Corona: „Wir müssen weiter achtsam sein“
Auch die Oberlausitz-Kliniken haben monatelang Infektionsbereiche in ihren Häusern für Corona-Patienten freihalten müssen. Derzeit kehren sie schrittweise zum Regelbetrieb zurück. Foto: Archiv
Die Lage in der Region hat sich entspannt. Am Mittwoch lag die vom Robert Koch-Institut für den Landkreis Bautzen veröffentlichte Sieben-Tage-Inzidenz bei 3,7 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner. Der Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken, Reiner E. Rogowski, nutzt die Verschnaufpause für eine Bilanz. Im Oberlausitzer Kurier spricht er über Fallzahlen, wirtschaftliche Folgen der Krise und die Notwendigkeit von Impfungen.
Herr Rogowski, die Politik und auch Virologen warnen nicht erst seit Kurzem vor einer möglichen vierten Corona-Welle in Deutschland – ausgelöst durch eine Virus-Variante, die zuerst in Indien nachgewiesen wurde, die sich inzwischen aber auch in Europa offenbar recht zügig verbreitet. Wie schätzen die Oberlausitz-Kliniken vor diesem Hintergrund die weitere Entwicklung ein?
Reiner E. Rogowski: Wir erwarten aktuell die zunehmende Entspannung der Infektionslage mit eventuell geringen Zahlen der Delta-Variante im Sommer, also genau der Mutation, die Sie bereits ansprachen. Das gilt momentan auch für eine eventuelle vierte Welle im Herbst mit geringeren Infektionszahlen als zuletzt. Grund hierfür ist wiederum der zunehmende Impfeffekt.
Wie bereiten sich Ihre Häuser auf die kommenden Monate vor?
Reiner E. Rogowski: Derzeit treiben wir die Rückkehr zum Regelbetrieb der beiden Krankenhäuser in Bautzen und Bischofswerda voran. Jedoch steht das Ganze unter dem Vorbehalt, dass wir jederzeit bereit sind, Infektionsstationen an unseren Standorten vorzuhalten.
Inwieweit steht möglicherweise eine Urlaubssperre für das Personal im Raum und ab wann würde diese greifen?
Reiner E. Rogowski: Aktuell sind keine Urlaubssperren erforderlich. Eher ist die Erholung des involvierten Personals nötig, also der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit März vergangenen Jahres aktiv eingebunden waren. Im Übrigen sind Urlaubssperren nur bei massiven Personalausfällen erforderlich. Bei einer hohen Impfquote des Personals und sehr vielen durchgemachten Infektionen unserer Mitarbeiter ist eine Maßnahme wie eine Urlaubssperre auch bei einer möglichen vierten Corona-Welle nicht zwingend zu erwarten.
Was lässt sich nach über einem Jahr Sars-CoV-2 in puncto Patienentenzahlen im Einzugsgebiet der Oberlausitz-Kliniken sagen?
Reiner E. Rogowski: 1.517 Covid-19-Patienten sind in unseren Krankenhäusern stationär behandelt worden. Das mittlere Alter betrug dabei 73 Jahre. Das Altersspektrum der medizinisch zu versorgenden Menschen reichte vom Kind bis hin zum 99-Jährigen. 295 Männer und Frauen sind bedauerlicherweise an oder mit der Krankheit verstorben. Nachdem die Impfungen auch hierzulande einsetzten, ergab sich mit einem Mal ein neues Bild. Im Fall von Pflegeheimpatienten waren fast keine stationären Aufnahmen mehr zu verzeichnen.
Wovon geht das Unternehmen in Bezug auf künftige mögliche Mutationen des Krankheitserregers aus?
Reiner E. Rogowski: Ein Immunisierungsgrad der Bevölkerung von 70 Prozent ist erforderlich und wünschenswert, um große Ausbrüche und damit neue Mutationen des Erregers zu vermeiden. Bezüglich der Delta-Variante sind 80 Prozent erstrebenswert. Solange diese Ziele jedoch nicht erreicht werden, werden uns Infektionswellen weiterhin begleiten und Ungeimpfte erkranken, die wiederum andere Menschen anstecken. Daher unterstützen wir die Impfaufrufe der Staatsregierung. Gleichzeitig richten wir den Appell an die Bevölkerung, sich immunisieren zu lassen.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Wirtschaftlichkeit der beiden Krankenhäuser in Bautzen und Bischofswerda bis zum heutigen Tag gehabt?
Reiner E. Rogowski: Dadurch dass in Bautzen und Bischofswerda mehrere großes Kliniken und zugehörige Stationen sowie zwei Intensivstationen vollständig in die Betreuung von Corona-Patienten involviert waren, sahen wir uns dazu gezwungen, andere Eingriffe und Untersuchungen stark zu reduzieren. Zeitweilig war das Krankenhausbetrieb fast ausschließlich auf die Notfallbetreuung beschränkt. Der Schutz des Personals und anderer Patienten vor möglichen Ansteckungen mit dem Virus sowie die Mitarbeit von Pflegekräften und Ärzten bei den extrem arbeitsintensiven Covid-19-Erkrankten machte das notwendig. Das führte wiederum zu weniger Patienten und damit zu Mindererlösen. Die Kosten für Medikamente, Technik und Gehälter liefen indes weiter. Dank des staatlichen Rettungsschirms wurden die Mindererlöse aller beteiligten Krankenhäuser Deutschlands von März 2020 bis 15. Juni 2021 durch Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds ausgeglichen. Die Kliniken konnten auf dieser Grundlage weiterarbeiten. Gleichzeitig haben sie demonstriert, wie leistungsfähig unser Krankenhaus- und Gesundheitssystem ist. Ohne diese Regelungen hätten den meisten Einrichtungen im Land bereits im vergangenen Sommer keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung gestanden. Mit anderen Worten: Viele wären nahezu oder auch real pleite gewesen.
Inwieweit sehen die Oberlausitz-Kliniken eine Notwendigkeit, den Ausnahmezustand in der Bundesrepublik weiterhin aufrechtzuerhalten?
Reiner E. Rogowski: Wie im letzten Sommer entsteht aktuell eine trügerische Freude über abnehmende Infektionszahlen. Wir müssen jedoch achtsam sein und die Entwicklung der Delta-Variante im Blick behalten. Sobald die Inzidenzen erneut steigen, sollten wir eine gewisse Vorsicht walten lassen. Die Quote der vollständig Geimpften ist leider noch viel zu gering, um eine neue Infektionswelle im Herbst zu verhindern. Gefahr droht vor allem dadurch, dass dann in erster Linie jüngere, kontaktreichere Patientengruppen den tückischen Erreger verbreiten. Deswegen wird das mittlere Alter der Erkrankten, wie in der letzten Welle bereits zu sehen war, weiter abnehmen.