Am Heiligabend wird im Altenheim aufgelegt
Eine DJane geht wieder auf Tour: Ulrike Biebrach wird in den kommenden Wochen in Altenheimen der Region Weihnachtslieder auflegen. Da es die Bautzenerin gern auch zu Hause festlich mag, hat sie vor dem Heiligabend schon mal im Plattenfundus gestöbert.
Bautzen. Es steckt immer noch tief in ihnen: Eines der angesagtesten DJ-Ehepaare der damaligen DDR kehrt zurück zu seinen Wurzeln – wenngleich nicht mehr in dem Rahmen, wie es in den 80er Jahren der Fall war. Mit Gastspielen in Altersheimen haben Ulrike und Norbert Biebrach, wie sie selbst sagen, eine Marktlücke erschlossen. Die Musik, mit der sie auf Tour gehen, haben beide bereits auf dem Rechner ausgewählt und sortiert. Aus diesem Grund wird der Heiligabend 2019 anders ausfallen als noch zu der Zeit, in der das Bautzener Paar keine Auftritte bewerkstelligen musste. Nach der Wende hatten sich beide aus dem DJ-Geschäft zurückgezogen. Nun starten die ehemaligen UNB-Diskotheker ein Comeback. „Wenn andere Familien bereits die Geschenke unterm Weihnachtsbaum verteilen oder sich in einer der Kirchen einen guten Platz für das Krippenspiel sichern, werden wir in Lawalde in einem Seniorenheim für weihnachtliche Stimmung sorgen“, erzählt Ulrike Biebrach. „Aus der Erfahrung heraus wissen wir, dass die Heimbewohner solch ein Angebot dankend annehmen.“
Die 67-Jährige freut sich bereits auf den 24. Dezember. Nach dem Eintritt ins Rentenalter wollte die rastlose Spreestädterin sich nicht einfach so zur Ruhe setzen. Deshalb entschied sie sich gemeinsam mit ihrem Mann dazu, noch einmal im Veranstaltungsmanagement durchzustarten. Dass beide wieder Platten auflegen und moderieren, soll vorerst auf die Seniorenheime beschränkt bleiben. Doch wer weiß schon, was die Zukunft bringt.
Dadurch, dass Ulrike Biebrach gut eingespannt ist, fällt es ihr schwer, schon jetzt in Weihnachtsstimmung zu kommen. „Das geschieht wohl erst kurz vor dem Heiligabend, wenn wir mit Nachbarn unser alljährliches Wohngebietsfest abhalten.“ Dann werden nach guter alter Tradition Wärmepilze und Stehtische aus der Garage geholt und aufgestellt, um in geselliger Runde heißen Glühwein zu schlürfen.
Unterdessen spult die Bautzenerin in ihrem Kopf einige Jahrzehnte zurück. Vor der deutschen Wiedervereinigung gab es viel mehr Lametta an den Weihnachtsbäumen als heute, sagt sie. „Wer Verwandtschaft im Westen hatte, durfte sich mit etwas Glück die hochwertigere Ausführung aus Blei ans Nadelkleid hängen. In der DDR gab es lediglich dieses Aluminiumlametta, das wie leichtes Sauerkraut zwischen den Ästen hing. Unabhängig davon musste man im Vergleich zum Leben im Hier und Jetzt weitsichtiger sein, die Menschen hatten vor dem Fest viel mehr zu organisieren. Das fing schon beim Räucherlachsschinken und den Apfelsinen an. Beides war ja nicht jeden Tag im Laden erhältlich. Es gehörte aber zum Fest irgendwie dazu. Heutzutage ist von Anfang September bis zum Heiligabend so gut wie alles in den Supermarktregalen verfügbar, was Weihnachten ausmacht.“ Doch nicht nur in dem Punkt veränderte sich einiges. „Ich erinnere mich daran, dass wir uns einfache Kiefern und Fichten in die Wohnstube stellten. Inzwischen gibt es Weihnachtsbäume unter anderem in Form von Nordmanntannen, die in der Qualität deutlich hochwertiger sind. Statt dem Canei-Perlwein aus dem Deli köpfen wir nun eine Flasche Champagner.“ Zudem vermisst sie insgeheim die gemeinsamen Stunden im Kreise der Familie. Nachdem der Sohn aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen ist, feiert das Ehepaar Biebrach Weihnachten meist unter sich. Und dazu wird am 24. Dezember, wie bei vielen anderen Lausitzern auch, Kartoffelsalat mit Kasseler oder Wiener Würstchen aufgetischt. An den darauffolgenden Weihnachtsfeiertagen gibt es Gänsebraten, den die Bautzenerin selbst zubereitet.
Dafür blieb vor 1990 eher weniger Zeit. Denn da hatte das DJ-Ehepaar allerhand um die Ohren. „In den renommierten Lokationen der Region fanden öffentliche Tanzabende statt“, weiß Ulrike Biebrach. „Schon Wochen zuvor suchten wir dafür die passende Musik heraus. Während bei Kerzenlicht den Gästen Ragout fin, Steak au four und das Herrengedeck bestehend aus einer Flasche Rotkäppchen-Sekt und einer Flasche Radeberger Bier serviert wurde, haben Norbert und ich für die weihnachtliche Umrahmung gesorgt. Später am Abend ging es ausgelassener zur Sache. Dann wurde zu deutschen Schlagern und englischen Ohrwürmern getanzt.“ Frauen führten extra dafür ihre neue Garderobe aus, die Herren der Schöpfung erschienen samt Krawatte im Sacko oder Anzug, jedoch nicht, wie es mittlerweile verbreitet zur Normalität geworden ist, im Polo-Shirt.
In den Altenheimen, in denen Biebrachs demnächst zu erleben sein werden, wird nicht über das Tanzoval geheizt, sondern vielmehr mitgewippt. Ehemann Norbert zieht sich extra dafür ein Weihnachtsmannkostüm über und Absolventen der Musik-schule Bautzen geben ein Ständchen zum Besten – so auch am Heiligabend. Im Anschluss daran ist Bescherung – in den eigenen vier Wänden. Womit genau sich beide beschenken, das soll vorerst noch ein Geheimnis bleiben. Ulrike Biebrach kann sich jedoch gut vorstellen, ihren Mann einmal mehr mit einer Reise zu überraschen. Die neu durchstartende Veranstaltungsmanagerin, die auch wieder Auftritte als DJane bestreitet, hat einen besonderen Wunsch. Sie möchte sich so gern das Musical „Ich war noch niemals in New York“ ansehen. Vielleicht geht selbst dieser Traum schon in Kürze für beide in Erfüllung.