Bautzen braucht solides Wirtschaften in schwierigen Zeiten
Der Bautzener Finanzbürgermeister, Dr. Robert Böhmer, kann zufrieden mit der breiten Zustimmung vonseiten des Stadtrates für den aktuellen Haushalt der Stadt sein. Foto: Benjamin Vogt
Bereits im Vorfeld wurde viel über den Haushalt der Stadt Bautzen für das kommende Jahr diskutiert und teils kontrovers berichtet. Jetzt hat der Stadtrat die Vorlage abgesegnet und wir wollten vom Finanzbürgermeister wissen, was für die Stadtkasse der Zukunft zu erwarten ist.
Herr Dr. Böhmer, am 25. Januar hat der Stadtrat zum Haushalt 2023 entschieden und ihn fast einstimmig genehmigt. Sind Sie über dieses eindeutige Votum überrascht?
Robert Böhmer: Nein, überrascht bin ich nicht. Wir arbeiten ja alle auf eine Entscheidung mit großem Einsatz hin. Natürlich ist solch eine deutliche Zustimmung des Stadtrats auch ein Kompliment für die Arbeit der Verwaltung in der gegenwärtigen Krisensituation und für das Agieren des neuen Oberbürgermeisters. Ich bin dankbar, dass wir uns so schnell einig geworden sind und die Richtschnur für 2023 festgelegt haben.
Dabei hieß es noch unmittelbar im Vorfeld, die Stadt stünde vor echten Schwierigkeiten. 5,7 Millionen fehlen, es sei „ein Loch zu stopfen“ und deshalb würden ja nun Schulden gemacht.
Robert Böhmer: Richtig ist, die Inflation und die wirtschaftliche Unsicherheit machen Kommunen derzeit heftig zu schaffen. Einnahmen und Ausgaben halten sich nicht mehr die Waage. Aber diese geraunte und empörte Zuspitzung ärgert mich. Die Stadt hat keine Schulden gemacht! Wir müssen einen Plan, also noch kein Ergebnis, in vier Jahresscheiben bis 2026 ausgleichen. Das ist uns zugegebenermaßen nur möglich, weil wir im vergangenen Jahrzehnt genügend Rücklagen erwirtschaftet haben und diese zum Haushaltsausgleich noch einsetzen können.
Das ist dennoch nicht ohne. Wie ist der aktuelle Haushalt im Vergleich zu den vergangenen Jahren einzuordnen?
Robert Böhmer: Die Entwicklung ist nicht ganz neu. Der Plan des Jahres 2023 entspricht in seinem Wesen den zwei Vorjahren. Das Volumen beträgt mittlerweile stolze 96,2 Millionen Euro im laufenden Geschäft, hinzu kommen neue Investitionen von 13,3 Millionen sowie noch nicht vollständig abgeschlossene investive Maßnahmen aus der Vergangenheit in Höhe von 18,8 Millionen Euro.
Welche Punkte belasten in der Finanzierung besonders?
Robert Böhmer: Besonders die Schwerpunkte, die nicht durch die Kommune steuerbar sind: Beispielsweise zusätzliche personelle Belastungen durch die Neufassung des Wohngeldgesetzes oder bei der gesetzlich angeordneten Grundsteuerreform, zudem steigende Aufwendungen in der Bauunterhaltung, inflationsbedingter Druck bei der Tarifentwicklung, immer weiter verbesserte gesetzliche Standards im Kitabetrieb. Wir können uns nicht einfach schulterzuckend hinstellen und sagen: „Ohne uns!“ Dienstleister und Unternehmen wollen bezahlt sein, Erzieherinnen und Fachkräfte erwarten eine faire tarifliche Entlohnung. Bürger setzen eine funktionierende, saubere und zuversichtliche Stadt voraus. Und dennoch scheint es auf der anderen Seite gleichzeitig schier undenkbar, wenigstens einigermaßen kostendeckend Beiträge und Gebühren über die verschiedenen städtischen Satzungen zu erheben, ohne Entrüstung auszulösen.
Irgendwo müssen Sie ja ansetzen. Welche Perspektive gibt es?
