Bautzen schaltet schon wieder in den Wahlkampfmodus
Wer wird nach der Oberbürgermeisterwahl im kommenden Jahr im Bautzener Rathaus die Regie führen? Derzeit loten die Parteien mögliche Kandidaten aus. Foto: Archiv
2022 wählen die Bautzener einen neuen Oberbürgermeister (OB). Derzeit loten die Parteien aus, wer für sie ins Rennen geht beziehungsweise wen sie unterstützen wollen. Für die Sozialdemokraten hingegen scheint bereits klar zu sein, wer im Rathaus künftig die Fäden ziehen soll. Von ihrem Kandidaten versprechen sie sich auch weiterhin eine positive Entwicklung der Spreestadt.
Bautzen. In Bautzen hat der Kampf um den Machterhalt im Rathaus begonnen. Während Kritiker dem jetzigen Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) mit Blick auf dessen zurückliegende Amtszeit kein gutes Zeugnis ausstellen und davon sprechen, dass in den zurückliegenden sechs Jahren mehr verwaltet als gestaltet wurde, sind dessen Genossen im Stadtrat völlig anderer Auffassung.
Zum Beweis dafür, dass die Rathausspitze durchaus etwas in Bautzen seit dem Amtsantritt im Jahr 2015 bewegt hat, legte Fraktionschef Roland Fleischer dem Oberlausitzer Kurier auf Anfrage eine Liste mit 60 Punkten vor. Dabei handele es sich um „eine Aufzählung verschiedenster Unternehmungen durch die Stadtspitze in der Ägide von OB Ahrens“. „Dies geschah selbstverständlich oft im Zusammenwirken mit dem Stadtrat“, räumte er ein. „Die Richtlinien behält der OB in der Hand, er ist Scharnier zwischen verschiedenen Ebenen und trägt so maßgeblich zum Erfolg bei.“ Wer die Entwicklung in Bautzen allerdings aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass die Sozialdemokraten mit ihrem Lobgesang auf das Stadtoberhaupt etwas über das Ziel hinausschießen.
Kritik quer durch die Fraktionen
„Die CDU-Stadtratsfraktion weist darauf hin, dass erfolgreich umgesetzte Projekte in Bautzen zwar in die Amtszeit des derzeitigen Oberbürgermeister Ahrens fallen, jedoch nicht auf dessen Initiative oder Engagement zurückzuführen sind“, meint unter anderem Katja Gerhardi, Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten. „Man sollte den Oberbürgermeister nicht mit fremden Federn schmücken.“ Dem allen vorausgegangen waren eine Sitzung im Stadtrat, in der sich das Stadtoberhaupt gegen Kritik an seiner Person von Roland Fleischer verteidigen ließ, und ein Beitrag in der Tagespresse.
Unter dem Blickwinkel „unter Ahrens sei die Stadt vorangekommen“ hatte der SPD-Fraktionschef einige Erfolgsbeispiele aufgezählt, die er der Rathausspitze zurechnet. Wie andere kann Steffen Tech vom Bürgerbündnis Bautzen (BBBz) diese Einschätzung nicht teilen. „Der Wohnungsbaugesellschaft ist es zu verdanken, dass wir große und wichtige Projekte wie Spielplatz, Sportpark mit Skateranlage und Krone-Erwerb umsetzen konnten. Der Bahnhof als wichtiges Aushängeschild unserer Stadt wurde durch privates Engagement zu einem attraktiven Eingangsportal für Bahnreisende“, betont er.
In seinen Reihen mischte einst auch Alexander Ahrens mit. Nach seinem Amtsantritt bekannte sich der gebürtige Westberliner allerdings zu seinen sozialdemokratischen Wurzeln und untermauerte dies mit einer SPD-Mitgliedschaft. Auf diese Weise sicherten sich die Sozialdemokraten eine Schlüsselposition auf kommunaler Ebene. Von ihnen regierte Rathäuser in größeren Städten galten in Sachsen bislang als Seltenheit. Zuvor war Bautzen jahrzehntelang fest in CDU-Hand.
