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Der Schlesierschild 2021 geht an Volker Bandmann

Der Schlesierschild 2021 geht an Volker Bandmann

Der große Moment, an dem Volker Bandmann den Schlesierschild verliehen bekommt, ist diesen Samstag ’als Premiere’ online im Internet zu empfangen. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Der Schlesierschild ist so etwas wie der Nobelpreis der Schlesier. In diesem Jahr geht die Auszeichnung an den ehemaligen Görlitzer Landtagsabgeordneten Volker Bandmann (CDU), der Schlesien in Sachsens Verfassung verankerte. Die Auszeichnung erfolgt diesen Sonnabend auf dem Deutschlandtag der Schlesier, der coronabedingt erstmals online stattfindet. Auch sonst feilt die Landsmannschaft gerade an einem modernen Image.

Görlitz/Hannover. „Wenn ich mir die Reihenfolge der geehrten anschaue, von Paul Löbe angefangen, dem schlesischen Reichstagspräsidenten aus Liegnitz, sehe ich Bischöfe aus Görlitz, dann bin ich tief beeindruckt. Konrad Adenauer, Franz Josef Strauß und jetzt darf ich aus Görlitz hier in dieser schlesischen Reihenfolge stehen“, zeigte sich Volker Bandmann tief bewegt, als die Filmkamera am 27. Mai den Moment der Ehrung einfing, der diesen Samstag, 26. Juni, in die Welt hinausgeht. Dann wird das im Zeichen von Corona erstmals digitale Deutschlandtreffen der Schlesier ab 11.00 Uhr (Ökumenischer Gottesdienst) live aus Hannover auf dem Youtube-Kanal der Landsmannschaft Schlesien und deren Facebook-Seite übertragen. Die Festveranstaltung wird um 12.00 Uhr eröffnet, kurz vor 13.00 Uhr dürfte dann die Ehrung Volker Bandmanns anstehen, Diskussionsrunden mit Live-Schaltungen gibt es ab 13.30 Uhr bis circa 15.00 Uhr. Die Liste einst Geehrter weist gleichwohl viele weitere Hochkaräter auf wie Volker Bouffier, Louis Ferdinand von Preußen, Heinrich Windelen oder Karl Theodor zu Guttenberg – und zwar der ohne Bindestrich, also der Großvater des späteren Verteidigungsministers.

Volker Bandmann erhielt die zur Auszeichnung gehörige Urkunde von Oberbürgermeister Octavian Ursu, dem sie Stephan Rauhut, der aus Görlitz stammende Vorsitzende der Landsmannschaft – also der organisierten Schlesier, zugereicht hatte eher zufällig am 27. Mai. Der Drehtag, der bei der Ausstrahlung aus Hannover im Grunde ohne Bedeutung ist, löste in Volker Bandmann jedoch sofort Erinnerungen aus. Im Beisein von Weggefährten wie Künstler Andreas Neumann-Nochten oder Generalsuperintendent a. D. Martin Herche, der in Hannover die Predigt hält, sagte er spontan und ergriffen:

„Auf den Tag genau vor 29 Jahren wurde die sächsische Verfassung mit den schlesischen Elementen ausgefertigt. Im schlesischen Teil des Freistaates Sachsen können Fahne und Wappen geführt werden. Bis dahin waren die Schlesier immer diskriminiert worden. Auch die schlesische Kirche stand immer unter dem Druck der SED-Machthaber, die sich über Partei des Demokratischen Sozialismus zur Linken wandelte – es ist aber ein linker Etikettenschwindel, es sind nach wie vor die alten Kommunisten, die uns das Leben schwer machen. Ich kann es gar nicht oft genug sagen. Ich bin vor kurzem geimpft worden, da stand auf dem Zettel die Frage ‚Haben sie Allergien?’ Da habe ich gesagt: ‚Ja, zwei Allergien habe ich: die größte ist die Sozialismus-Allergie’. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde in Schlesien, in Kreisau, eine besondere Zusammenkunft organisiert. Nämlich gegen die braune Diktatur und später waren es auch Schlesier, die gegen die Sozialisten vorgegangen sind und mit der Solidarnosc den Grundstein gelegt haben, dass der Eiserne Vorhang zum Einsturz kam.“ Die Plauderei war OB Ursu dann doch nicht ganz geheuer: „Ich bin schon Bürgermeister aller Görlitzer“, murmelte er, aber – Glück gehabt – der 27. Mai als Aufhänger passte für die Filmaufzeichnung ja ohnehin nicht; der Zuschauer am 26. Juni bekommt es also wohl kürzer, knackiger und nicht so kontrovers präsentiert.

