Das passiert jetzt mit der Herrnhuter Orgel
Dirk Eule, Geschäftsführer von Eule Orgelbau und Orgelbaumeister, erläutert die Arbeiten an der Orgel des Kirchensaals.
Die Orgel des Herrnhuter Kirchensaals nimmt fast die gesamte Höhe des Werkstattraums bei Eule Orgelbau ein.
Herrnhut/Bautzen. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 300-jährigen Bestehen der Stadt Herrnhut steht am Festwochenende vom 13. bis 15. Mai die Orgel des Kirchensaals im Mittelpunkt („Oberlausitzer Kurier“ berichtete). Derzeit befindet sie sich zur Restaurierung in der Werkstatt der Hermann Eule Orgelbau GmbH in Bautzen. „Unsere bisherige Orgel ist ein Prototyp, mit den damit verbundenen Problemen“, hatte der für die Restaurierung des Kirchensaals federführende Architekt Daniel Neuer zum Tag des offenen Denkmals im September 2018 gesagt. Damals präsentierte sich die „gute Stube“ der Herrnhuter Brüdergemeine letztmals in einem größeren Rahmen in ihrer alten, etwas verblichenen Pracht.
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Saal einem verheerenden Brand zum Opfer gefallen. Unter großer Kraftanstrengung baute ihn die Brüdergemeine in den 1950er Jahren in vereinfachter Form wieder auf. Kurz nach der politischen Wende konnten das Dach und die Außenfassade erneuert werden. 2019 begann die Innensanierung, im März 2020, kurz vor Beginn der Corona-Maßnahmen, machte die Brüdergemeine mit einer spektakulären Aktion auf den Kirchensaal aufmerksam: Sie veranstaltete auf dem kurz zuvor eingebauten Betonuntergrund für den neuen Fußboden ein Event für Inline-Skater. Im Zuge der Sanierung wurde die Schwesternempore wieder aufgebaut, die man nach dem Brand von 1945 nicht wieder errichtet hatte. Gegenüber am anderen Raumende wird ab Mai dann wieder die Orgel auf der nach ihr benannten Empore thronen. Bis es soweit ist, haben die Bautzener Eule-Orgelbauer aber noch eine Menge Arbeit mit ihr.
„Das 1957 von der Zittauer Firma Schuster in den Kirchensaal eingebaute Instrument ist sehr gut und solide ausgeführt, aber es befindet sich musikalisch auf dem Stand seiner Herstellungszeit“, erklärt Dirk Eule, Orgelbaumeister und Geschäftsführer von Eule Orgelbau. Und weiter: „Heute gibt es andere musikalische Anforderungen an das Instrument. Deshalb hat man sich Gedanken gemacht, wie man es in die Zukunft ,mitnehmen’ kann.“ Dabei bleibt die vorhandene Orgel in ihrer klanglichen Charakteristik erhalten, aber: „Wir erweitern sie um ein zusätzliches Manualwerk.“
Dabei musste das bisher „hinterständige“ Pedal an die Seite geschoben werden, damit in der Mitte Platz für das neue Manual entsteht. Gleichzeitig konnte noch ein Register hinzugefügt werden.
Optisch lehnte sich Eule Orgelbau an die ursprüngliche Gestaltung der Herrnhuter Orgel an, sodass „ein Besucher, der das Instrument nicht von früher kennt, es als eine Einheit wahrnimmt“, wie Dirk Eule versichert.
Für Eule Orgelbau ist ein solcher Umbau nicht ungewöhnlich, muss aber in jedem Fall individuell geplant werden: „Bei einer Orgel einfach etwas ,dazu bauen’, das funktioniert nicht. Es muss in den musikalischen Kontext des Instruments passen.“ „Die Orgel soll nicht führen, sondern begleiten“, fasste Architekt Daniel Neuer 2018 die Grundanforderung der Brüdergemeine an ihr Instrument in einem prägnanten Satz zusammen. Doch auch ohne den Umbau hätte eine Generalüberholung der Orgel angestanden.
Derzeit ist die Herrnhuter Orgel im Werkstattraum von Eule Orgelbau aufgebaut, wo die Erweiterung durchgeführt wird. Nach Beendigung der Arbeiten muss sie abgebaut, verladen und in Einzelteilen nach Herrnhut transportiert werden, wo dann der letztendliche Aufbau auf sie wartet. „Hier, in ihrer ,natürlichen’ Umgebung, werden dann noch umfangreiche Arbeiten zur Feinabstimmung erforderlich sein, denn schließlich klingt die Orgel in einem Saal anders als bei uns in der Werkstatt“, weiß Dirk Eule. Doch auch diese Herausforderung sollten die Bautzener Orgelexperten meistern, sodass die Brüdergemeine dem 13. Mai (ein Freitag!) in freudiger Erwartung entgegenfiebern kann.