Boxer motivieren sich mit Workout-Videos
Stefan Brussig, Chef des Boxclubs Dreiländereck, möchte als Trainer wieder erfolgreiche Sportler entwickeln. Foto: privat
Die Faustkämpfer des Boxclubs Dreiländereck sehnen sich wieder nach dem Trainings- und Wettkampfbetrieb. Foto: privat
Zittau. Die Faustkämpferinnen und Faustkämpfer motivieren sich dabei in der „verordneten Zwangspause“ auf ihre ganz eigene Art und Weise.„Anfänglich haben wir Outdoor weiter trainiert“, berichtet Stefan Brussig, Abteilungsleiter des Boxclubs Dreiländereck bei der HSG Turbine Zittau e.V. Das sei für eine Kampfsportart mit gewissen notwendigen technischen Trainingsmöglichkeiten aber nicht optimal. Schulprüfungen und Sommerferien hätten dann verhindert, „dass wir endlich wieder in unserer neuen Trainingshalle in der Parkschule trainieren konnten. Nach Gesprächen mit der Stadtverwaltung haben wir aber erreicht, wenigstens einmal wöchentlich die Turnhalle in der Kantstraße zu nutzen.“ Mit Schuljahresbeginn habe es dann wieder nach Trainingsnormalität ausgesehen – allerdings nur kurz, denn die Einschränkungen seien bekanntermaßen im Herbst verschärft worden. „Mit Einzeltraining und strengem Hygienekonzept haben wir uns bis in den Dezember hinein gekämpft, bis dann gar kein Trainingsbetrieb mehr erlaubt war“, erzählt er.
Für die Faustkämpfer und die Verantwortlichen bedeutet diese lange Trainings- und Wettkampfpause natürlich eine Umstellung. „Meine Familie freut sich, denn wir verbringen mehr Zeit miteinander“, sagt Stefan Brussig. Allerdings: Je länger die Einschränkungen dauern, umso frustrierender stellt sich die Situation für alle Protagonisten des Boxclubs Dreiländereck dar.
Die Folgen des Bewegungsmangels, der Isolation und die starken Einschränkungen der Kontakte sind seiner Meinung nach jetzt in ihrer Tragweite noch gar nicht umfassend abzusehen. Für die leistungsorientierten Sportler seien es verlorene Monate. Die eh schon bestehenden Unterschiede in der sportlichen Leistungsfähigkeit zwischen normalen Vereins- und Kadersportlern an den Stützpunkten würden damit noch größer.
Der Boxclub Dreiländereck setzt sich auch seit Jahren stark für die Integration ein – nicht nur von ausländischen Mitbürgern, sondern auch von sozial schwachen und benachteiligten Kindern. „Bei uns lernen die Kinder und Jugendlichen Respekt, Fairness und einen toleranten Umgang miteinander. Unsere Einflussmöglichkeiten dahingehend beschränken sich zum größten Teil aber eben nur auf die Trainingszeiten. Diese Möglichkeit haben wir seit Monaten nicht mehr“, betont er.
Die Verantwortlichen, Trainer und Sportler versuchen, um sich in dieser Zeit bei Laune zu halten, in erster Linie in Kontakt zu bleiben. Über WhatsApp gibt es da immer mal ein kleines Workout-Video als Motivation. Mit verschiedenen Übungen, wie zum Beispiel Kniebeugen, Liegestützen oder Joga nach professioneller Anleitung, vorgetragen von ganz attraktiven Menschen.
In der Vorweihnachtszeit hatte der Boxclub Dreiländereck auf seiner Homepage auch einen Adventskalender eingerichtet. Hinter jedem Türchen befanden sich sportliche Aufgaben, Geschichten aus 20 Jahren Boxclub Dreiländereck oder Gewinnspiele. „Vor kurzem ist auch unsere sechswöchige Laufchallenge zu Gunsten des Zittauer Tierparks zu Ende gegangen“, sagt er. Der Boxclub Dreiländereck wollte in diesem Zuge seinen Mitgliedern eigentlich auch einen Teil ihrer Beiträge erlassen – aber die lehnten dankend ab. Stattdessen entstand die Idee, einen Teil davon für einen guten Zweck zu verwenden und den Zittauer Tierpark mit einer Tierpatenschaft zu unterstützen. Welches Tier es dann werden sollte, wurde kurzerhand durch diese sechswöchige „Corona-Lauf-Challenge“ entschieden. 2.219 Kilometer standen am letzten Challengetag zu Buche – und somit hatten sich die Mitglieder sportlich entschieden, eine einjährige Tierpatenschaft für einen Pinguin im Tierpark Zittau zu übernehmen. Für die fleißigsten Kilometersammler spendierte der Boxclub Dreiländereck Einkaufsgutscheine für Zittauer Geschäfte in der Innenstadt, denn schließlich muss Zittau seiner Auffassung nach zusammenhalten: „Das ist unser kleiner Beitrag dazu.“
Die Faustkämpferinnen und Faustkämpfer sehnen sich jedenfalls nach regelmäßigem Training. „Mich hat zum Beispiel vor wenigen Tagen ein Sportler angeschrieben, ob er nicht ein Einzeltraining bekommen kann. In den Gesprächen und Nachrichten merken wir, dass alle gerade das Training in der Gruppe vermissen.“ Um sich fit zu halten, sei viel Eigeninitiative gefragt – wie zum Beispiel Home Workouts, Joggen und jetzt wieder vermehrt Mountainbiken. Einige können zu Hause auch am eigenen Boxsack trainieren. Mit dem ein oder anderem Kilogramm mehr auf den Rippen haben aber nicht nur die Sportler zu kämpfen, sondern auch der Trainer.
Stefan Brussig stören an der „verordneten Zwangspause“ mittlerweile die fehlenden realistischen Perspektiven für den Sport, aber auch für die Gastronomie oder den Einzelhandel. Viele Entscheidungen sind für ihn nicht mehr nachvollziehbar: „Mit den gegenwärtigen starren Maßnahmen verhindern und unterdrücken wir die Kreativität, den Erfindergeist und die Motivation der Menschen. Aber genau das ist es doch, was wir brauchen, um dieses Virus zu besiegen. Viele Verantwortliche in Sport, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik haben gute Ideen und Ansätze – und genau diese gilt es doch zu fördern.“ In diesem ganzen, teilweise sehr emotional geführten Diskurs wünscht sich Stefan Brussig vor allem genau das, „was wir unseren Kindern und Jugendlichen unter anderem vermitteln wollen – mehr Respekt, Fairness und Toleranz im Umgang miteinander.“
Für einen Neustart arbeitet der Boxclub Dreiländereck gerade intensiv daran, um möglichst bald wieder mit dem Training beginnen zu können. Um wieder in den Ring zu steigen, müssen die Sportler aber erst den Trainingsrückstand aufholen, um danach über ein paar Trainingswettkämpfe langsam in Wettkampfform zu kommen. Vielleicht ertönt im Spätherbst erstmals wieder ein Wettkampfgong, hofft er.
Als Chef des Boxclubs Dreiländereck wünscht sich Stefan Brussig, „dass wir zum einen 2022 unser internationales Boxturnier fortführen und dass wir endlich unser 20-jähriges Bestehen gebührend feiern können. Zum anderen möchte ich die Aufgaben in der Leitung auf mehrere Schultern verteilen. Vielleicht finden sich noch ein paar ,Verrückte’ mehr, die Verantwortung übernehmen.“