Steffen Tech stört sich indes noch an einer anderen Sache. Es geht dabei um die Abschaffung der Straßenbaubeiträge. Auch diesen Punkt hatte Roland Fleischer als Erfolg der jetzigen Stadtspitze gewertet. „Die Initiative ging von mehreren Stadtratsfraktionen aus“, erinnert sich der BBBz-Mann. „Die Verhandlungen und Abstimmungen zogen sich über viele Monate. Herr Ahrens war dabei nicht aktiv beteiligt. Lediglich der Beschluss im Stadtrat erfolgte in einer der ersten Stadtratssitzungen unter seiner Leitung.“
„Außer dem Bau einer überteuerten Kindertagesstätte ist wenig geworden“, schließt sich Stadtrat Dirk Lübke an. Und auch sonst liegt für ihn hinter den Rathausmauern so einiges im Argen, was unsere Zeitung jedoch bis zum Redaktionsschluss nicht überprüfen konnte: „In der Haushaltspolitik sind die Bürgermeister weder willens noch in der Lage, einen konsolidierten Haushalt 2022 vorzulegen. Stattdessen erbetteln sie beim Stadtrat eine Unmenge an Gebühren- und Steuererhöhungen. Zu Einsparungen und einer Effizienzsteigerung, das heißt Reform der Verwaltung, besteht völliger Unwille.“ Und weiter: „Ein schwaches Stadtratskollegium hat am 29. September mit minimaler Kosmetik bei der Krippengebühr zu alledem auch noch alle Gebühren- und Steuererhöhungen abgenickt. Im nächsten Haushalt wird die Verwaltung also nur das Allernötigste sparen.“
Auch die CDU sieht eine gewisse Stagnation in wichtigen Aufgabenfeldern, derer sich nach ihrer Auffassung der Oberbürgermeister anzunehmen hat. Eine nachhaltige Strategie zur Stadtentwicklung, Ideen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für junge Familien, um Wegzug zu verhindern, sowie eine klare Ausrichtung der Wirtschaftspolitik führt Fraktionschefin Katja Gerhardi an. „Besonders fällt hier – auch im Vergleich zu benachbarten Städten wie Bischofswerda – ins Gewicht, dass gestellte Anträge zu wichtigen Bauvorhaben im Rahmen des Strukturwandelfonds, die in Verantwortung des Stadtoberhauptes stehen, bislang erfolglos waren.“
Sozialdemokraten legen sich auf OB-Kandidaten fest
Trotz allem zeigt sich die SPD-Fraktion zuversichtlich. Sie geht davon aus, dass Projekte wie das Logistikzentrum am Südrand der Stadt oder auch die Errichtung des westlichen Altstadtzugangs samt der Schaffung einer Bürgerwiese und dem Ausbau des Schliebenparkplatzes angegangen werden. Andere Vorhaben hingegen stehen im Raum, lässt Roland Fleischer wissen. Dazu würden ein Großforschungszentrum für Bauwesen, die Etablierung von Jugendtreffs im Allende-Viertel und im Stadtteil Gesundbrunnen, die Konzipierung einer Mehrzweckhalle oder auch der Wiederaufbau des Reichentores am Kornmarkt zählen.
Für letztere Maßnahme und zahlreiche andere wie die Einführung eines kostenlosen Kurzzeitparkens in der Innenstadt mittels Sanduhr hatte bereits vor Jahren Mike Hauschild von der FDP geworben. Dafür ist er allerdings wiederholt von den Sozialdemokraten kritisiert worden. Roland Fleischer bezeichnete den Liberalen zuletzt als „realitätsfremd“, da er sich in Stadtratsthemen mit seinen „populistischen und teils nicht nachweisbaren Behauptungen“ als „Bremsklotz“ erwiesen habe. Der Freidemokrat hingegen warnte vor einem „Des Kaisers neue Kleider“-Effekt in Bautzen. Was sich in der Spreestadt abspiele, erinnere ihn stark an das Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen. „Ein Sonnenkönig, der sich mit fremden Kleidern schmückt, weil er keine eigenen geschaffen hat und sein Hofstaat klatscht Beifall und ruft ‚Weiter so!‘.“
2022 entscheiden die Bautzener, wem sie ihr Vertrauen für die nächsten sieben Jahre schenken. Für die Sozialdemokraten steht bereits fest, wer für sie ins Rennen geht. Eine Absicht des Oberbürgermeisters, erneut zu kandidieren, werde von der Stadtratsfraktion und vom Ortsverein „vorbehaltlos“ unterstützt. Denn, so Roland Fleischer: „Alexander Ahrens hat diese Stadt in großen Teilen befriedet, vorangebracht und wird auch zukünftig mit großen Projekten an der positiven Entwicklung weiterarbeiten.“
OB gibt sich einsichtig
Dazu zählt sicherlich zur Überraschung vieler Spreestädter nun auch das Standesamt. Wie aus der Einladung zur Stadtratssitzung am kommenden Mittwoch hervorgeht, will der Oberbürgermeister fortan Hochzeitspaare in den Hafen der Ehe lotsen. In der Beschlussvorlage, über die die Bürgervertreter noch zu befinden haben, heißt es: „Herr Alexander Ahrens hat vom 8. bis 10. September am Seminar ‚Eheschließungsrecht für Bürgermeister‘ erfolgreich teilgenommen.“
Inwieweit sich das auch für die OB-Wahl sagen lässt, wird sich im Laufe des nächsten Jahres zeigen. Das Stadtoberhaupt zumindest betrachtet all seine Wahlversprechen von einst als abgearbeitet. „Vieles ist umgesetzt, einiges in Arbeit wie die Brücke zur Ortenburg“, ließ er auf eine Presseanfrage unserer Zeitung wissen. „Da müssen wir für den Bürgerentscheid eine Mehrheit in der Stadtgesellschaft begeistern, das ist auch meine Aufgabe, aber alleine würde ich das gar nicht schaffen können. Alles, was bereits umgesetzt ist, wie die Abschaffung der Straßenbaubeiträge, der Sprejnik-Spielplatz in Gesundbrunnen, die Schaffung der Streetworker-Stellen, der neue Jugendclub Kurti und vieles mehr, konnte natürlich nur mit Mehrheiten im Stadtrat geschaffen werden. Das gilt auch für bereits beschlossene Maßnahmen wie den immens wichtigen Bau des Regenwasser-rückhaltebeckens in Rattwitz, um künftig die Seidau besser zu schützen. Ich hatte noch nie eine ‚eigene Mehrheit‘ im Stadtrat. Trotzdem sind all diese Beschlüsse und noch viel mehr umgesetzt worden. Im Verhältnis zum Stadtrat habe ich nicht immer alles richtig gemacht, aber viel dazugelernt. Mir ist wichtig, dass mein Name für Gesprächsbereitschaft steht.“