Alte Posthalterei wird 250 Jahre alt
Anne-Kathrein Zöllner freute sich über die gelungene Sanierung des Hauses Zwingerstraße 20 für die von ihr geleitete Stiftung pro Gemeinsinn. Foto: Archiv
Die Mail-Art – hier präsentiert von Volker Lenkert – kennt viele verschiedene Facetten. In der Alten Posthalterei kamen schon viele davon zum Vorschein. Foto: Archiv
Kamenz. Ein erst unlängst dem langandauernden Dornröschenschlaf entrissenes historisch wertvolles Gebäude in der Kamenzer Innenstadt feiert in diesen Tagen ein großes Jubiläum: Die Alte Posthalterei an der Zwingerstraße wird 250 Jahre alt. Das Gebäude Zwingerstraße 20, in dem sie sich befand, ist wesentlich älter – im Renaissanceportal ist die Jahreszahl 1545 als mutmaßliche Erbauungszeit verewigt. „Auf kurfürstliche Anordnung wurde schließlich am 1. Oktober 1774 die Posthalterei Kamenz unter Leitung des Postmeisters Heinitz neu eröffnet. Wie lange Heinitz die Posthalterei betrieb, ist nicht bekannt. Nach mehreren Besitzerwechseln endete im Jahre 1810 die Postgeschichte auf der damaligen Königsbrücker Gasse“, schreibt der Verein Europäisches Kultur- und Informationszentrum mit Sitz in Erfurt auf der von ihm betriebenen Facebook-Seite „Via Regia – Kulturroute des Europarates.“ An eben dieser bedeutenden europäischen Handelsstraße bildete die Kamenzer Posthalterei in ihrer kurzen Nutzungsgeschichte eine wichtige Zwischenstation. Zuvor hatte die Postroute an Kamenz vorbei geführt, die nächsten Stationen befanden sich in Schweinerden und Königsbrück. Die Postboten gaben am Königsbrücker Tor die für Kamenz bestimmten Postsachen ab. Nach der Schließung der Posthalterei diente das Gebäude Zwingerstraße 20 unter anderem als Seifensiederei, zu DDR-Zeiten auch als Geschäft für Kunstgewerbe.
Zuletzt stand die Zwingerstraße 20 bis 2020 über viele Jahre leer, die Bausubstanz verfiel auch von außen sichtbar mehr und mehr. Doch nun präsentiert sich anstelle des früheren Schandflecks an der Ecke Zwinger-/Pulsnitzer Straße ein stattliches und ansehnliches Gebäude mit hellgrauer Fassade, dessen Blickfang zweifellos das bereits erwähnte Portal mit seinem himmelblau ausgemalten Gewände, an dessen Rundbogen sich ein goldenes Schmuckband mit drei Plaketten entlangzieht, bildet.
Zu verdanken ist dies ist der in Berlin ansässigen Stiftung Pro Gemeinsinn, die sich bereits zuvor seit mehreren Jahren als Trägerin von Kindertagesstätten in der Kamenzer Umgebung engagiert hatte. Bei der Suche nach einem Standort für die Verwaltung der Stiftung Pro Gemeinsinn Sachsen gGmbH fiel der Blick auf die Zwingerstraße 20. „Das Haus gefiel mir ebenso gut wie die Lage, in unmittelbarer Nähe zu Theater, Museum und Marktplatz“, erklärte Gründerin und Geschäftsführerin Anne-Kathrein Zöllner 2022 im Gespräch mit dem „Oberlausitzer Kurier.“
Doch nicht nur der jahrelange Leerstand, sondern auch missglückte Sanierungsversuche von Vorbesitzern erschwerten das Vorhaben. Die Stiftung machte sich dennoch ans Werk, legte zunächst die Wände trocken, erneuerte das Dach, modernisierte die Technik. Da die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet war, mussten die charakteristischen Gewölbe aufwändig gesichert werden. „Vom Keller bis zum Dachboden haben wir das ganze Gebäude komplett erneuert“, so die Geschäftsführerin damals. Dennoch blieb die jahrhundertealte Geschichte lebendig: Zwar finden sich heute mit Ausnahme des „kleinen Gewölbes“ keine Hinweise mehr auf die Entstehungszeit und die Nutzung als Posthalterei. Details der zurückliegenden Nutzung, wie ein Kachelofen und eine unverputzte Lehmwand, blieben aber ganz bewusst erhalten.
Die Stiftung benötigt für ihre eigenen Zwecke nur das Obergeschoss; das Erdgeschoss, zu dem auch der bereits erwähnte, als „Kleines Gewölbe“ bezeichnete Workshop-Raum gehört, steht für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung und hat sich weit über Kamenz hinaus als „DADA-Zentrum“ einen Namen gemacht, dessen Trägerin die Stadt Kamenz ist.
Dasselbe gilt für die in einem Nebenraum eingerichtete Druckerwerkstatt mit dem bei der hiesigen Firma Heidsieck hergestellten „Kamenzer Tiegel.“ Derzeit und noch bis zum 29. September ist hier die Ausstellung „Traumstationen“ des Berliner Künstlers Christopher Todd mit Pinsel-, Spachtel- und Fingerarbeiten auf Papier, Holz, Leinwand und Karton zu sehen.