Bücherhäusel mit festem Fundament

Zwei Mädels aus dem Dorf inmitten den Pfarrerehepaares durften zur Einweihung die Schleife öffnen. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Jänkendorf. Die Lesegewohnheiten in der elektronischen Zeit wandeln sich, doch „so ein schönes Buch aus Papier ist da schon etwas anderes. Das Rascheln der Blätter oder der Geruch“, machen nach Ansicht von Pfarrer Andreas-Helmut Spengler im Pfarrsprengel Waldhufen-Vierkirchen ein Buch eben auch zu einem haptischen, olfaktorischen oder selbst zu einem akustischen Erlebnis.
Mit dieser Liebe zum aus der Mode gekommenen Kulturgut Buch hat sich Spengler von einer Kirchengemeinde in Bayern inspirieren lassen, die ein „Bücherhäusel“ direkt vor ihre Kirche gestellt hat. Das Prinzip ist einfach und passt in die gesamte Nachhaltigkeitsdebatte. Ein ausgelesenes Buch landet nicht im Müll oder aufgabenlos in einem überquellenden Regal, sondern man bietet es einfach der Öffentlichkeit an. Ein anderer erstöbert es dann im Bücherhäusel und trägt nach Möglichkeit auch etwas zum Austausch bei. Und damit niemanden das schlechte Gewissen packen muss, kann man auch gerne für die Sache ein paar Groschen in eine Sammelbox werfen, wenn man sich von eigenen Büchern noch nicht trennen will.
Wenn jedoch ein Pfarrer die Sache in die Hand nimmt ist natürlich auch ein prüfender Blick Garantie für eine runde Philosophie. „Horrorgeschichten oder gar Satanismus sind ebenso wie radikale politische Bücher nicht geeignet“. Insofern kann man in Jänkendorf Bücher auch gerne gleich hinter der umfunktionierten Telefonzelle im Pfarrhaus abgeben, wenn man sie nicht direkt im Regal platziert. Und seinem Amt entsprechend fügt Pfarrer Spengler bei der Einweihung der neuen Jänkendorfer Attraktion genau zwischen dem Pfarrhaus und der Kirche nach dem Sonntagsgottesdienst vergangenes Wochenende noch eine Bibel ins Buchregal ein.
Ausrangierte Telefonzellen sind übrigens äußerst begehrt und die Anschaffung gar keine billige Angelegenheit. „Das wird sich aber über die Jahre amortisieren – vielleicht nicht im reinen Sinne des Geldes, aber ideell, denn über ein Buch kommt man bestens ins Gespräch und erweitert die Horizonte“, so Andreas-Helmut Spengler. „Ich bin selbst ein Freund von dicken Romanen und von Kurzgeschichten, die meinen Dienst als Pfarrer unterstützen“, bekennt der Pfarrer, der sich auch über auswärtige Nutzer freut. Schließlich sei Jänkendorf/Ullersdorf ja nicht so groß und liege nicht am Durchgangsverkehr. „Aber zu uns kommen so viele Erholungssuchende mit dem Fahrrad, die können gerne mit beladenem Gepäckträger unterwegs sein“, schmunzelt er.
Öffentliche Bücherregale wurde Anfang der 90er Jahre erstmals in Graz, Hannover, Mainz und Darmstadt aufgestellt, doch der Trend hat längst nicht mehr nur die großen Städte im Griff. So besteht z.B. auch im 12 Kilometer entfernten Petershain, wo der Verkehr sich quasi in einer Sackgasse bis zum Ort befindet, ebenso ein öffentliches Bücherregal in Form einer ausrangierten Telefonzelle.
In Jänkendorf ist deren Aufstellung auch eine familiäre Gemeinschaftsleistung. „Ich habe den Beton angemischt und meine Frau hat das Fundament angelegt“, womit Spengler bekennt, wo im Pfarrhaus die praktische Expertise zu finden ist. Wie immer unterstützt von Roland Kliemt – dem guten Geist für alle Gelegenheiten in und um die Kirche. Zudem hat Restaurator und Bruder Johannes Spengler aus Halle die optische Gestaltung vorgenommen. Für zwei echte Kraftakte sorgte Roland Jäkel von der Firma Lift-Manager, der mit seinem Equipment für die Abholung und Aufstellung gesorgt hat.
Kommentare zum Artikel "Bücherhäusel mit festem Fundament"
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Eine wunderbare Idee. Habe bereits im August das Bücherhäusel im Vorbeifahren gesehen und mich jetzt gefreut, einen Beitrag darüber zu finden. Ich komme bald mal vorbei zum Büchertausch.