Braucht Görlitz bei Straßenlaternen Erleuchtung?
Fritz Halbritter attestiert der Joachmannstraße gute Umsetzung, von der Planung her sei sie aber ein „strukturloses Teerband“ mit „Lampen im Galgendesign“. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Hat die Stadt die Fantasie bei der Bewahrung kulturgeschichtlicher Facetten aus dem Auge verloren? Lehrer Fritz Halbritter beklagt genau das am Beispiel der am 2. Dezember für den Verkehr freigegebenen Jochmannstraße, die parallel zum Lutherplatz verläuft.
Görlitz. Fritz Halbritter öffnet eine Aktenmappe und zeigt das Foto einer historisch anmutenden Straßenlaterne, die zu ihrer Spitze das Metallrelief eines Einradfahrers krönt und sich in das Umfeld der historischen Bebauung harmonisch einfügt. Der Niederbayer war in der Heimat als Biobauer tätig und hatte eine eigene Metallbaufirma. Wegen des hohen Niveaus von Fachkräften zog es ihn später erst ins Erzgebirge und dann in die Oberlausitz. Er arbeitete in Sozialprojekten mit Flüchtlingen aus Bosnien und der Herzgeowina und erlebte, dass in der Dresdner Neustadt seine ohnehin kostengünstigen, von Schülern geschaffenen Laternen, finanziert durch Stiftungsgelder, das Stadtbild zieren durften.
Halbritter ist Lehrer an der Freien evangelischen Oberschule, altersbedingt mittler-weile nicht mehr Klassenlehrer, aber mit seinem praktischen Unterricht und wegen der kritischen Reflexion seiner Umwelt unter Schülern hochbeliebt, bestätigen Kollegen. Er praktiziert das Gegenteil einer schnöden Abarbeitung von Lehrplänen und sucht Parallelen in der heutigen Welt. In der Innenstadt wandelt er mit seinen Schülern auf den Spuren der Via Regia, erläutert, dass einst zum Beispiel am Gasthaus am Demianiplatz bis zu 60 Pferde „geparkt“ werden konnten. Heute könne man nicht einmal Schilder zum Verlauf der Handelsstraße in der Altstadt finden und die Stadt habe faktisch Pferdefuhrwerke aus dem Antlitz der Innenstadt durch ihre Vorgaben verbannt. „Im Fernsehen darf man sich noch Pferde anschauen, aber ihre kulturgeschichtliche Bedeutung für Görlitz und die Via Regia kann man heute nicht mehr erfassen“, beklagt er. „Und wenn es nur einen Umzug für Pferdewagen zur Erinnerung an die Via Regia gäbe“, fügt er an. Vor dem Hintergrund des Aufrufes zur Bürgerbeteiligung vom Frühjahr habe er am 17. November neuerlich der Stadt schriftlich erläutert, dass die Aussage, historische Laternen würden modernen Anforderungen nicht genügen, nichtssagend und zudem falsch sei.
Auf einer Länge von 226 Metern haben Bauarbeiter in der Jochmannstraße handwerklich vom 4. April bis 1. Dezember gute Arbeit abgeliefert – dies zudem im Zeitplan. Im Tiefbau wurde im Auftrag der Stadtwerke AG Regen-, Trink- und Abwasserleitungen erneuert, Nieder- und Mittelspannungskabel sowie Speedpipes verlegt, die Stadt zeichnet für sämtliche Straßenbaumaßnahmen verantwortlich einschließlich des Parkraums. Summa summarum wurden 630.000 Euro aufgewendet, von denen die Stadt – wie bei der Straßenfreigabe zu hören war – ein Drittel als Eigenanteil übernimmt. Fritz Halbritter fehlt jedoch eine echte Gliederung des Straßenraumes, bepflanzte Vorstreckungen zwischen Parkbuchten. „Leider höre ich zum Thema Planungsqualität aus der Verwaltung stets nur Allgemeines und Unverbindliches. Gern verweist die Stadt auf Beschlüsse des Stadtrats. Dieser muss aber auch richtig informiert werden“, sagt Fritz Halbritter nachdrücklich.
Er habe etwa die Verwendung von Gaslaternen nie gefordert und nur darauf hingewiesen, dass es solche in Dresden gibt und dass man analog in Görlitz die „Görlitzer Altstadtlaterne“ – ein Produkt der Stadt – für historisch wichtige Bereiche verwenden könne. Im übrigen gebe es auch Reduzierschaltungen für die Nacht, „dies nur als Hinweis für die Stadtwerke, die so krampfhaft nach Möglichkeiten des Energiesparens suchen“, meint er.
Nach Hochwertigkeit in Straßenzügen in der Alt- und der Südstadt, leide Teile der Innenstadt vielmehr an Fantasielosigkeit. Den Vogel würden dabei die Lampen im Galgendesign abschießen, die nun mit ihrer viel zu hoch platzierten LED-Beleuchtung Anwohnern den Schlaf rauben. Dabei hieß es bei der Einweihung in Gegenwart des Maskottchen-Maulwurfs „Mauli“ mit den Kleinen vom Kinderhaus Bethanien doch noch, dass Mauli keinen Grund zum maulen haben dürfte.