Ärger um Bautzens neue Betreuungssatzung
Nach dem Willen der Verwaltung soll es in Bautzen künftig neben dem Frühhort nur noch eine Ganztagsbetreuung an den vier städtischen Grundschulen geben – mit Auswirkungen auf die Elternbeiträge. Foto: RK
Eltern von Erst- bis Viertklässlern laufen derzeit Sturm in Bautzen. Sie wollen einen Stadtratsbeschluss nicht einfach so hinnehmen. Die Bürgervertreter hatten inmitten der Corona-Krise eine geänderte Betreuungssatzung abgenickt, die es durchaus in sich hat. Fortan soll es nur noch zwei Betreuungsangebote geben: den Früh- und den siebeneinhalbstündigen Ganztagshort. Das stößt auf Kritik.
Bautzen. Paul Gutsche kann dieser Tage nur mit dem Kopf schütteln. Der Elternratsvorstand der Mättig-Grundschule beklagt, dass zahlreichen Eltern der Hortvertrag gekündigt wurde. Doch damit steht er nicht allein da. Auch von anderen Bildungseinrichtungen, die sich in Trägerschaft der Stadt befinden, wird Ähnliches berichtet. Der Grund liegt darin, dass ab dem 1. September bezogen auf die Hortbetreuung neue Spielregeln gelten. Dann gibt es neben dem Frühhort nur noch die Möglichkeit, den Nachwuchs ganztags beaufsichtigen zu lassen. Das wiederum macht sich im Portemonnaie bemerkbar. Laut einem Offenen Brief, den die Elternräte der in Frage kommenden Grundschulen jetzt an die Verwaltung richteten, handelt es sich dabei um eine monatliche Preissteigerung von 32,47 Euro. Somit liegen die Elternbeträge für die Hortbetreuung künftig bei 97,43 Euro im Monat. Zum Vergleich: Bisher mussten für eine fünfstündige Betreuung, also die Beaufsichtigungszeit von Unterrichtsschluss bis 16.00 Uhr, 61,43 Euro gezahlt werden, wobei auch in dem Fall seit Anfang Mai 3,53 Euro mehr hinzulegen sind. Dieses Modell soll es aber schon in absehbarer Zeit nicht mehr geben.
Doch woher rührt diese Entwicklung? Auf Nachfrage der Eltern hätte ihnen die Verwaltung mitgeteilt, dass der vermeintliche Grund der sei, dass die Schulen ihre Kernunterrichtszeiten verändert hätten. Das wiederum führe fortan zu den verlängerten Betreuungszeiten. „Inzwischen stellte sich jedoch heraus, dass lediglich zwei von vier Grundschulen der Stadt Bautzen Kernunterrichtszeiten überhaupt beschlossen haben“, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben. Dessen Verfasser leiteten daraus die Frage ab, warum an den Schulen, an denen sich die Unterrichtszeiten nicht ändern und deren Hortzeiten dementsprechend gleichbleiben, eine Betreuungsdauer von siebeneinhalb Stunden bezahlt werden muss, wobei diese nicht einmal in Anspruch genommen werden könne.
Einige Stadträte – vorneweg die von FDP und CDU – plädieren deshalb dafür, die umstrittene Satzung noch einmal auf die Tagesordnung zu heben. In der Rückschau sehen sie sich von der Verwaltung nicht richtig über die Hintergründe in Kenntnis gesetzt. „Ich habe das Gefühl, es wurden bewusst entscheidungsrelevante Tatsachen verschwiegen“, geht Tobias Schilling von der Fraktion der Christdemokraten mit der Rathausmannschaft hart ins Gericht. Inzwischen konnten sich der Familienvater und der Freidemokrat Stefan Mücke mit Vertretern der Stadtverwaltung zu der Problematik austauschen, wie beide dem Oberlausitzer Kurier berichteten.
Die Verwaltung bestätigte auf Anfrage das Treffen, das laut ihren Angaben auf eine Einladung von Finanzbürgermeister Robert Böhmer zurückgeht. „Er hat sich die Einwände angehört und wird nun innerhalb der Verwaltung nach einem Kompromiss suchen“, sagte Rathaussprecherin Laura Ziegler. „Der könnte darin bestehen, dass den Eltern die Wahl einer ausschließlichen Nachmittagsbetreuung im Anschluss an den Unterricht ermöglicht wird.“
„Wir werden uns jetzt in der Fraktion und mit den anderen Stadträten entsprechend abstimmen“, meinte Tobias Schilling in dem Kontext. Parallel dazu reichte Stefan Mücke einen Antrag ein, der vorsieht, dass sich der Stadtrat noch einmal mit dem novellierten Regelwerk befasst. Die Liberalen begründen das damit, dass sich nach der Abstimmung im April herausstellte, dass den Bürgervertretern offenbar „nicht alle Fakten und Zusammenhänge als Grundlage der Beschlussfassung vorgelegt wurden“. Deshalb müsse dies unverzüglich nachgeholt werden. Insbesondere der Aspekt, wer, warum und auf welcher rechtlichen Grundlage die beiden Grundschulen überhaupt Kernunterrichtszeiten beschlossen haben, sollte dann näher beleuchtet werden. „Darauf basiert ja offensichtlich die Notwendigkeit der Satzungsanpassung“, denkt Stefan Mücke.
