte zuletzt am 12. Oktober ein Gespräch mit Geschäftsführer Jens Gerisch. Worüber sich Verwaltungs- und Unternehmensspitze austauschten, dazu wurde nichts bekannt. Das Gemeindeoberhaupt stellte lediglich klar, dass der Konzern keinen Einfluss auf die Geschicke in der Kommune ausübt. Diese Unbefangenheit der Verwaltung sollte dann auch ein Treffen Tage später mit den Landtagsabgeordneten Marko Schiemann und Heiko Kosel sowie BI-Vertretern unterstreichen. Am 7. November kamen sie alle zusammen, um zu beraten, welche Schritte gemeinsam unternommen werden können – auch, damit die Volksseele in der Malschwitzer Region wieder etwas zur Ruhe kommt.
Kommentare zum Artikel "Wer schützt die Tagebauanrainer?"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Meine Meinung zu diesem Problem: Die Sprengungen im Steinbruch lassen in meinem Haus die Lampen sowie die Gläser im Schrank wackeln. Die Risse in unserer Fassade sind keine Setzungsrisse. Und das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist, dass in die Natur eingegriffen wird. Gesunde große Bäume werden einfach mit dem Steinmehl bis zur Krone zugeschüttet. Der Lebensraum des auf der roten Liste stehenden Feldhamsters und der Zauneidechse werden zerstört. Auch der im Steinbruch horstende Uhu, die Falken und die Kolkraben werden vertrieben, da die Bäume, die als Ansitze zur Futtersuche dienen, verschwinden. Ein vorhandenes Biotop wird zerstört. Von der Lärm- und Staubbeläßtigung mal ganz abgesehen.