Anne Frank ist auch mit Görlitz verbunden!
Lauren Leiderman bringt jüdische Ex-Görlitzer in aller Welt per Facebookgruppe zusammen. Vor dem Familiengrab der Kaufhausunternehmerfamilie Totschek aus der Steinstraße zeigt sie ein historisches Foto und Überlebende der Familie in ihrer Internetgruppe.
Die US-Amerikanerin Lauren Leiderman lebt seit einem Jahr mit ihrem jüdischen Ehemann in Görlitz und ist mittlerweile tief in die Geschichte der Juden in der Stadt eingetaucht. Sie hat im Internet Überlebende des Holocausts zusammengebracht und stieß bei ihren Recherchen nun sogar auf eine Verbindung einer Görlitzer Familie zu Anne Frank, deren Tagebuch zum literarischen Symbol der Judenverfolgung schlechthin wurde.
V.l.n.r.: Eva Goldberg, die später in Las Vegas lebte, Susanne Leiderman und Anne Frank. Foto: privat/Yad-Vashem-Institut
Görlitz. Seit etwa einem Jahr lebt die ausgebildete Opernsängerin Lauren Leiderman in Görlitz. Du junge Frau führt in englischer Sprache Touristen und kennt die Geschichte der Stadt immer besser. „Meine Passion ist Geschichte, das habe ich auch von meiner Mutter, die Geschichtslehrerin war“, sagt sie in erstaunlich gutem Deutsch nach gerade einem Jahr des Lernens. Der jüdische Familienhintergrund ihres Ehemannes, der als Chirurg am Klinikum arbeitet, hat sie speziell zur Geschichte der Juden in der Stadt geführt. „Die Großeltern von meinem Mann waren Holocaustüberlebende. So, dieses Interesse beginnt mit unserer Story“, sagt sie mit ausgeprägter amerikanischer Sprachmelodie.
Lauren Leiderman auf dem Jüdischen Friedhof in Görlitz am Grab der Familie Goldberg, über die sie eine Verbindung nach Amsterdam zur Familie Frank gefunden hat. Foto: Till Scholtz-Knobloch
„Ich habe hier so viel zur jüdischen Geschichte gefunden und ich finde mehr und mehr. Es ist unglaublich und ich fragte mich, wo sind diese Menschen geblieben?“, fasst sie die Faszination der Fragestellung zusammen. Damit kam der Stein ins Rollen. Durch ihren privaten, englischsprachigen Blog baute sie Querverbindungen und brachte auf einmal Nachkommen von jüdischen Görlitzern in aller Welt zusammen, die so wieder auf die Spuren ihrer Vorfahren aufmerksam wurden. „Nicht alle wollten an die Vergangenheit erinnert werden“, stellt die junge Frau fest und erinnert sich an eine Dame, eine Urenkelin von Ludwig Korn, die ihr sagte: „Ich will keinen Kontakt mehr mit Görlitz herstellen. Ich habe Respekt für das, was sie machen, aber ich will bestimmt nicht mehr nach Görlitz kommen“. Lauren Leiderman sandte ihr ein Foto, auf dem ihr 19 Monate alter Sohn auf dem Jüdischen Friedhof zu sehen ist. „Als sie meinen Sohn auf dem Bild sah wurde alles anders.
Ein Kind auf dem Jüdischen Friedhof war für die Dame ein Symbol des Fortbestehens und neuen Lebens von Juden in Görlitz. Ich denke, mit der Urenkelgeneration ist es dennoch einfacher, in der Erlebnisgeneration ist das noch viel schwieriger“, meint Lauren Leiderman.
Ihre Netzwerkarbeit begann mit einem Besuch in der Neuen Synagoge. Dort fragte sie bei Recherchen nach einem Namen, man konnte ihr jedoch nicht weiterhelfen. Die Lücke spornte die junge Mutter jedoch weiter an. Sie fand die 75-jährige Judi Hannes-Mendelsohn, deren Vater in Görlitz geboren wurde, in den Weiten des Internets. Es entstand eine innige Freundschaft, die Motor für ein richtiges Netzwerk wurde. Nach und nach kamen weitere Familien zu ihrer Facebookgruppe, die aus Görlitz stammende jüdische Familien mittlerweile verbindet. Der sich immer weiter ziehende Kreis hat Ende Mai nun eine ganz besondere Verbindung ans Tageslicht befördert. „Ich bin auf ein Foto des Yad-Vashem-Instituts Jerusalem gestoßen“, erzählt sie und zeigt auf ein Foto mit drei Mädchen. „Das Kind rechts ist Anne Frank, Susanne Leiderman steht in der Mitte und links das ist Eva Goldberg“, sagt sie. Letztere war eine Görlitzerin, die mit der Familie vor den Nazis fliehen konnte. In Görlitz erinnert das Grab ihres kleinen Bruders an die Goldbergs, das Lauren bei einer Säuberungsaktion mit dem Bürgerrat der Südstadt vom 26. bis 28. Mai vom Dickicht befreien konnte.
Sie nahm Kontakt mit den Goldbergs auf. „Die Familie von Anne Frank und die Goldbergs waren Freunde, denn die Goldbergs hatten Verwandte in Amsterdam. Das Foto der drei Mädchen entstand also bei einem Urlaub dort“, sagt Lauren Leiderman. Die mittlerweile verstorbene Görlitzerin Eva Goldberg hat als Kind übrigens wie Anne Frank ein Tagebuch geschrieben und Anne Frank hat darin sogar einen Eintrag hinterlassen. „Die Kristallnacht war für die Goldbergs sehr schwer, weil der Vater ein Kaufmann in Görlitz war. Nach der Pogromnacht ist die Familie nach Amsterdam gegangen und von dort über England in die USA gekommen“, weiß Lauren nach ihren Recherchen zu berichten und sprüht dabei vor Begeisterung: „This is crazy, no one hat gesagt, Anne Frank hat eine Görlitz-Connection“.
Das sei wirklich eine Sensation, denn Lauren hatte trotz ihrer mittlerweile hervoragenden Kenntnisse über die jüdischen Familien der Stadt noch nie gehört, dass es eine solche Verbindung gegeben habe. „Eva lebte in Las Vegas, Nevada. Sie ist aber vor etwa 20 Jahren gestorben. Sie war aber mit einem aus Deutschland stammenden Juden verheiratet, er starb erst vor etwa zwei Jahren. Aber ich habe die Nichte von Eva gefunden. Daher weiß ich das alles“, berichtet sie.
Infos über ihre familiären Recherchen stellt Lauren auf laminierten Seiten zusammen, die sie nach und nach auf dem Friedhof an den Gräbern hinterlässt.
Kommentare zum Artikel "Anne Frank ist auch mit Görlitz verbunden!"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Liebe Frau Leidermann,
ich finde es einfach toll, was Sie über das Leben der jüdischen Familien in Görlitz recherchieren.
Auch als ehemalige Deutschlehrerin interessiert mich das Tagebuch der Anne Frank besonders. Selbst zu DDR- Zeiten habe ich es gern in meinen Unterricht mit einbezogen. Ein Schülerprojekt einer meiner 8. Klassen war dem Leben jüdischer Familien in Görlitz gewidmet, wobei wir die Synagoge und Villa Ephraim besonders einbezogen.
Für Ihre weitere Arbeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Mit freundlichen Grüßen Christine Schiefer.