Als Dritter im Bunde räumte das Bürgerbündnis Bautzen (BBBz) über sein Sozialausschussmitglied Stephan Juros ein, nicht über alle Details informiert worden zu sein. „Es wird die Aufgabe der Stadtverwaltung sein, die Kernzeiten der Grundschulen zu klären. Sollten sich auf Dauer Unterschiede in den Kernunterrichtszeiten zwischen den einzelnen Schulen und damit dauerhafte Unterschreitungen der siebeneinhalb Stunden Betreuungszeit ergeben, muss es zu einer Anpassung der Verträge kommen.“
Etwas Licht ins Dunkel brachte derweil die Leiterin der Fichtegrundschule, Astrid Garten. „Die Stadt Bautzen trat an die Schulleiter der Grundschulen in städtischer Trägerschaft in einer Beratung im Dezember 2019 mit dem Anliegen heran, in der Schulkonferenz über Kernunterrichtszeiten abzustimmen. Hintergrund dieses Anliegens war unter anderem die Kürzung der Stundentafel durch das Kultusministerium zum Schuljahr 2019/20 und des damit verbundenen Mehraufwandes an Betreuungszeiten durch den Hort an jeder Grundschule. Bei einer zweizügigen Grundschule handelt es sich um eine Mehrbetreuung des Hortes von sechs Stunden pro Woche.“ Und weiter: „Schulbildung ist kostenfrei. Da der Freistaat aber dort eine Kürzung der Stundentafel vorgenommen hat, fällt jetzt diese Zeit in die kostenpflichtige Betreuung durch den Hort.“ Diese Finanzierungslücke lasse sich derzeit nur über die Elternbeiträge schließen. Laut Astrid Garten sollten in der Gesamtbetrachtung und Bewertung der Situation aber auch die Ferien in Augenschein genommen werden. „Spätestens in diesem Zeitraum nehmen viele Eltern weit über die bisherige Betreuungsdauer den Hortplatz in Anspruch, ohne zusätzliche Kosten.“ Daher sieht sie die Änderung der Satzung als logische Schlussfolgerung und Notwendigkeit.
Stefan Mücke kann das so nicht stehen lassen: „Was die Verwaltung unerwähnt lässt, ist, dass viele Kinder in den Ferien gar nicht betreut werden, die Eltern aber den vollen Hortbeitrag weiterzahlen müssen.“
Indes verlautete aus dem Rathaus, dass in den Schulferien bis zu elf Stunden auf Basis eines Siebeneinhalbstunden-Betreuungsvertrages abgedeckt werden müssten. Unabhängig davon würden die Grundschulen in die Unterrichtsrandstunden zunehmend Unterrichtsangebote legen, an denen nur ein Teil der Schüler teilnehmen könne, so Laura Ziegler. Als Beispiele zählte sie den Werkunterricht, Ganztagsangebote, den Förderunterricht, den Schulgartenunterricht, Ethik, den Religionsunterricht sowie die Sprachausbildung in Russisch und Arabisch auf. „Oder es findet zu diesen Zeiten gar kein Unterricht statt.“ Deshalb sei es notwendig, für diese Tagesabschnitte eine Betreuung vorzuhalten.
Zumindest sollen, so geht es aus dem Offenen Brief hervor, alle Eltern ihren reservierten Hortplatz auch nach der Kündigung der bisherigen Verträge behalten dürfen. Nach jetzigem Stand müssen sie laut der geänderten Betreuungssatzung jedoch künftig den Ganztagshort buchen. Laura Ziegler betonte in dem Zusammenhang: „Die beschlossenen Satzungsänderungen können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sofern sich zu dem vorgeschlagenen Nachmittagsangebot Einvernehmen herstellen lässt, müsste eine weitere Änderungssatzung zum Beschluss gebracht werden.“
Kommentare zum Artikel "Ärger um Bautzens neue Betreuungssatzung"
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Wir sind selbst betroffen von dieser Situation und auch wir können diese Entscheidung nicht verstehen. Unser Kind besucht auch nur den Nachmittagshort den es dann nicht mehr so geben soll. In den Ferien geht sie gar nicht in den Hort uns wir bezahlen den vollen Betrag. Ich kann es nicht verstehen auch nicht mit den Begründungen welche in dem Artikel zu lesen sind. Bedeutet es doch in der Konsequenz für uns viel höhere Kosten pro Monat.
Ich sage nicht dass das genutzte Hort Angebot von Eltern nicht mit finanziert werden soll ist es doch auch ein gutes Stück Arbeit was unsere Hortner/innen leisten, aber so kann es definitiv nicht gehen, da bin ich schon echt froh dass unser erstes Kind keinen Hort mehr benötigt. Auch die Erhöhung der Verpflegungskosten von 1,80€ auf 5,00€ ist nicht nachvollziehbar und ohne Begründung für die Eltern beschlossen worden.