Denken, statt sich dem Fernsehen zu unterwerfen!
Reinhard Müller beim Suchen einer Textstelle in seinem Buch: „Wer oder was ist Gott?“.Foto: Till Scholtz-Knobloch
Nieder-Seifersdorf / Görlitz. Das pensionierte Pfarrerehepaar Katrin und Reinhard Müller aus Nieder-Seifersdorf ist für einen echten Ruhestand nicht geschaffen. Sie bereitet alljährlich zum Beispiel die Krippenausstellung zur Adventszeit auf dem eigenen Hof vor und bei Besuchen kann jeder erleben, wie engagiert beide das gesellschaftliche Leben begleiten. Da im Doppelpack die wortgewaltigere Katrin Müller meist das Zepter in der Hand hat, lag es wohl nahe, dass Reinhard Müller als ruhender Pol im vergangenen Jahr Predigten, Briefe, Reden etc. für ein Buchprojekt auswählte, deren Botschaft er zu schade für das Archiv empfand. Im Resultat findet der Leser nun viele zeitlose Gedanken, Beiträge zum theologischen Diskurs oder auch Texte zu gesellschaftlichen Fragen wie etwa „Keine Hühnerfabrik in Vierkirchen“, zahlreiche Erinnerungen aus den Umbruchjahren der Friedlichen Revolution oder Ansprachen zu Trauerfeiern.
Neben vielen Predigten aus Weißwasser hat Müller auch einige Worte zum Sonntag aus der „Lausitzer Rundschau“ ausgewählt, in denen sein Glauben auch in die politische Verantwortung ragt, wenn er zum Beispiel sagt: „Krieg, so auch der Krieg im Irak, ist Mord und Vernichtung aller Lebensumstände einschließlich der Natur“.
Beim Lesen seiner Ansprache beim Friedensgebet vom 20. November 1989 wird auch die sich ständig wiederholende Verantwortung spürbar: „Warum lassen Sie sich als erwachsene, denkende Menschen ihr Leben vom Geld, vom Auto, vom Fernseher bestimmen? Warum haben Sie viele Jahre der SED als absolutem Herrn der Gesellschaft gehorcht und alle paar Jahre durch das Fallenlassen von Stimmzetteln sich bekannt?“.
Auszüge des Werkes stellt Reinhard Müller unter dem Motto „Was oder Wer ist Gott?“ am Mittwoch, dem 27. Oktober, 19.00 Uhr, in der Alten Synagoge von Görlitz in der Langenstraße, Eingang Obermarkt, vor. Er liest dabei aus seiner Sammlung von „Gebrauchstexten aus Kirche und Gesellschaft – vor und nach der Wende“, wie er selbst den Anspruch umreißt und sich damit im Grunde an die komplette Gesellschaft wendet. Denn der Abend sei „für Christen, Atheisten, Agnostiker, für Demokraten, Freunde des Friedens und der Schöpfung!“.
Drei Themen bestimmen das Buch: ‚Gott ist eine unsichtbare Kraft und Gott als Person’ ist ein wichtiges Bild, aber doch nur ein allzu menschliches Bild! Zum anderen gehöre wesentlich zum Frommsein „die Verantwortung für unsere Welt, also für Mitmenschen, ebenso wie für Tiere, Pflanzen, die Luft und Wasser und alle Schätze der Natur“, so Müller, der weiter ausführt: „Zum dritten möchte unsere geliebte weltweite Kirche nicht vornehmlich ein Museum für alte Sprachen, alte Gesänge und alte Gebäude werden.“
Mitveranstalter ist der Viadukt-Verlag Görlitz. Es gibt eine Getränkepause und Gesprächsmöglichkeit bei freiem Eintritt.