Alter Wein in neuen Schläuchen bei Brüdergemeine?
Christine Pietsch leitet die Nieskyer Brüdergemeine und sieht der weiteren Debatte um den Namen gelassen entgegen. Foto: Matthias Wehnert
Die Herrnhuter Brüdergemeine führt eine Diskussion um einen neuen Namen. Das geht an Niesky natürlich nicht vorbei. Doch wird dabei alter Wein in neuen Schläuchen abgefüllt?
Der Vogtshof in Herrnhut ist Sitz der Kirchenleitung der Herrnhuter Brüdergemeine. Foto: Evangelische Brüder-Unität/Peter Isterheld
Niesky. Im Gemeindebrief (mit d) der Evangelischen Brüdergemeine (ohne d) Niesky vom Oktober/November 2022 konfrontierte Christine Pietsch ihre Nieskyer Gemeindeschäfchen mit einer Umfrage „von oben“. Das Direktion der Brüder-Unität/Herrnhuter Brüdergemeine“, so der historisch gewachsene, jedoch zugleich sperrige Name habe einen Gesprächsprozess in den Gemeinden über eine mögliche Umbenennung in Gang gesetzt. Zumal parallel ja auch noch die Bezeichnungen Unitas Fratrum oder Mährische Kirche ebenso ihre Tradition im jeweiligen Kontext haben. „Schon aufgrund der Staatsverträge gibt es je nach Bundesland Evangelische oder Herrnhuter Brüdergemeinen“, vervollständigt Christine Pietsch das Wirrwarr um den bzw. die Namen, das wohl zunächst auch nur die deutschen und schweizerischen Gemeinden sprachlich betrifft. Hierzu muss man wissen, dass die „Brüder“ weltweit in einem europäisch-festländischen Zweig und einem amerikanischen agieren. Die Europäer haben dabei auch Afrika, Palästina und in Südamerika Surinam als einstige niederländische Kolonie unter ihren Fittichen.
Doch sowohl in Herrnhut, als auch in Niesky, gaben die „Brüder“ den Impuls für die Ortsgründung. Und auch wenn die Brüdergemeine in Niesky heute mit ihren Ablegern Forst und Cottbus nur etwas über 300 Mitglieder zählt, so ist sie doch ein Alleinstellungsmerkmal für das örtliche Charakteristikum. Man kann also sagen: Zumindest der Durchschnittsnieskyer dürften etwas von der komplizierten Namensgeschichte wissen, die gleichwohl in Zeiten dichter Werbefloskeln einen Vermarktungsnachteil darstellen dürfte.
Auf die Frage, was eigentlich genau hinter der Namensdebatte stehe, deutet Christine Pietsch: „Bei den Jüngeren besteht scheinbar die Sorge, dass sich nicht jeder mit dem Namen wohlfühlt.“ Und so stehen zwei „Leserreaktionen“ im Nieskyer Gemeindebrief auch für die unterschiedlichen Sichtweisen der Generationen.
Während Marianne Tiede für die Älteren betonte: „Alle Schwestern in unserer Gesprächsrunde lehnten eine Namensänderung ab – niemand fühlte sich diskriminiert“, schrieb für eher jüngere Mitglieder Johann Heinrich, der Name könne schon „auf den Prüfstand gestellt werden“, es gebe eben nicht nur „Brüder“.
Aus Herrnhut heißt es jedenfalls, die Synode habe sich dem Ansinnen angenommen und die Kirchenleitung (Direktion) beauftragt, in der Breite der Gemeinden ein Meinungsbild einzuholen. Davon gibt es in Deutschland 16. Erdmann Carstens, Pressesprecher der Herrnhuter Brüdergemeine, erklärte der Redaktion: „Auf der nächsten Tagung der Synode 2024 wird dann berichtet und weitergearbeitet. Nicht von der Hand zu weisen ist das Argument, dass die ,Brüder’ im Kirchennamen zum einen auch heute einen Wiedererkennungswert haben und zum anderen die starke Verbindung zu den eigenen Wurzeln (Böhmische Brüder bzw. Unitas Fratrum im 15. Jahrhundert) herstellen. Gleichwie, es ist ganz gewiss nicht unnütz, wenn sich die Brüdergemeine in Abständen mit ihrem Namen beschäftigt, um das darin enthaltene Programm zu verstehen.“ Solch eine Initiative gab es zuletzt vor 25 Jahren schon einmal. Christine Pietsch erinnert sich noch gut an den letzten Anlauf. „Es wird meines Erachtens wieder nicht zu einer Umbenennung kommen, auch weil es keine echte Alternative gibt“, sagt sie und gibt auf Nachfrage zu Protokoll, dass einige wohl gerne „Geschwister“ statt „Brüder“ – sehen würden. Doch der Bruch der Identität scheint die zweite Seite der zeitgeistlichen Medaille zu sein.
In ihrer Theologie unterscheiden sie sich die „Brüder“ nicht wesentlich von anderen evangelischen Kirchen. Unterschiede werden vor allem im kirchlichen Leben sichtbar, etwa in der Gestalt der Kirchenräume (Kirchensäle), der Friedhöfe (Gottesacker) und in der Form der Gottesdienste. Mitglieder der Brüdergemeine können sogar zugleich Mitglieder in einer Landeskirche sein. Die Brüdergemeine beteiligt sich so auch an der Ökumene. Nicht nur in Deutschland ist sie vor allem bekannt durch ihre „Losungen“, ein bei vielen Christen beliebtes Andachtsbuch und natürlich für die Herrnhuter Sterne, deren erste ja sogar aus Niesky kamen.