Auch bei Stephan Rauhut kamen indes Erinnerungen hoch: „Auf dem heutigen Platz der Friedlichen Revolution war ich 1990 Zeitzeuge als Jugendlicher. Ich habe dabeigestanden, als die Montagsdemonstrationen begannen und die Friedensgebete endeten. Ich durfte nicht selbst auf die Demonstrationen gehen, das hatte mir mein Vater verboten, aber ich habe dann immer am Rand gestanden mit dem Fahrrad, wo das alte Café Posteck war, und habe zugeguckt.“ Der Vorsitzende der Landsmannschaft ist besonders stolz, dass erstmals ein Grußwort beim Schlesiertreffen vom Marschall (Ministerpräsident) der Woiwodschaft Niederschlesien Cezary Przybylski stammen wird. Dieser bricht damit endgültig von ganz oben mit der alten Tradition in Polen, die organisierten Vertriebenen zu diskreditieren.

Die Arbeit an einem zeitgemäßen Image nach dem weitgehenden Aussterben der Erlebnisgeneration bildete übrigens auch den Aufhänger, wieso ein Filmteam um Marius Reichert, der insbesondere für den WDR arbeitet, Volker Bandmann am 27. Mai in Görlitz vor die Linse holte. Marius Reichert hat im Auftrag der Landsmannschaft den Imagefilm „360 Grad Schlesien“ erstellt. Gegenüber dem Niederschlesischen Kurier betont er: „Natürlich blieb das Filmteam nicht in Görlitz, schließlich will der Film Schlesien in all seinen Facetten zeigen.“ Gleichwohl kommen hier Waltraut Simon und Bäcker Michael Tschirch zu Wort, der, so Reichert, „als Typ einfach authentisch funktioniert“. Daneben drehte das Filmteam z.B. bei Elisabeth von Küster auf Schloss Lomnitz nahe Hirschberg (Jelenia Gora), bei der Trachtengruppe der deutschen Minderheit in Liegnitz (Legnica) oder bei Studenten in Breslau. „Man muss historisch, faktisch natürlich richtig bleiben und auch eine Ausgewogenheit darstellen, aber man muss als Filmemacher den Schritt zurückgehen, um zu sagen, was braucht die Öffentlichkeit, um den Kontext zu verstehen, wie tief kann ich ins Detail gehen, um die Leute nicht zu überfordern, wie sehr kann ich aber ins Detail gehen, um die, die sich auskennen, nicht zu unterfordern“, beschreibt er den Spagat für den Filmauftrag, der zunächst ebenfalls für Youtube bestimmt ist.

Dass die Landsmannschaft aber nicht allein medial im Heute ankommen will, beweist auch, dass Rauhut und das Filmteam von Tobias Schulz begleitet wurde. Der junge Mann wird das „Netzwerk Junges Schlesien“ aufbauen und natürlich hierzu auch noch seine Fühler in Görlitz ausstrecken. Immerhin haftet der Landsmannschaft noch der Makel an, dass der Bundesverband der „Schlesischen Jugend“ einst weit rechts abbog und man so die Verbindungen zur Bundesgruppe kappte, denen einzelne Landesgruppen jedoch nicht angehören.

Dass Schlesien nicht Vergangenheit, sondern auch in Deutschland weiterhin Gegenwart ist – das ist das große Verdienst Bandmanns. Er hatte beim ursprünglichen Verfassungsentwurf für Sachen die Formulierung „ehemaliges Schlesien“ zurückgewiesen. Und genau deswegen ist Schlesien bis heute nicht allein durch Fahnen präsent, sondern durch die Verfassung garantiert als ein fortbestehendes Stück Schlesiens – auch wenn dieses dem Freistaat angehört. Wenn das kein Schlesierschild wert sein soll ...?

Till Scholtz-Knobloch / 26.06.2021

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Kommentare zum Artikel "Der Schlesierschild 2021 geht an Volker Bandmann "

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Hanno Vogt, 77731 Willstätt schrieb am

    Eine Anfrage an alle Verantwortlichen:

    Wie sieht heute die Schulpolitik der Republik Polen in Schlesien aus ?

    Hat die deutsche Minderheit endlich eigene deutschsprachige Kindergärten und Grundschulen ?

    Das ist für mich der entscheidende Maßstab der künftigen deutsch-polnischen Beziehungen.

    Vogt

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