Christdemokraten wollen Brücke stoppen

Im Mai stellte sich Manuel Bäumler von der TU Dresden (3.v.l.) den Fragen der Besucher eines Gesprächsforums. Er und seine Studenten hatten einen ersten Brückenentwurf erarbeitet. Foto: E. Riechmann
Weihnachtsfrieden in Bautzen? Zumindest im Stadtrat ist davon momentan nicht viel zu spüren. Dort ist ein Streit über den Umgang mit dem seit Jahren im Gespräch befindlichen Brückenprojekt entbrannt. Ausgelöst wurde dieser mutmaßlich von Mitgliedern der Stadt-CDU. Böse Zungen vermuten, dass sich dahinter ein verkapptes Wahlkampfmanöver verbergen könnte. Bekanntlich möchte sich Oberbürgermeister Ahrens (SPD) die Realisierung der Baumaßnahme gern auf seine Fahnen schreiben. Hingegen bissen die Christdemokraten beim Stadtoberhaupt mit ihrer Forderung nach einem dreijährigen Krone-Probebetrieb bislang auf Granit.
Nun droht, wie sich den Aussagen mehrerer Brückenbefürworter entnehmen lässt, ein Riss quer durchs Stadtparlament. Für Bautzens weitere Entwicklung kann das nicht förderlich sein. in weiser und vorausschauender Politiker würde genau aus diesem Grunde zum Gespräch am Runden Tisch bitten – und zwar, wie „Mauereinreißer“ Günter Schabowski schon sagte – unverzüglich. Diese Stadt braucht einmal mehr einen Kompromiss, um nicht am Ende als Verlierer gegenüber dem Umland dazustehen. Dorthin wandern noch immer nicht wenige Spreestädter ab, Bautzens Einwohnerzahl sinkt stetig. Dabei liegt doch klar auf der Hand: Ein Großteil der Bürger will die Krone zurück. Bereits am Denkmaltag im Jahr 2018 kamen 1.050 interessierte Besucher, um sich ein Bild vom Innenleben des seit Monaten geschlossenen Veranstaltungshauses zu machen. In diesem Herbst konnte die Zahl dann nochmals übertroffen werden. Vor Ort soll wieder in unterschiedlichster Form Leben einkehren, so der Wunsch. Eine noch zu gründende Stadtentwicklungsgesellschaft kann sich, wie wir von mehreren Seiten übereinstimmend erfahren haben, laut dem Gutachten eines renommierten Wirtschaftsprüfungsunternehmens darum kümmern. Im gleichen Atemzug muss den Brückenfans entgegengekommen werden. Auch sie führen Gutes im Schilde, indem sie sagen, dass die Altstadt damit in vielerlei Hinsicht eine Aufwertung erfährt, was wiederum ganz Bautzen zugutekommen dürfte. Schließen Sie einfach mal die Augen und verinnerlichen Sie sich folgendes Bild: Sie parken Ihren Wagen völlig stressfrei auf dem ausgebauten Schliebenparkplatz und schlendern gemütlich hoch droben über das Spreetal auf den Hof der Ortenburg. Von dort aus erkunden Sie die restliche Altstadt und vollenden Ihren Tag mit einem Konzert in der Krone. Es lassen sich unzählige andere Kommunen aufzählen, in denen vor allem Touristen, auf deren Geld auch die Bautzener Gastronomen und Händler so sehr angewiesen sind, eine solche Infrastruktur zu schätzen wissen. Genau wie Regensburg, um nur ein Beispiel anzuführen, kann die Spreestadt mit ihren historischen Pfunden wuchern. Jeder, der schon mal in der Donaumetropole war, wird wissen, dass ein Abstecher zur steinernen Brücke gebotene Pflicht ist, um Regensburg von einer seiner charmantesten Seiten kennenzulernen. Warum sollte das nicht auch an der Spree gelingen? Das letzte Wort im Fall der angedachten Flussquerung müssen unterm Strich die Bautzener selbst haben – schon, um ein Stück weit Glaubwürdigkeit zu bewahren. Alle Fraktionen hatten diese Zusage einst gegeben.
