Lohnt sich Tanken in Tschechien noch?
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Bereits auf den ersten etwa anderthalb Kilometern landeinwärts sind fünf Tankstellen an der Straße von Sohland nach Rozany zu finden. Die Preise sind meist günstiger als in Deutschland. (Foto: ksl)
Landkreis. Viele deutsche Autofahrer aus der Grenzregion nutzen die Möglichkeit, in den Nachbarländern Polen oder Tschechien zu tanken. Dort sind die verschiedenen Kraftstoffe meist noch immer günstiger als in Deutschland, wo auch zahlreiche Abgaben und Steuern mitbezahlt werden müssen. Zuletzt erhöhte sich zum 1. Januar 2025 erneut die CO2-Abgabe von 45 auf 55 Euro pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxid.
Von Bautzen aus ist es meist der Grenzübergang in Sohland an der Spree, der genutzt wird. Bereits auf den ersten etwa anderthalb Kilometern landeinwärts sind fünf Tankstellen an der Straße in RoÂany zu finden. Zahlreiche Autos mit Kennzeichen aus den Landkreisen Bautzen oder Görlitz sind dort anzutreffen. Doch lohnt es sich noch, zum Tanken über die Grenze zu fahren? Fast wöchentlich müssen Autofahrer mittlerweile auch in Tschechien höhere Preise für Benzin und Diesel zahlen.
Ukraine-Krieg und mehr sorgt für höhere Preise bei Kraftstoff
So kostete ein Liter Diesel zum Beispiel am 11. Februar 2025 knapp 36 Kronen, rund 1,42 Euro. Am meisten wird Natural 95 beziehungsweise E10 verkauft, das derzeit für durchschnittlich 36,50 Kronen, um die 1,45 Euro, angeboten wird. Zum Vergleich: Vor drei Monaten, am 11. November 2024, lag der Preis für Diesel noch bei umgerechnet 1,35 Euro pro Liter und für Benzin bei 1,41 Euro. Die Daten stammen von der Europäischen Kommission, welche jede Woche Donnerstag die Tagesdurchschnittspreise vom vergangenen Montag für Benzin und Diesel in den 27 EU-Staaten veröffentlicht.
Nicht nur der Krieg in der Ukraine und die allgemein unsichere Weltlage sorgen hier dafür, dass die Rohölpreise steigen, sondern auch, dass bei tschechischen Raffinerien seit einiger Zeit kein E5 mehr zu bekommen ist, dem eine geringe Menge Bioethanol beigemischt ist, und dieses aus dem Ausland beschafft werden muss. Zum Teil gibt es – ähnlich wie in Deutschland – hohe regionale Preisunterschiede zwischen den Tankstellen in Tschechien von bis zu 5 Kronen pro Liter, was rund 20 Cent entspricht.
Polnischer Zloty legt gegenüber Euro zu
Für deutsche Autofahrer, die zum Tanken über die Grenze fahren, spielt natürlich auch der aktuelle Wechselkurs eine Rolle. Hat der polnische Zloty zuletzt gegenüber dem Euro deutlich zugelegt, hat die tschechische Krone eher an Wert verloren. Zum Vergleich: Am 11. Februar 2025 bekam man etwas über 25 Kronen für 1 Euro, im November 2024 sind es noch 25,26 Kronen gewesen. Doch beim Tanktourismus gibt es noch mehr zu beachten.
Zu guter Letzt spielt eine Rolle, wie weit man fahren muss, um den günstigeren Kraftstoff zu tanken. „Viele Autofahrer machen sich da eine Milchmädchenrechnung auf“, sagt Falk Forhoff vom ADAC Sachsen. Laut dem Automobilclub spart man bei einem Umweg zur Tankstelle von 20 Kilometern mit einem Mittelklassewagen bei einem Preisunterschied von 15 Cent pro Liter gerade einmal 10 Cent – danach zahlt man sogar drauf. Diese Rechnung beinhaltet nicht nur den Kraftstoffverbrauch des Autos auf dem Hin- und Rückweg zur Tankstelle, sondern auch die Betriebskosten des Fahrzeugs. Fährt man immer zum Tanken nach Tschechien, verschieben sich die Zahlen jedoch.
