Das ist der neue Chef im Schutzgebiet
Christian Starke führt gern auf den Haselbergturm – bei an diesem Tag leider nur sehr eingeschränkter Sicht.
So vielfältig ist das Landschaftsbild in der Königsbrücker Heide: Von ausgesprochen feuchten Standorten ...
Königsbrück. Ruhig ist es an diesem dunstigen Wintervormittag im Wildnisgebiet Königsbrücker Heide. Nur das Rufen einiger Kolkraben durchbricht die Stille.
Und das Brummen eines Motors – er gehört zu einem VW-Bus, in dem sich Christian Starke und Teresa Brose von der Verwaltung des Naturschutzgebietes befinden. Christian Starke ist erst seit kurzem Leiter dieser Behörde und macht sich mit den Gegebenheiten vertraut. Dazu gehört auch ein Überblick von einer der höchsten Stellen des Schutzgebietes: „Wir sind jetzt hier auf dem Haselbergturm. Der Haselberg ist mit 190 Metern die zweithöchste Erhebung hier im Schutzgebiet. Der Turm ist 34 Meter hoch, von hier kann man bei guter Sicht die Königsbrücker Heide in Gänze überblicken.“
Der Horizont ist an diesem Tag sehr nah. Was Christian Starke hier besonders wichtig ist, kann man bei diesen Sichtverhältnissen daher nur erahnen: „Die Königsbrücker Heide ist der größte unzerschnittene Lebensraum in Sachsen.“ Was man allerdings recht gut erkennen kann, ist eine Schaf- und Ziegenherde, die in der Nähe des Turmes weidet. Die Tiere knabbern den jungen Aufwuchs ab, um den halboffenen Lebensraum für Vögel, wie den Neuntöter oder die Sperbergrasmücke, zu erhalten.
Was man allerdings recht gut erkennen kann, ist eine Schaf- und Ziegenherde.
Die Tiere knabbern den jungen Aufwuchs ab, um den halboffenen Lebensraum für Vögel wie den Neuntöter oder die Sperber-Grasmücke zu erhalten. Der Haselbergturm befindet sich in der Pflegezone – hier greift der Mensch noch ein, um Habitate zu erhalten oder zu schaffen. In der weitaus größeren Kernzone hingegen bleibt die Natur komplett sich selbst überlassen. Ein paar hundert Meter weiter zeigt sich am Otterbach ein ganz anderes Landschaftsbild:
„Im Vergleich zu anderen Truppenübungsplätzen haben wir hier in der Königsbrücker Heide ein sehr ausgeprägtes Fließgewässersystem von über 100 Kilometern Länge. 15 Prozent unserer Flächen sind nass.“ Doch das ist beileibe nicht überall der Fall: „Wir haben eine sehr enge Verzahnung zwischen feuchten und trockenen Lebensräumen, die zum Teil auch extrem ausgeprägt sind. Diese Lebensräume beherbergen sehr häufig Spezialisten, also Arten, die sehr selten vorkommen, weil sie auf extreme Lebensräume angewiesen sind.“ Die von Christian Starke angesprochenen trockenen Flächen entsprechen am ehesten dem, was man sich unter dem Begriff „Heide“ vorstellt. Doch gerade sie sind erst durch die intensive Nutzung der Königsbrücker Heide als Truppenübungsplatz entstanden. Hier lässt sich gut der Unterschied zwischen Kern- und Pflegezone erklären: „In der Kernzone lassen wir die Sukzession, also den Wandel vom Offenland zur Waldfläche, zu. In der Pflegezone versuchen wir, die Heide durch Beweidung mit Schafen und Ziegen zu erhalten.“
Erster Anlaufpunkt für Besucher und alle jene, die mehr über die Königsbrücker Heide erfahren wollen, ist die Verwaltung des Schutzgebietes auf der Weißbacher Straße in Königsbrück. Hier hat auch Christian Starke sein Büro. Doch wer ist der Mann, der jetzt in Deutschlands einzigem Wildnisgebiet das Sagen hat? „ Ich habe in Tharandt Forstwissenschaften studiert, in Bayern mein zweites Staatsexamen gemacht, und war dann bei den Bayerischen Staatsforsten tätig. Im Jahre 2016 hatte ich die Chance, wieder nach Sachsen zurückzukommen, und übernahm die Leitung des Umwelt- und Forstamtes im Landkreis Bautzen. 2020 ging ich zur Nationalpark- und Forstverwaltung des Staatsbetriebs Sachsenforst, wo ich zuletzt als stellvertretender Leiter des Nationalparks Sächsische Schweiz arbeitete.“
Christian Starke reizte neben der beruflichen Weiterentwicklung vor allem die Komplexität der Lebensräume in Verbindung mit der außergewöhnlichen Geschichte beider Gebiete (zum Schutzgebiet gehört neben der Königsbrücker- auch die Gohrischheide bei Zeithain im Landkreis Meißen). Dabei gibt es zwei große Herausforderungen: „Beide Gebiet sind stark mit Munition belastet. Deshalb muss jede Aktivität auf der Fläche mit dem Kampfmittel-Beseitigungsdienst abgestimmt werden. Das andere Thema ist der Brandschutz, der uns langfristig begleiten und noch an Bedeutung gewinnen wird.“ Es bleibt zu hoffen, dass sich Christian Starke und seine Mitarbeiter mehr auf die wissenschaftlichen und ökologischen Aspekte ihrer Arbeit konzentrieren können.