Buch, wo kommst du her? Eine Ausstellung verrät es
Forschungsgrundlage für Dr. Katarzyna Zinnow ist der historische Zettelkatalog der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften ab 1860. Foto: Görlitzer Sammlungen
Görlitz. Erstmalig widmet die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften (OLB) der Provenienzforschung (lat. provenire „herkommen“) eine Sonderausstellung. Am 28. August, 17.00 Uhr, wird die Schau „Bücher. Eine Frage der Herkunft“ in der Schatzkammer des Barockhauses, Neißstraße 30, bei freiem Eintritt eröffnet. Tausende Besitzmarkierungen finden sich in und auf Büchern und Manuskripten der OLB, deren Bestände bis in das 12. Jahrhundert zurückreichen. Diese handschriftlichen Einträge, Exlibris oder Stempel erzählen oftmals Geschichten über das Buch und seine Besitzer. Bei den mit teils kriminalistischem Gespür geführten Recherchen entfaltete sich vielfach ein interessantes Panorama der Zeit- und Personengeschichte. Eine repräsentative Auswahl dieser Spurensuche zeigt diese Schatzkammerausstellung bis zum 28. Februar 2025. „Ausgangspunkt für diese Ausstellung war ein Forschungsprojekt in unserem Haus, das sich mit NS-Raubgut befasst hat“, berichtet Steffen Menzel, Leiter der OLB und Ausstellungskurator. „Der Fund einer Akte in unserer Bibliothek zum Büchertausch mit der ehemaligen Reichstauschstelle Berlin legte den Verdacht nahe, dass unter den Zugängen der Jahre 1933 bis 1945 Erwerbungen aus konfisziertem Besitz verborgen sein könnten.“ Da auch nach Kriegsende verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, wie es in der Fachsprache heißt, im Rahmen des Tausches mit anderen wissenschaftlichen Bibliotheken nach Görlitz gelangte, wurden auch weiterführend Zugänge bis 1950 erforscht. Das Forschungsprojekt, das im Juni 2023 begann, findet nun Ende August seinen Abschluss. „Wir haben die Erwerbswege der etwa 6.600 Zugängen der Jahre 1933-45 und rund 900 der Jahre 1945-50 geprüft und Neuerscheinungen sowie Tauschexemplare von Akademien von Verdachtsmomenten ausgeschlossen“, berichtet Kunsthistorikerin und Forschungsprojektmitarbeiterin Katarzyna Zinnow. „So konnte die Zahl der genauer zu untersuchenden Exemplare auf 1.000 eingeschränkt werden. Bei 14 Fällen hat sich der Verdacht auf NS- Raubgut durch Indizien sicher bestätigt. Bei weiteren Verdachtsfällen reichen die aufgefundenen Merkmale nicht zu einer sicheren Einstufung als Raubgut aus.“ Unter den bestätigten Fällen befinden sich unter anderem Bände aus dem ehemaligen Besitz der Görlitzer Freimaurerloge „Zur gekrönten Schlange“ und dem Boberhaus-Verein in Löwenberg (Lwowek), einer 1937 zwangsaufgelösten Jugendbildungsstätte, in der sich wichtige Akteure des Kreisauer Kreises, wie Helmut James von Moltke, Peter Graf Yorck von Wartenburg und Adolf Reichwein, kennengelernt haben.