Brasilianer mildern den Fachkräftemangel in Pulsnitz
Lara Teresa Sekett Santos Simao arbeitet in der Vamed-Schlossklinik und hat sich gut in Pulsnitz eingelebt.
Die Pulsnitzer Schlossklinik setzt bei der Sicherung ihres Personalbedarfs auf das größte Land Lateinamerikas. Welche Herausforderungen das mit sich bringt, und wie andere davon profitieren könnten.
Pulsnitz. Dass Brasilianer lange Namen haben, weiß man spätestens seit Edson Arantes do Nascimento. Mit ihm kann Lara Teresa Sekett Santos Simao allemal mithalten. Allerdings kannte man Erstgenannten fast nur unter seinem Rufnamen „Pele.“ Bei Lara genügt der Vorname. Allerdings ist sie auch kein Fußballstar wie ihr berühmter Landsmann, sondern eine Krankenpflegerin an der Vamed-Schlossklinik in Pulsnitz.
Wer glaubt, dass Lara hier eine Exotin ist, der irrt. Denn derzeit arbeiten 20 brasilianische Pflegefachkräfte an der Einrichtung, die sich auf die neurologisch-neurochirurgische Rehabilitation spezialisiert hat. Und es sollen noch einige dazukommen: Derzeit bereiten sich noch einmal so viele Brasilianerinnen und Brasilianer in ihrer Heimat darauf vor, in Pulsnitz zu arbeiten. „Sie nutzen die Zeit, die wir für die Formalitäten benötigen, um sich deutsche Sprachkenntnisse anzueignen“, erklärt Carsten Tietze. Er ist Geschäftsführer der Pulsnitzer Vamed-Kliniken, zu denen neben der Schloss- auch die Schwedensteinklinik gehört. Ein gewisses Sprachniveau – bezeichnet als „B 1“ – ist erforderlich, um das benötigte Visum zu erhalten.
Fachlich hingegen macht den Lateinamerikanerinnen keiner etwas vor: In Brasilien ist die Pflegeausbildung in Form eines Hochschulstudiums organisiert. „Natürlich bedarf es gewisser Anpassungen. Denn hier in Deutschland gehören auch Tätigkeiten zum Berufsbild, die in Brasilien von anderen Beschäftigten erledigt werden“, weiß Carsten Tietze. Deshalb ist – neben noch weiter vertieften Sprachkenntnissen – eine „Anerkennungs-Weiterbildung“ erforderlich. Bisher haben zehn brasilianische Fachkräfte diese absolviert und gelten jetzt als „anerkannte Pflegefachkräfte“, zehn weitere bereiten sich auf die Prüfung vor.
Von den Erfahrungen der Pulsnitzer Vamed-Kliniken mit der Anwerbung von Fachkräften in Brasilien profitieren mittlerweile auch andere Unternehmen:
Bei Carsten Tietzes letztem Besuch waren auch Vertreter des Lausitzer Seenland Klinikums Hoyerswerda und des Dresdner Herzzentrums, die beide zur SANA-Gruppe gehören, mit dabei. „Wir sind gern der Vorreiter, denn um den Fachkräftebedarf im Pflegebereich sicherzustellen, brauchen wir Zuwanderung“, unterstreicht der Vamed-Geschäftsführer. Das Unternehmen beschäftigt Arbeitnehmer aus insgesamt 15 Ländern.
Bürokratische Hemmnisse
Dass gerade brasilianische Pflegerinnen und Pfleger an der Pulsnitzer Schlossklinik mittlerweile zum gewohnten Bild gehören, ist freilich kein Zufall. „Wir haben bereits frühzeitig nach Wegen gesucht, dem drohenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken“, erklärt Carsten Tietze.
2015 versuchte man es in Vietnam, was sich aber aufgrund bürokratischer und sprachlicher Hemmnisse als wenig erfolgreich erwies. „Mit Blick auf Brasilien sind die entsprechenden Hürden viel niedriger“, versichert der Geschäftsführer. Und so will er auch künftig auf das lateinamerikanische Land setzen, wenn es darum geht, Fachkräfte für seine Kliniken zu gewinnen: „Wir haben jetzt die entsprechenden Netzwerke und wissen, worauf es ankommt.“ Brasilien ist auch kein Land, das unter einem Mangel an junger Bevölkerung leidet – das ist Carsten Tietze ebenfalls wichtig.
Mit Paula Jacob beschäftigen die Pulsnitzer Vamed-Kliniken eine Mitarbeiterin, die sich hauptsächlich um die Integration kümmert. Und das ist auch nötig: „Man muss sich das vorstellen: Die jungen Männer und Frauen packen ihr ganzes Leben in einen maximal 20 Kilo schweren Koffer und fliegen 10.000 Kilometer, um in einem für sie völlig fremden Land anzukommen, wo sie niemanden kennen“, erklärt sie.
Ein Leben in 20 Kilo
Und bislang zumeist im Spätherbst, bei Temperaturen, die sie nur vom Hörensagen kennen. Die intensive Betreuung hat aber auch noch einen anderen Hintergrund: „Unsere ausländischen Mitarbeiter müssen sich hier wohlfühlen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass sie uns wieder verlassen und woanders arbeiten.“
Die kleinstädtisch-familiäre Atmosphäre in Pulsnitz scheint dieses Anliegen zu fördern. Zumindest Lara fühlt sich hier „sehr wohl“, wie sie mit einem strahlenden Lächeln sagt. „Meine Kollegen auf der Station haben mich wie eine Familie aufgenommen, ich habe hier eine ’Mama’ und einen ’Papa’“, freut sie sich. In ihrer Freizeit unternimmt sie gern mit ihrem Freund – auch ein Brasilianer – Fahrradtouren, und so oft es geht besucht die gläubige Katholikin die Kirche.
Sonntags ist es schwer
Auf die Frage, ob sie auch manchmal Heimweh hat, antwortet Lara in schönstem westlausitzer Sächsisch: „Nu klar!“ Und erzählt: „Besonders Sonntags ist es für mich schwer, denn da habe ich immer meine Oma besucht.“ Doch generell überwiegen die positiven Gefühle: „Hier habe ich Sicherheit“, sagt Lara – ein Aspekt, der laut Paula Jacob für die Brasilianer ganz oben steht.
Nach einer gewissen Zeit dürfen auch die Familien nach Deutschland kommen – eine Aussicht, die bei vielen das Heimweh etwas mildert. So gibt es in Pulsnitz nun auch schon brasilianische Kinder, für die „natürlich Fußball das Allerwichtigste ist.“ Wer weiß: Vielleicht kommt der nächste Pele ja aus Pulsnitz?