Wird das Projekt Altstadtbrücke schon in Kürze auf Eis gelegt? Wo noch vor Monaten Einigkeit darüber bestand, das ehrgeizige Vorhaben voranzutreiben, versuchen jetzt einzelne Bürgervertreter der CDU dazwischen zu grätschen. Damit ziehen sie unweigerlich den Zorn der Brückenbefürworter auf sich. Ein Streit im Stadtrat ist vorprogrammiert.
Bautzen. Für einige CDU-Stadträte scheint der Zeitpunkt gekommen, um die Notbremse zu ziehen. Sie haben jetzt einen Beschlussantrag eingereicht, der alles Bisherige in Frage stellt. Im Kern sieht das Papier vor, dass „keine weiteren Planungsleistungen durch die Stadtverwaltung selbst durchzuführen beziehungsweise an Dritte zu beauftragen“ sind. Begründet wird der Vorstoß damit, dass das Brückenvorhaben seit Monaten Kapazitäten im Rathaus bindet. Zudem ließen sich viele Fragen im Zusammenhang mit dem angedachten Bau bis heute nicht klären. Andere, nach Ansicht der Christdemokraten wichtigere Vorhaben in puncto Stadtentwicklung würden vor diesem Hintergrund nicht mit der entsprechenden Vehemenz in den Reihen der Verwaltung vorangetrieben. „Die CDU-Stadtratsfraktion sieht in dem geplanten Bau einer Fußgängerbrücke vom Protschenberg zur Ortenburg langfristig eine Zukunftsvision für die Stadt Bautzen“, heißt es in dem Beschlussantrag, der dem Oberlausitzer Kurier vorliegt. „In Abwägung prioritär gesehener kommunaler Pflichtaufgaben, bereits vom Stadtrat bestätigter Investitionsvorhaben, neu abzuleitender Aufgaben aus dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept und durchzuführender Freiwilligkeitsleistungen soll das Vorhaben der Spreequerung jedoch bis auf weiteres nicht mehr verfolgt werden.“ Und weiter: „Die CDU-Stadtratsfraktion sieht es im Rahmen der gestiegenen Anforderungen an den städtischen Haushalt und dessen Leistungsfähigkeit mittelfristig für unvereinbar, Aufwendungen für das Brückenbauwerk mit Eigenmitteln abzubilden. Der Beschlussantrag begründet sich zudem aus Darlegungen der Stadtverwaltung in der Stadt-ratssitzung am 25. September 2019 zum Sachstand des Vorhabens.“ Damals ließ die Rathausmannschaft in einer von ihr veröffentlichten Pressemitteilung verlauten, dass die bisherigen Voruntersuchungen nur bedingt Fakten liefern konnten, um ausreichend Informationen für einen Grundsatzbeschluss herbeizuführen. „Weitere Details in Bezug auf Konstruktion, Baukosten sowie Unterhaltung können erst vorgelegt werden, wenn die Vorplanung beziehungsweise Entwurfsplanung durchgeführt ist. Dies bedarf einer europaweiten Ausschreibung. Für deren Durchführung und die Honorare für die Planungsleistungen sind 300.000 Euro im Haushalt veranschlagt. Damit kann voraussichtlich nur die Entwurfsplanung abgedeckt werden. Für die weitere Planung und die Umsetzung des Vorhabens sind bisher keine Mittel im Haushalt eingestellt. Rechtlich betrachtet wäre dies jedoch eine Voraussetzung, um mit der Vergabe von Planungsleistungen zu beginnen.“
