„Bautzen war der ideale Geburtsort für mich“
Der Druck „Bautzen von Süden“ ist wahrscheinlich auch in der lithographischen Kunstanstalt Gebrüder Weigand gedruckt worden. Foto: BV/ Museum Bautzen
Der Grafiker und Maler Rudolf Warnecke konnte zeit seines Lebens nicht von seiner Geburtsstadt lassen. Foto: BV/ Museum Bautzen
Bautzen. „Als ich am 4. September 1905 um 9 Uhr früh in der tausendjährigen Stadt Bautzen das Licht der Welt erblickte, ertönte gerade die Sirene der lithographischen Kunstanstalt Gebrüder Weigand (…) dort sollte ich meine künstlerische Laufbahn beginnen“. Mit diesen Worten beschreibt Rudolf Warnecke nicht nur seine Geburt, sondern nennt bereits auch einige wesentliche Zeitorte seines Lebens: denn sowohl die „tausendjährige Stadt Bautzen“, also auch die „lithographische Kunstanstalt Gebrüder Weigand“ sollten ihn durch die frühe Prägung, die sie dem werdenden Künstler aufdrückten, sein Leben lang in ihm verhaftet bleiben.
Geboren in Bautzen als Sohn eines Architekten begann er dann, damals nicht unüblich, mit 13 Jahren im Jahre 1918 seine Lehre als Gebrauchsgraphiker in der bereits genannten Kunstanstalt. Neben der Lehre fertigte er schon früh neben den Grafiken auch anatomische und Porträtstudien in einem Skizzenclub an und entwickelte so seine künstlerischen Fähigkeiten beständig weiter.
Neben diesen wuchs offensichtlich auch das Streben nach wirtschaftlicher Freiheit. So berichtet er: „1923 gab ich unter stärksten Protest der gesamten Familie meine feste Anstellung als Gebrauchsgraphiker auf. Damit hatte ich zum letzten Male in meinem Leben eine Lohntüte empfangen. Ohne geregeltes Einkommen, ohne Stipendium oder gar anderweitiger Unterstützung durch den Staat, ging ich meinen Weg weiter. In diesen Worten schwingt nicht nur der Stolz eines unabhängigen Geistes mit, sie lassen auch erahnen, was dieser Schritt für einen 18-jährigen bedeutet haben muss, der, in einer Zeit ohne großartiger Sicherungssysteme, gemeinsam mit seinem Kumpel beschließt, ein eigenes Atelier für Werbegraphik aufzumachen. Dieses entstand gemeinsam mit Karl W. Schmidt in Zittau und konnte sich nach einer anfangs sehr harten Zeit dann doch nach und nach etablieren. Neben dem eigenen Atelier war Warnecke in den kommenden Jahren auch Pressezeichner, studierte in Leipzig und arbeitete für verschiedene Verlage als Illustrator. Auch wenn es immer mehrere Stilrichtungen gab, die ihn zum Tun anregten, war und blieb die Grafik doch sein Steckenpferd.
Diese „Gebrauchsgrafik“ bildete wohl auch immer eine wichtige Quelle für seinen Lebensunterhalt. In einer Zeit ohne Computer musste schließlich jedes Plakat, jede Werbung und jedes Firmenlogo von Hand gezeichnet werden.
Als im Jahr 1931 seine erste künstlerische Publikation unter dem Titel „Der Holzschnitt“ erscheint, beginnt seine Laufbahn als freier Künstler. Es folgen in den dreißiger Jahren zahlreiche Holzschnitt-Folgen, wie etwa „Alt-Bautzen“, „Lob der Arbeit“, Mutterliebe“ und „Totentanz“. Außerdem veröffentlichte er in der „Kunst und Leben“ und bestreitet mehrere Ausstellungen. Im Jahre 1937 hatte er dann auch seine erste eigene Sonderausstellung im grafischen Kabinett des Stadtmuseums Bautzen.
Dieses umtriebige Schaffen künstlerischer Art fand sein vorläufiges Ende im Jahre 1941. Aufgrund der Weigerung Warneckes, in die NSDAP und die Reichskulturkammer einzutreten, folgt die Kündigung seiner Position als Ausstellungsleiter im Stadtmuseum Bautzen und die Einberufung zum Kriegsdienst. Nachdem er 1945 aus der Kriegsgefangenschaft im Lager Neu-Ulm entlassen wird, folgt eine Serie von Porträts hochstehender Personen, wie dem Apostolischen Nuntius Aloysius Kardinal Muench oder dem Marschall des internationalen Militärtribunals, Robert H. Jackson.
Im Gegensatz zu seinem Geschäftspartner Karl Schmidt kehrt Rudolf Warnecke mit dem Kriegsende nicht in seine Heimat zurück, sondern richtet sich zuerst in Dinkelsbühl, später in Merchingen häuslich ein. Sein Leben in der Bundesrepublik geht mehr oder weniger dort weiter, wo es vor dem Krieg aufgehört hat: er zeichnet, druckt, illustriert, stellt aus und erhält mehrere Preise für seine Werke. 1980 erfolgt dann die Herausgabe seines Werkbuches „Mit Geißfuß und Stichel durch ein Künstlerleben — 100 Holzschnitte aus 6 Jahrzehnten“. Die folgenden Jahren widmet er vermehrt dem Reisen aber auch zahlreichen Ausstellungen.
Nach der Wende kann er den Kontakt zu seiner Heimatstadt wieder körperlich pflegen. So erscheint direkt 1991 im Lusatia-Verlag der Band „Alt-Bautzen/Budysin“ mit 20 großformatigen Ölgemälden der tausendjährigen Stadt und das „Budissin’sche Mosaik“ mit 50 Illustrationen zur Geschichte von Bautzen, ihren Sagen und Originalen. Allein daran erkennt man, wie wenig er seine Heimat trotz der langen Abwesenheit vergessen hat. Mit der Neuauflage der Folge „Alt-Bautzen“ mit 20 Holzschnitten der mittelalterlichen Stadt beschließt er im Großen sein Lebenswerk. Er stirbt am 12. Oktober 1994 in Merchingen.
In Bautzen konnte man im Jahre 1998 unter dem Titel „Hommage a Rudolf Warnecke“ im Rahmen einer Sonderausstellung des Stadtmuseums eine Auswahl seiner Werke betrachten. Bis heute beherbergt das Bautzener Museum eine Sammlung mit Werken des Sohnes der Stadt. Sein grafisches Werk ist für heutige Betrachter vielleicht manchmal etwas rau oder eindimensional. Aber in der Reduktion, die sicher auch im Wesen der Grafik als solche liegt, werden zeitunabhängige Wahrheiten und Gewissheiten sichtbar. Geht es doch um die großen Dinge im Konkreten. Das Werk Warneckes beinhaltet wohl manche Verklärung einer ideal erfassten Vergangenheit. Aber gerade in diesem Rückgriff bleibt eine im Realen begründete Hoffnung auf positive Veränderung ja oft greifbar. Rudolf Warnecke kam zum Ende seines Lebens oft ganz konkret „zurück“ nach Bautzen, angetrieben von einer tiefen Liebe zur Heimat. Dies veranlasste seinerzeit den Oberbürgermeister Christian Schramm zu der Aussage: „Rudolf Warnecke, der Bautzener, liebte diese Stadt mit einer uns manchmal fast beschämenden Inbrunst“. Wer sein Werk betrachtet, kann die Trefflichkeit dieser Aussage erahnen.