Der Bautzener Stausee schimmert golden
Der Lindenblatt-Bootsanleger bildet das perfekte Sinnbild für die Ambivalenz des Stausees: Formschön, aber für seinen Zweck kaum geeignet.
Das künstliche Gewässer vor den Toren der Stadt feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Die Bautzener lieben ihren „Haussee“ nach wie vor, auch wenn dies immer wieder auf die Probe gestellt wird.
Bautzen. Ein 50-jähriges Jubiläum wird gemeinhin als „Golden“ bezeichnet. Insofern präsentiert sich der Bautzener Stausee bald in goldenes Licht getaucht – nicht nur wegen der Herbstsonne, sondern auch deshalb, weil er vor 50 Jahren – nämlich 1974 – offiziell eingeweiht wurde. Und das, obwohl der Bau noch etwas länger – nämlich bis 1975 – dauerte. „Die technischen Anlagen waren bereits ein Jahr zuvor fertig, so dass die Talsperre in den Probestau gehen konnte“, klärt die Landestalsperrenverwaltung Sachsen (LTV) diese scheinbare Diskrepanz auf. Jedenfalls lädt sie am Sonntag, 22. September, von 10 bis 17 Uhr zu einem Tag der offenen Tür ein, um das Jubiläum zu würdigen. Im Mittelpunkt steht dabei der große Staudamm, der normalerweise nicht zugänglich ist und an diesem Tag extra geöffnet wird. An seinem Fuße befindet sich auch das Festgelände mit Technikschau, Mitmachaktionen für Kinder und kulinarischen Angeboten. Streckenpläne für Fahrrad-Rundtouren mit mehreren Stationen, darunter der Entnahmeturm, sind dort ebenfalls erhältlich. Das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft und die Energie- und Wasserwerke Bautzen, beteiligen sich mit Perlenglanz, da beide ihr 30-jähriges Jubiläum feiern. Die Entstehung des zweitgrößten Stausees Sachsens ist eng mit dem Lausitzer Braunkohlerevier verbunden. Um den Wasserbedarf des Kraftwerkes Boxberg zu stillen, baute man nördlich von Bautzen an der Spree gleich einen ganzen See. Mit bis zu vier Kilometern in der Länge, drei Kilometern in der Breite und einem Stauraum von bis zu 45 Millionen Kubikmetern entstand hier zwischen 1968 und 1974 ein künstliches Gewässer von recht beachtlichen Ausmaßen.
Heute, 50 Jahre später, benötigt Boxberg das Bautzener Wasser kaum noch. Die Hauptaufgaben der Talsperre Bautzen haben sich geändert. Über fünf Millionen Kubikmeter Rückhalteraum tragen ganz wesentlich zum Hochwasserschutz der Unterlieger bei, wie der damalige Geschäftsführer der LTV, Dr. Hans-Ulrich Sieber, zum 40-jährigen Jubiläum erklärt hatte. An dieser Aussage dürfte sich angesichts der wiederholten Starkregenereignisse gerade in diesem Jahr kaum etwas geändert haben. Die wichtigste Aufgabe der Talsperre Bautzen bestehe jedoch in der Regulierung des Wasserstandes in der Spree und ihren Nebenflüssen, was auch der Flutung der Lausitzer Bergbauseen zugute komme.
Neben der Wasserwirtschaft und der Kraftwerksversorgung bildete stets die Naherholung eine wichtige, wenn auch den ersteren beiden untergeordnete Funktion des Stausees, wie die Bautzener ihre Talsperre nennen. Zu DDR-Zeiten entstanden ausgedehnte Ferienanlagen, Urlauber aus dem ganzen Land, aber auch von jenseits der Grenzen tummelten sich am Oberlausitzer Balaton. Jedoch war die Badefreude in manchen Jahren getrübt: Blaualgen vermehrten sich bei günstigen Bedingungen explosionsartig. Das Problem war nicht nur ästhetischer Natur: Empfindliche Badegäste konnten sich auch gesundheitliche Schäden zuziehen. Eine nachhaltige Lösung für das Problem konnte trotz vieler Versuche bis heute nicht erzielt werden. Die Stadt Bautzen baute 2013 eine Wasserleitung zum Stausee, der Radrundweg wurde 2014 fertiggestellt. 2023 gelang es nach mehrjährigen Bemühungen endlich, eine öffentliche Toilette aufzubauen. Der Abriss der Ferienanlagen aus DDR-Zeiten wird jedoch von vielen auch heute noch als Fehler betrachtet, da eine vergleichbare Infrastruktur – trotz aufopferungsvoller Bemühungen der privatwirtschaftlichen Akteure – nie wieder erreicht werden konnte.