ALPHA-Mobil wirbt für Hilfsangebote in der Region
Lernbotschafterin Martina Eifler warb hier mit dem ALPHA-Mobil des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundausbildung e.V. für Hilfsangebote für die Betroffenen. Foto: Steffen Linke
Fast 20.000 Erwachsene im Landkreis Görlitz und in etwa 22.600 Erwachsene im Landkreis Bautzen können laut vorliegenden Informationen nicht Zeitung lesen, Notizen für die Kinder schreiben oder E-Mails versenden. Das ALPHA-Mobil des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundausbildung e.V. wirbt deshalb mit öffentlichen Präsentationen in der Region für Hilfsangebote. Unser Redakteur Steffen Linke unterhielt sich dazu mit der Lernbotschafterin Martina Eifler.
Für Außenstehende ist die Zahl der Analphabeten in den Landkreisen Görlitz und Bautzen erschreckend hoch. Wie können solche Zustände in einer zivilisierten, digitalisierten Gesellschaft eigentlich möglich sein?
Martina Eifler: Es ist so, dass sich diese Menschen sehr gut verstecken können und ihre Schwächen vertuschen, zum Beispiel sagen, ich habe meine Brille vergessen, können Sie mir das bitte mal vorlesen. Oder mit einem Formular ankommen und sagen, ich kann schlecht schreiben, können Sie mir das bitte mal ausfüllen.
Es gibt doch in Deutschland aber eine Schulpflicht.
Martina Eifler: Die Schulpflicht allein garantiert noch keinen Lernerfolg beim Lesen und Schreiben. Ursachen können im Elternhaus liegen, wenn das Lesen und Schreiben der Kinder nicht ausreichend gefördert wird oder gefördert werden kann. Ebenso können teilweise lange Fehlzeiten in der Schule oft nie wieder richtig aufgeholt werden, da ab einem bestimmten Zeitpunkt das Lesen und Schreiben in der Schule einfach vorausgesetzt wird und nicht mehr Zeit dafür vorgesehen ist, es aktiv zu lernen.
Wie kommen denn die Analphabeten im Leben zurecht, auch wenn das individuell sicher sehr unterschiedlich sein wird?
Martina Eifler: Diese Menschen versuchen mit ihren anderen Stärken, diese Schwächen zu überspielen, zum Beispiel, dass sie sich in der Welt mit manchen Dingen besser auskennen, wo sie halt weniger lesen oder schreiben müssen. Oder sie sind halt handwerklich sehr geschickt, dass sie wissen, wie etwas zu bauen geht. Das macht es dann manchmal ein bisschen einfacher für sie.
Welche Möglichkeiten gibt es denn generell für Analphabeten auf dem Arbeitsmarkt?
Martina Eifler: Das beschränkt sich in der Regel auf Hilfsarbeiten, wie saubermachen, reinigen oder so. Es kommt halt immer darauf an, wie schwer diese Menschen davon betroffen sind, ob sie auch bereit sind, sich helfen bzw. unterstützen zu lassen. Es gibt aber auch viele Menschen, die dies nicht wollen und sich andere Wege durch das Leben suchen.
Welche Hilfen gibt es für diese Analphabeten in unmittelbarer Ortsnähe – und inwieweit nimmt dieses Klientel diese Hilfen auch in Anspruch?
Martina Eifler: Im Landkreis Görlitz gibt es unter anderem beim Internationalen Bund und im Mehrgenerationenhaus Hillersche Villa in Zittau entsprechende Kurse, im Landkreis Bautzen bei der Kreisvolkshochschule Bautzen in der Regionalstelle Kamenz. Gerade in gering besiedelten Gebieten ist es schwierig, dauerhaft Kurse zu etablieren. Diese Angebote werden erfahrungsgemäß auch ganz unterschiedlich angenommen. Es gibt welche, die offen für die Unterstützung sind, andere haben sich damit abgefunden, eh abgestempelt zu sein.
Inwieweit können in so einer scheinbar aussichtslosen Situation trotzdem noch die Hebel angesetzt werden?
Martina Eifler: Diese Menschen sind in der Regel sehr feinfühlig. Es kommt, wie schon angesprochen, auf den Willen an. Entweder ich möchte mir Hilfe suchen oder ich lebe so weiter.
Welche Wünsche begleiten Sie in Ihrer Funktion als Lernbotschafterin?
Martina Eifler: Ich möchte als Lernbotschafterin hier in der Region auf das Problem aufmerksam machen. Die Betroffenen sollten dafür Hilfe in Form von Lese- und Schreibkursen in Anspruch nehmen. Es gehört sicher ganz viel Überwindung und Feingefühl dazu, darüber zu sprechen. Mir liegt sehr viel daran, dass die Betroffenen in der Region Hilfe angeboten bekommen. Da gibt es sicher ganz allgemein Reserven. Denn das Thema ist nicht allgegenwärtig. Ich nehme deshalb auch die Gesellschaft in die Pflicht, diesen Menschen zu helfen und zu unterstützen.