Antworten auf die Angst vor dem Land
Neu-Ödernitz, Blick vom Wasserturm um 1930. Foto: Museum
Niesky. „Es ängstigte mich, nun auf dem Land leben zu müssen, aber dieses Niesky war voller Überraschungen. In Niesky waren in den einfachen, geraden Straßen ganz gleiche Häuser, in der alle Fensterdimensionen und Wände und die Höhe der Dächer genormt waren, da standen selbst die Bäume in Ordnungsreihen…“, schilderte der Architekt Konrad Wachsmann seinen ersten Eindruck von seinem neuen Arbeitsort.
Als Wachsmann 1926 seine Anstellung bei Christoph & Unmack bekam, war die Siedlung Neu-Ödernitz – bis auf die Häuser an der Blockhausstraße – gerade fertiggestellt. Anfang der 20er-Jahre herrschte in Niesky ein regelrechter Bauboom. Auf dem neu erworbenen Landbesitz der Firma wuchsen Wohnhäuser in Holz-Fertigbauweise praktisch von einem Tag auf den anderen wie Pilze aus dem Boden. Die Nieskyer Holzbaufirma wollte mit ihrer eigenen Werkssiedlung die Wohnungsnot unter ihrer Arbeiterschaft beheben. Die ältesten Holzhäuser stehen in der Fritz-Schubert-Straße, 1920/21 erfolgte die Bebauung der Christophstraße, Doecker- und Schlesienplatz. Bis 1923 war die gesamte heutige Konrad-Wachsmann-Straße fertiggestellt. In kürzester Zeit entstanden 39 Mehrfamilienhäuser in denen 85 Familien eine modern ausgestattete Wohnung bekamen.
Großflächig erprobte Christoph & Unmack, die damals Europas bedeutendste Holzbaufirma war, ihre patentierte Doecker-Tafelbauweise. Die in großen Serien vorgefertigten Wand-, Boden- und Dachplatten inklusive Türen und Fenster wurden auf der Baustelle nur noch mit speziellen Hakenverschlüssen zusammengefügt. Die Häuser waren innerhalb von wenigen Tagen bezugsfertig.
Beeindruckend für den Besucher – die Siedlung diente gleichzeitig als Musterhaussiedlung – war das gut durchdachte städtebauliche Gesamtkonzept mit planmäßig angelegten Straßen und begrünten Platzanlagen. Nach dem Vorbild einer Gartenstadt wurden jeder Wohnung ein eigener Nutzgarten zur Selbstversorgung und ein Vorgartenbereich zugeordnet. Außerdem gehörte zu jedem Haus ein Nebengebäude in Holzbauweise, in dem sich Stallungen für Kleintiere sowie gemeinschaftliche Waschküchen befanden. Die schlüsselfertige Hausübergabe beinhaltete außerdem die Einfriedung der Grundstücke. Ein Rosenbogen führte zu den Wohnungen. Anhand von Originalfotografien, Zeichnungen und Abbildungen aus Musterhauskatalogen zeigt eine Ausstellung bis zum Nieskyer Holzhausfest am 18. Juni im Johann-Raschke-Haus am Nieskyer Zinzendorfplatz eine Chronik der Bauetappen.