Corona-Krise zeigt neue Perspektiven auf
Dennis Hieronymi ist als technischer Beauftragter bestens mit den Eigenheiten der Masken-Produktionslinien vertraut.
Eine Ohorner Textilfirma sollte eigentlich geschlossen werden. Heute stellt sie ein Erzeugnis her, das die Menschheit noch lange begleiten wird – vielleicht auch für immer.
Ohorn. Die Messen waren eigentlich schon gelesen. Die Pulsnitzer Hygiene Berufsbekleidung GmbH (PHB) wollte ihren Standort in Ohorn schließen und die Produktion nach Westsachsen verlagern. „Wir arbeiten in einem nicht sehr begehrten Berufszweig, Nachwuchs für Näherinnen und für Konfektionäre gibt es nicht mehr. Wertvolle Mitarbeiterinnen gingen in Rente, und wir mussten uns dieser Situation stellen“, gibt Geschäftsführer Alfred Wippermann Einblick in die Umstände, die zu der damaligen Entscheidung geführt hatten. In Limbach-Oberfrohna stellte sich insbesondere die Ausbildungssituation günstiger dar, und so begann das Unternehmen, sukzessive die Produktion nach Westsachsen zu verlagern. Damit einher ging der Abbau der Belegschaft in Ohorn.
Leiche im Keller wurde beseitigt
Doch dann kam Corona. Was normalerweise den Beginn einer Leidensgeschichte markiert, bedeutete für die PHB eine neue Perspektive. „Als mich Herr Wippermann anrief und mir die Entscheidung mitteilte, dass er in die Maskenproduktion einsteigen will, konnte ich mein Glück kaum fassen“, erinnert sich die Ohorner Bürgermeisterin Sonja Kunze. Schließlich ging es um etwa 40 Arbeitsplätze, „und ich war schon sehr enttäuscht von den Schließungsplänen.“ Doch kam damit auf die Gemeinde Ohorn auch eine besondere Herausforderung zu: Auf dem Firmengelände befand sich noch eine alte Kläranlage, die zuvor abgebrochen werden musste – eine „Leiche im Keller“, wie es die Bürgermeisterin formuliert. Das war vor etwa eineinhalb Jahren.
Heute produziert die Pulsnitzer Hygiene Berufsbekleidung GmbH auf zwei Maschinen medizinische Gesichtsmasken. Die Inbetriebnahme der zweiten Maschine erfolgte unlängst, die der ersten bereits im Sommer 2020. „Wir haben eine Kapazität von 50 Millionen OP-Masken pro Jahr aufgebaut, damit könnten wir ganz Ostsachsen allein versorgen“, betont Alfred Wippermann.
Die Gesamt-Investitionssumme beläuft sich auf etwas weniger als eine Million Euro, wovon die zweite Maschine 260.000 Euro ausmacht. „Wir haben sie in Amberg in Bayern gekauft, weil das näher liegt als Düsseldorf, wo der konkurrierende Hersteller sitzt“, verrät der Geschäftsführer. Nähe stellt für ihn ein wichtiges Kriterium dar, denn schließlich ist ein „kurzer Draht“ bei Problemen wichtiger, als bei der Investition vielleicht „ein paar tausend“ Euro zu sparen. Auf dieses Prinzip setzt Alfred Wippermann auch beim Aufbau seiner Lieferketten: „Unsere Zulieferer produzieren alle in den neuen Bundesländern. Die Ohrgummis beziehen wir von einem Lieferanten aus dem Landkreis Bautzen.“
Politik hat Zeichen der Zeit noch nicht erkannt
Auch von der Politik würde er sich wünschen, dass sie dieses Prinzip stärker beachtet: „Unser größtes Problem sind die stark subventionierten chinesischen Masken, und wir haben geglaubt, dass die europäische Union Maßnahmen ergreift, um systemkritische Investitionen in ihren Mitgliedsländern zu schützen.“
Doch leider habe sich das bisher als Irrglaube erwiesen. Dabei zeigten die USA, die dafür eigens eine Taskforce gegründet hätten, wie man die einheimischen Lieferketten vor chinesisch subventionierten Massenprodukten schützen könne. „Wir haben ja gesehen was es bedeutet, wenn wir keine OP-Masken haben. Es kann doch nicht sein, dass wir nach zwölf Monaten schon wieder alles vergessen haben und nur der Preis zählt. Dafür ist die Gesundheit der Bevölkerung zu wichtig.“ Alfred Wippermann setzt ganz bewusst auf die im Volksmund so genannte OP-Maske, da die oft als Goldstandard betrachtete FFP-2-Maske für den mehrstündigen Gebrauch nicht geeignet sei. Und Bedenken, dass ihm im Zuge des Abflauens der Pandemie die Abnehmer ausgehen, hat er nicht.