Kein E5 mehr in Raffinerien in Polen und Tschechien
Ebenfalls entscheidend ist, welchen Kraftstoff das eigene Auto benötigt. Seitdem in Polen und Tschechien Natural 95 auf E10 umgestellt worden ist, müssen Autofahrer, deren Fahrzeuge diesen Kraftstoff nicht vertragen, zum teureren Super Plus greifen. So schwindet der Preisunterschied zum deutschen Super E5 auf einige Cent. „Und das ist nur die halbe Wahrheit“, erläutert Falk Forhoff. Starte man mit kaltem Motor, seien Kraftstoffverbrauch und Verschleiß erst einmal erheblich höher. Hinzu komme der Zeitaufwand, den man durch solche Tankfahrten habe. „Im Grunde sind solche Fahrten aus Sicht des Umweltschutzes nicht zu vertreten“, erklärt er.
Lohnenswert sei das Tanken im Nachbarland nur, wenn man direkt in Grenznähe wohne, also zum Beispiel in Sohland. „Anders ist das natürlich, wenn man ohnehin einen Ausflug nach Tschechien oder Polen macht oder dort zum Einkaufen hinfährt“, sagt Falk Forhoff. Dann werde Tanken zur willkommenen Zusatzersparnis.
Konkrete Zahlen zum Thema Tanktourismus gebe es nicht, erklärt Geschäftsführer Daniel Kaddik vom Bundesverband Freier Tankstellen und unabhängiger deutscher Mineralölhändler.
Corona-Zeit lieferte wichtige Erkenntnisse zu Tanktourismus
Aus der Corona-Zeit, als die Grenzen geschlossen waren, existieren jedoch wertvolle Hinweise: Damals habe es einen deutlich höheren Kraftstoff- und Shopabsatz auf deutscher Seite gegeben. „Vor und nach Corona zieht der Tanktourismus auf tschechischer Seite nicht nur bei günstigerem Kraftstoff, sondern auch im Shop positive Zahlen nach sich“, sagt er. „Tabakprodukte zum Beispiel sind in tschechischen Shops bei deutschen Konsumenten beliebt, da deutlich günstiger als in Deutschland.“
Die Folge sei, dass Tankstellenbetreiber im deutschen Grenzgebiet um ihre Existenz kämpfen müssten. Außer Flottenkartenkunden, die gewerbliche Tankkarten haben und nicht auf jeden Cent achten, tanke kaum jemand bei ihnen – und der Shop werde höchstens für den raschen Brötchenkauf am Sonntag mit entsprechend niedrigen Gewinnmargen genutzt.
Ab 20 Kilometer lohnt sich Tanken in Polen und Tschechien nicht mehr
Den Schaden, der durch Tanktourismus entstehe, könne man nicht konkret benennen, bestätigt Sprecher Herbert W. Rabl vom Tankstellen-Interessenverband. Jedoch kalkulierten Mineralölkonzerne diesen durchaus ein. Grundsätzlich gelte, dass Preisunterschiede bis zu 10 Cent nicht zu kleinem Grenzverkehr führten, außer bei Grenzstädten.
Liege die Differenz dauerhaft bei bis 20 Cent, führe dies bei einem Grenzabstand von 10 Kilometern zu kleinem Grenzverkehr. Bei dauerhaft bis zu 30 Cent Unterschied steigert sich der Radius auf 15 Kilometer und bei 40 Cent und mehr auf 20 Kilometer. „Weiter als 20 Kilometer, um zu tanken, fahren die Menschen nach unserer Erfahrung nicht“, erklärt Herbert W. Rabl.