Der Borkenkäfer bleibt auch nach starkem Frost
Dr. Axel Christian leitet u.a. die Sektion Arachnida (Spinnentiere) der Senckenberg-Wissenschaftler in Görlitz Foto: Sven Tränkner
Dr. Axel Christians Forschungsinteressen liegen in der „Taxonomie, Systematik und Nomenklatur von Raubmilben, der Ökologie und Faunistik von Raubmilben sowie den Zecken wildlebender einheimischer Säugetiere“ Foto: Sven Tränkner
Dr. Axel Christian ist u.a. Leiter der Sektion Arachnida (Spinnentiere) bei Senckenberg in Görlitz sowie des Museums. Er promovierte 1992 zur Entwicklung der Raubmilbenfauna der Halden des Braunkohlentagebaues Berzdorf. Da Senckenberg Görlitz in der Bodenzoologie führend ist, ist Dr. Christian eine gute Adresse, um nach Folgen des zuletzt frostigen und niederschlagsreichen Winters für die Oberlausitz zu fragen.
Herr Dr. Christian, nachdem Winter mit richtig Frost und geschlossener Schneedecke eher selten geworden sind, hatte uns der Februar zuletzt eine beständige Phase mit kontinuierlichen Minusgraden beschert. Hat uns das eventuell mit Blick auf die Borkenkäferplage etwas Entlastung verschafft?
Dr. Axel Christian: Vermutlich nicht, da die Borkenkäfer wie die meisten Insekten, Spinnen, Milben und Zecken den Frost und auch die Schneelage in der Regel gut überstehen. Entscheidend sind die Vitalität der Bäume und ihre Wasserversorgung in der Vegetationszeit. Dabei sind Bäume mit Pfahlwurzeln wie Eichen und Waldkiefern weniger durch Trockenperioden gefährdet als flach wurzelnde Baumarten wie Fichte oder Hainbuche. Bei durch Trockenheit vorgeschädigten Bäumen und warmem trockenem Wetter während der Entwicklungszeit der Borkenkäfer werden dann Fichten oft massenhaft von den Käfern befallen und sterben ab. Dies hatten wir in den letzten beiden Jahren in besonderem Maße und es könnte bei einem trockenen Jahr 2021 erneut zu einer Massenvermehrung der unterschiedlichen Borkenkäferarten und damit zum fortschreitenden und großflächigen Absterben von Bäumen kommen. Wintertemperatur und Schneelage im Februar spielen da eine untergeordnete Rolle.
Wenn wir einen feuchten und kühlen Sommer bekommen, könnte die Borkenkäferplage geringer ausfallen. Wichtig ist, dass das befallene Holz aus dem Forst geholt und so behandelt wird, dass die Käfer unter der Rinde vernichtet werden. Hochproblematisch sind in diesem Zusammenhang die schlechten Holzpreise, da insbesondere das Industrieholz (z.B. für Spanplatten- oder Papierherstellung) von den Forstwirten nicht mehr kostendeckend verkauft werden kann. Wenn es aber im Wald verbleibt, wird der Borkenkäferplage nicht entgegengewirkt.
Haben nach drei Jahren mit besonders geringen Niederschlagsmengen und milden Temperaturen die Niederschläge des Winters wenigstens für eine Erholung des Grundwasserspiegels gesorgt?
Dr. Axel Christiant: Ich denke, dass das Grundwasserdefizit mit den Niederschlagsmengen der letzten Wochen bei uns etwas verringert wurde, dies kann Ihnen aber eher ein Hydrologe beantworten.
Können Hobbygärtner mit Flachwurzlern eher durchatmen als die Forstwirtschaft, bei der der Blick auf tiefwurzelnde Gehölze wohl eher im Blick steht?
Dr. Axel Christian: Ein Hobbygärtner kann seine Pflanzen und Bäume ausreichend mit Wasser versorgen, die Waldeigentümer können das leider nicht und sind deshalb stets den Wetterbedingungen ausgesetzt. In der Forstwirtschaft werden deshalb schon seit etlichen Jahren bevorzugt trockenresistentere Baumarten angepflanzt, um die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Forstbetriebe abzusichern.
Welche Auswirkungen haben die aktuellen Verhältnisse auf Ihre wissenschaftliche Arbeit? Muss man sich hier mehr ’Außentermine’ vorstellen, oder kann die bodenzoologische Forschung als solche zu großen Teilen im Labor oder Gewächshaus gut simuliert werden?
Dr. Axel Christian: Forschung ist ja sehr vielfältig, auch die bodenzoologische Forschung. Für ökologische Untersuchungen sind oft Außentermine mit Probennahmen in verschiedenen Lebensräumen erforderlich, welche dann im Labor ausgewertet werden. Hier stehen die Lebensansprüche von Bodentieren im Fokus der Untersuchung und je nach Forschungsthema werden zum Beispiel die Auswirkungen von Trockenperioden oder Überschwemmungen auf die Bodenorganismen untersucht. Die Ergebnisse können dann helfen, Empfehlungen für die Landbewirtschaftung zu formulieren, um mit den aktuellen Wettereinflüssen in der Land- oder Forstwirtschaft besser klarzukommen. Ich arbeite als Acarologe („Milbenforscher“) aber mehr in der Grundlagenforschung zur Taxonomie und Systematik, also an Fragen zu den Merkmalen von Arten, wie man sie erkennt und unterscheiden kann und wo ihre Stellung im System der Tiere“ ist. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen sind dann die Beschreibung bisher unbekannter Arten, von mir z.B. von Raubmilben aus Südamerika. Andere Ergebnisse wie die Unterscheidung harmloser Milben in Bienenvölkern von die Bienen schädigenden Milben habe ich ganz aktuell in einer Publikation mit einer Kollegin aus der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig zusammengestellt, in der wir Imker und Tierärzte über „Milben in Bienenstöcken“ informieren (https://www.thieme-connect.com/products/ ejournals/abstract/10.1055/a-1320-9289) und damit zur Erleichterung ihrer Arbeit beitragen wollen. Eine weitere Arbeit von mir wird dieses Jahr mit einem Beitrag zur Neuauflage des Buches „Bestimmung wirbelloser Tiere“ publiziert, in der neben meinem bestehenden Bestimmungsschlüssel für Zeckenweibchen nun auch ein Schlüssel für Zeckenmännchen enthalten sein wird. Dieser Buchbeitrag zielt darauf ab, die allgemeine Kenntnis der Zeckenarten in Deutschland zu verbessern und eine sichere Artzuordnung zu ermöglichen. Dies ist wichtig, da sich einige Zeckenarten aufgrund des wärmeren Wetters in Deutschland ausbreiten und mit ihnen natürlich auch Krankheitserreger, welche sie übertragen.
Welche Forschungsprojekte bearbeiten Sie aktuell?
Dr. Axel Christian: Gemeinsam mit Kollegen haben wir 2015 die „Acarofauna Germanica – Oribatida“ publiziert. Darin sind die 560 aus Deutschland bekannte gewordenen Hornmilbenarten, ihre Verbreitung und Ökologie zusammengestellt. Gegenwärtig arbeiten wir an der Vorbereitung der Raubmilbenfauna von Deutschland zur der wir bereits etwa 900 nachgewiesene Arten gefunden haben. Solche „Faunen“ sind wichtig, um erkennen zu können, ob sich neue Milbenarten ansiedeln oder verbreitete Arten verschwinden. Beides ist wichtig, um die Ökosystemveränderung zu erkennen und bei wirtschaftlich, medizinisch oder veterinärmedizinisch relevanten Arten adäquat reagieren zu können.