Das stieß bereits im Frühherbst einigen Christdemokraten bitter auf. Fraktionschef Karsten Vogt erklärte Anfang Oktober: „Bautzen steht vor der großen Herausforderung, dass wir den anstehenden Bevöl- kerungsrückgang minimieren müssen. Das ist leider in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht wahrnehmbar. Um die Abwanderung aufzuhalten, brauchen wir attraktive Wohnstandorte, damit Familien in der Stadt bleiben und uns nicht dauerhaft verlassen. Die Spreequerung kann in diesem Prozess nicht helfen, da ihr Potenzial auf der touristischen Ebene zu sehen ist.“ Gleichzeitig gab er zu bedenken: „Dennoch sollten die Voruntersuchungen für die Spreequerung nicht vorzeitig abgebrochen werden. Wenn wir dies jetzt tun, haben wir nur Geld verbrannt und keinen Effekt für eine spätere Stadtentwicklung erzielt.“
Das beurteilen offenbar einige seiner Parteifreunde mittlerweile nicht mehr so. Aufgrund des nicht existierenden Fraktionszwanges stimmten sie am Montag vergangener Woche anders als ihr Fraktionsvorsitzender für den jüngsten Beschlussantrag. Daraufhin zog Karsten Vogt, der im Übrigen dieses Vorgehen im Gespräch mit unserer Zeitung als „unklug“ bezeichnete, für sich die Konsequenz: Er reichte bei Oberbürgermeister Alexander Ahrens sein Rücktrittsgesuch ein. Als Grund dafür wurde offiziell die berufliche Mehrbelastung angeführt. Für den Direktor des Melanchthon-Gymnasiums soll voraussichtlich Monika Vetter ins Stadtparlament nachrücken.
Was passiert nun aber mit dem angestrebten Bürgerentscheid, für den sich in der Vergangenheit alle Stadtratsfraktionen und die Rathausspitze ausgesprochen hatten? Klar ist: Dieser wird obsolet, sollten die Christdemokraten mit ihrem Vorstoß erfolgreich sein – was wiederum nicht vollkommen ausgeschlossen scheint, sollten die Brückengegner der AfD-Fraktion und anderer Parteien den Antragstellern zur Seite springen.
Dessen ist sich auch die zwei Mann starke SPD-Fraktion bewusst. Die möchte es gar nicht erst soweit kommen lassen. „Wir kämpfen dafür, dass die Mehrheit im Stadtrat diese Beschlussvorlage ablehnt und damit der Bevölkerung die Entscheidungshoheit überträgt“, stellte Fraktionschef Roland Fleischer im Vorfeld der nächsten Stadtratssitzung klar. „Der Vorstoß widerspricht allen Absprachen und unterläuft den beabsichtigten Bürgerentscheid. Nicht eine kleine Gruppe im Stadtrat, sondern die Bautzener selbst haben über solch eine für die Stadt wichtige Entscheidung zu bestimmen. Dieser Vorstoß untergräbt jegliche demokratische Grundregel.“ Anders als die CDU-Bürgervertreter sehen die Sozialdemokraten in der Spreequerung ein wichtiges Instrument für eine gelingende Stadtentwicklung. „Sie ist eine touristische Attraktion. Sie belebt sowohl die Innen- als auch die Altstadt. Sie ist wirtschaftlich ein großer Vorteil für die Händler, Gastronomen, das Theater sowie die Bewohner. Sie entlastet das Zentrum vom Verkehr und trägt somit zum Wohlbefinden der Menschen bei. Ungeachtet dessen ist sie der Eintritt in die über 1000-jährige Geschichte einer wunderschönen Stadt.“ Deshalb fordert Roland Fleischer: „Die Vorlage muss abgelehnt und es muss weiterhin an den Grundlagen für einen Bürgerentscheid gearbeitet werden, um den Menschen dieser Stadt mit einer neutralen Vorlage die Möglichkeit einzuräumen, über das Für und Wider entscheiden zu können.“ Am Ende verwies der SPD-Politiker noch einmal darauf, dass auch mit den Stimmen der CDU Geld für die Planung im Haushalt eingestellt worden sei.