Robert Böhmer: Die derzeitige Situation ist für alle Beteiligten politisch und emotional belastend. Ich kann den Stadtrat verstehen, er will auch jetzt gestalten, Vorzeigbares erreichen und dem Bürger wohlgesinnte Entscheidungen treffen. Dabei hängt wohlgemerkt nahezu alles am Geld. Dem Oberbürgermeister ist es in seinen ersten Monaten gelungen, erhitzte Gemüter zu beruhigen und sich mit den Stadträten auf Prioritäten festzulegen. Die Zukunft wird trotzdem nicht einfacher. Die Kreisumlage, die wir an den Landkreis abführen, ist um 3 Millionen auf satte 21 Millionen gestiegen. Hier will der Landkreis nun auch noch den Umlagesatz weiter erhöhen, was eine zusätzliche heftige Millionen-Mehrbelastung zum derzeitigen Niveau bedeuten würde.
Wie sieht die Einnahmenseite aus?
Robert Böhmer: Mit Blick auf die Zahlen können wir bei den Schlüsselzuweisungen aus dem Freistaat, bei den Gewerbesteuereinnahmen und bei den Gemeinschaftssteuern tatsächlich eine positive Entwicklung verzeichnen. Doch es ist Vorsicht geboten. Steigende Steuereinnahmen sind die Folge steigender Preise und ein Zeichen für erhöhten Inflationsdruck. Und das Problem bleibt, die Ausgaben steigen noch schneller. Die Steuerprognosen sind außerdem von Unsicherheit überzeichnet. Und bei politischer Betrachtung der städtischen Gebührensatzungen ist mit Blick auf die Belastung der Bürger sogar mit einem relativen Rückgang der Einnahmen für die Kommune zu rechnen. Das spiegelt sich in der bisherigen Nichtverabschiedung der Elternbeitragssatzung für die Kindertageseinrichtungen und der Diskussion um die Sportstättensatzung wider.
Mit welchen Maßnahmen können Stadtrat und Verwaltung die Stadtfinanzen überhaupt nachhaltig konsolidieren?
Robert Böhmer: Im Zweifel müssten liebgewonnene Leistungen radikal gestrichen oder Steuern erhöht werden. Beides will natürlich niemand. Bleiben wir beim Beispiel der Sportstättensatzung. Die Stadt unterstützt den Vereins- und Jugendsport mit der Möglichkeit ermäßigter Gebühren bei der Hallen- und Sportstättennutzung mit circa 500.000 Euro jährlich. Manchmal kommt das Bewusstsein dafür völlig abhanden. Wenn wir diese Summe nicht mehr aufbringen können, erst dann wären für alle Sportvereine Regelgebühren fällig!
Ein anderer nahe liegender Punkt sind die relativ umfangreichen Freiwilligkeits- und sozialen Leistungen der Stadt, die wir abseits der Pflichtaufgaben zusätzlich leisten. Beispielsweise in der sozialen präventiven Arbeit, der Jugendarbeit, zur Unterstützung der Stadtfeste und so weiter. Hier sind wir erleichtert, dass wir eine radikale Konsolidierung vermeiden konnten. Nahezu alle Anliegen konnten auf dem Vorjahresniveau mit einzelnen geringen Steigerungen weiterfinanziert werden. Für Konsolidierungsüberlegungen entscheidend sind wirtschaftliche und sparsame Ansätze in der künftigen Haushaltsplanung 2024. Ein weiterer Punkt sind Organisationsstrukturüberlegungen, die der Oberbürgermeister eingeleitet hat.
Bevor wir uns verabschieden, einen Risikofaktor haben Sie in der politischen Gemengelage noch nicht genannt: die Energiepreise. Was denken Sie dazu?
Robert Böhmer: Punkt eins, die politische Lage und die Entscheidungen in Dresden, Berlin oder Brüssel können wir kaum beeinflussen, der Frieden in der Ukraine ist ebenfalls nicht in unserer Hand. Wir können die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Probleme als Kommune nicht lösen und geschmeidig wegsubventionieren. Wovon? Punkt zwei, natürlich sind die Energiepreise ähnlich wie für den um seine Existenz ringenden Unternehmer ein schwerer Belastungsfaktor. Hier müssen wir sehen, dass wir den „Energie- und Gaspreisdeckel“ auch kommunal nutzen können. Wir prüfen intensiv, um an dieser Stelle Kosten zu senken.