„Brauchen wir diese Straße wirklich noch?“
Robert Matschie zeigt es: In der Richtung, wo seine Hand hinweist, sollen die Brückenpfeiler stehen. Die rot markierten Bäume müssen dafür weichen. Foto: Uwe Menschner
Anne Pawolski, Robert Matschie und Jana Laube (v.l.) sind sich einig: Sie werden für den Erhalt des Spreetals bei Grubschütz kämpfen. Foto: Uwe Menschner
Südlich von Bautzen soll die S 106 über das Spreetal hinweg bis zur B 96 verlängert werden. Warum sie dies für überflüssig hält, hat eine Bürgerinitiative jetzt klargemacht.
Grubschütz. Man sagt, Geschichte wiederholt sich nicht. Oder doch? Vor 15 Jahren zogen Bürger mit Plakaten und Planzeichnungen an der Spree entlang, um gegen den Bau einer neuen Straße zu protestieren. Dies geschah im Südwesten von Bautzen, die Straße, die damals solch heftige Reaktionen auslöste – die Westtangente – ist längst gebaut.
Am vergangenen Sonnabend spielt sich wieder an der Spree, nur etwa zwei Kilometer flussaufwärts, ähnliches ab. Am Spreeradweg sind Tische und Bänke aufgebaut, eine Kaffeekanne geht von Hand zu Hand, ein Tablett mit Kuchen findet regen Anklang. An den Tischen sitzen Menschen, die angeregt miteinander diskutieren. Sie alle eint ein Ziel: Das Spreetal südlich von Bautzen vor einem weiteren Straßenbau zu bewahren. Einem Bau, der in Sachen Natureingriffe den der Westtangente wahrscheinlich noch erheblich übertreffen würde. „Das alles hier gibt es nicht mehr, wenn die Südumfahrung gebaut wird“, sagt Robert Matschie. Der Grubschützer zählt zu den Initiatoren des Aktionstages, der gleichzeitig unten an der Spree und oben am Friedhofsweg stattfindet. Dabei zeigt er auf die großen Eichen, die den Fernradweg und das Flussufer säumen. Auf das Dickicht am Steilhang und direkt am Ufer, das Lebensraum für seltene Fledermäuse und Eidechsen bietet. Arten, bei deren Auftauchen ein Häuslebauer jeden Stein auf dem Dachboden oder im künftigen Vorgarten umdrehen muss. In der Spree lebt das ebenfalls äußerst seltene Neunauge – ein Beleg für die ökologische Bedeutung des Flusses und seiner Aue. Unter der künftigen Brücke verschwinden würde der markante, gern zum Klettern genutzte Felsen.
„Dies alles soll geopfert werden für eine Straße, deren Sinn sich uns nicht erschließt“, führt Robert Matschie weiter aus. Denn schließlich gebe es ja nun die Westtangente, die den Verkehr aus dem Oberland um das Bautzener Stadtzentrum herum zur Autobahn oder in Richtung Bischofswerda/Kamenz leitet.
Robert Matschie kennt die Argumentation mit dem geplanten Logistikzentrum im Süden von Bautzen, das im Zuge des Strukturwandels errichtet werden soll. Doch auch diese überzeugt ihn in keiner Weise.
Robert Matschie und seine Mitstreiter haben keine Mühen gescheut, um die Auswirkungen der geplanten Südumfahrung, die das Spreetal auf einer 220 Meter langen Brücke überqueren soll, zu veranschaulichen. An- und abschwellendes Motorengejaul kommt an diesem Nachmittag noch aus einem Lautsprecher. Mit dem Bau der Straße wird es die ständige Geräuschkulisse im Spreetal bilden. Szenenwechsel: 20 Meter höher führt der Friedhofsweg von der Techritzer Straße an einem Gartengrundstück vorbei. Zwischen Obstbäumen hängt zwischen zwei neun Meter hohen Masten ein Transparent mit der Aufschrift „Natur schützen“ und dem durchgestrichenen Schriftzug S 106 – so würde die neue Straße heißen. „Hier soll quer durch den Garten ein sechs Meter hoher Damm aufgeschüttet werden. Die Oberkante der Lkws würde die Höhe der Masten erreichen“, erklärt Robert Matschie. Zu ihm haben sich Anna Pawolski und Jana Laube gesellt, ebenfalls Mitstreiterinnen in der Bürgerinitiative gegen den Bau der neuen S 106. „Wir wohnen in der ersten Reihe an der geplanten Trasse“, so Jana Laube.
„Und wir direkt dahinter“, fügt Anna Pawolski hinzu. „Doch wir sehen uns gleichermaßen betroffen und halten als Dorfgemeinschaft zusammen.“ „Natürlich geht es auch um persönliche Betroffenheit“, sagt Robert Matschie. Die Lärmbelastung, das zerstörte kleine Paradies in unmittelbarer Nähe, das „Abschneiden“ der Ortschaft Grubschütz vom Rest der Gemeinde Doberschau-Gaußig – all dies kommt für die unmittelbaren Anwohner zusammen. Deshalb kämpfen sie dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Noch ist Zeit, denn das Vorhaben befindet sich in einem relativ frühen Planungsstadium. „Und wir werden unsere Belange vertreten“, machen Robert Matschie, Anne Pawolski und Jana Laube unmissverständlich klar.â