Indes kann das Bürgerbündnis Bautzen (BBBz) nicht recht glauben, was momentan geschieht. „Der Antragsteller korrigiert die bisherige Position ohne irgendeine Notwendigkeit und verliert damit an Autorität und Glaubwürdigkeit“, erklärte BBBz-Sprecher Christian Haase. „Hier sind interne Probleme der CDU-Fraktion zu vermuten, die insgesamt die Arbeitsfähigkeit des Stadtparlaments schwächen. Sollte die aktuelle destruktive Initiative eine Mehrheit finden, wären alle bisherigen Aktivitäten und Arbeitsergebnisse hinfällig. Ein gewählter Stadt-verordneter mit Verantwortungsbewusstsein kann genau das nicht wollen. Unsererseits bemühen wir uns um den Austausch von Argumenten zur Fortsetzung der bisherigen Arbeiten mit dem Ziel, einen Reifegrad zu erlangen, der eine qualifizierte Entscheidung der Bautzener Bürger möglich macht.“ Bezüglich des Bauvorhabens, das auch eine Erweiterung des Schliebenparkplatzes vorsieht, fügte Christian Haase hinzu: „Nach unserem Wissen ist die Förderfähigkeit des Gesamtprojektes nur gegeben, wenn die Einheit der Maßnahmen beibehalten bleibt. Die hohe Förderquote mit 85 Prozent bedeutet eine tragbare finanzielle Belastung des Stadthaushaltes. Fällt das Teilprojekt ‚Spreebrücke’ aus der weiteren Planung heraus, muss die Kommune die Finanzierung der Parkplatzerweiterung aus Eigenmitteln bestreiten und hat damit deutlich höhere finanzielle Mittel für dieses Projekt zu stemmen.“
„Die verantwortlichen CDUler dieses Antrages sollten sich für die versuchte Bevormundung der Bautzener Bürger öffentlich entschuldigen“, denkt FDP-Mann Mike Hauschild. „Wenn das die neue Bürgerpolitik der CDU-Fraktion werden soll, sehe ich die Zusammenarbeit wegen fehlender Gemeinsamkeiten in Zukunft schwer gestört. Die nächste bürgerschaftliche Entscheidung ist die über die Erhöhung der Elternbeiträge für Kita und Hort. Ich befürchte da nichts Gutes vonseiten der Christdemokraten. Es gibt keinen sachlichen Grund, das Projekt jetzt abzuwürgen und den Bürgern die Entscheidung zur Entwicklung ihrer Stadt zu nehmen.“
Die AfD gibt sich hingegen diplomatisch. „Unser Antrag zur Stadtratssitzung am 30. Oktober 2019 zu einem Bürgerentscheid zur Frage ‚Sollen weitere 300.000 Euro für die Fußgängerbrücke Protschenberg – Ortenburg ausgegeben werden’ wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Wir wollten nach jahrelanger Diskussion damit erreichen, dass die Bürger entscheiden, ob weiterhin große Geldsummen für den geplanten Brückenbau ausgegeben werden sollen oder nicht“, meint deren Fraktionsvorsitzender Sieghard Albert. „Der mutmaßliche Antrag der CDU verlagert diese Entscheidung nun auf den Stadtrat. Eine Bewertung überlassen wir vorerst dem Bürger.“
Um am Ende bisherige Weggefährten wie das BBBz oder die Liberalen, die bekanntlich für das Brückenprojekt brennen, nicht völlig vor den Kopf zu stoßen, war aus den Reihen der Christdemokraten inzwischen zu vernehmen, dass die beabsichtigte Spreequerung mit dem jetzt eingebrachten Antrag nicht beerdigt sei. Das Vorhaben werde lediglich „ruhend gestellt“ – mit ungewissem Wiederaufnahmezeitpunkt.
Ungeachtet des Streits im Stadtrat will ein namhafter Bautzener Architekt zur nächsten Sitzung der Bürgervertreter eine sogenannte Variante B für den künftigen Verlauf der Brücke vorlegen. Dieser zufolge ist nicht länger vorgesehen, die historische Burgmauer anzutasten. Denn das haben im 15. Jahrhundert nicht einmal die Hussiten geschafft. In den Jahren 1429 und 1431 war die Spreestadt zweimal von einem etwa 4.000 Mann starken Heer erfolglos belagert worden.