Der Schock sitzt tief: „Verabschieden Sie sich von Ihrem Mann!“
Der Weg mit dem Rettungswagen bleibt offen, aber die Umstände sind nicht mehr für jeden die gleichen. Foto: Matthias Wehnert
Die Debatte um ungeimpftes Personal in Medizin und Pflegeberufen schwelt auch mit Einführung der für sie gültigen berufsbezogenen Impfpflicht zum 15. März weiter. Ein Modus Vivendi im rein praktischen Umgang mit Corona bei der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung ist zudem nicht überall gefunden. Rita S. (Name von der Redaktion geändert) aus Rothenburg hat sich an die Redaktion gewandt, weil sie eine verstörende Erfahrung gemacht hat.
Rothenburg. „An einem Abend Anfang Dezember wählte meine Mutter den Notruf, weil es meinem Vater schlecht ging“, berichtet Rita S. dem Niederschlesischen Kurier. Der eintreffenden Bereitschaftsärztin habe ihr Vater berichtet, dass es ihm gewissermaßen noch ganz gut gehe.
„Entweder konnte er es nicht mehr realistisch einschätzen oder er hatte einfach Angst vor dem Krankenhaus“, meint seine Tochter und spekuliert: „Ich denke, es war wohl eine Mischung aus beidem.“ In jedem Falle ließ die Ärztin nach Untersuchung einen Krankenwagen kommen.
Die erste Frage des eingetroffenen Notarztes sei gewesen, ob ihr Vater geimpft sei. Nach Verneinung habe er Rita S. Mutter – also die Ehefrau des Patienten – angeblafft, ob sie denn geimpft wäre. Als auch sie verneinte, sei der Notarzt wütend und unverschämt geworden und habe taktlos bekräftigt: „Dann können Sie sich schon mal von ihrem Mann verabschieden! Und morgen, sage ich Ihnen, gehen Sie sich gefälligst impfen!“
Rita S. beklagt: „Dies ist nicht nur menschenverachtend, sondern verstößt vor allem gegen den Kodex ärztlicher Ethik. Mein Vater war schwach auf den Beinen, aber bei vollem Bewusstsein und auf dem Weg nach draußen bekam er all dies noch mit.“ Und die Tochter des kurz darauf Verstorbenen fragt: „Was macht das alles mit einem Menschen, wenn er so etwas hört? Kommt so eine Aussage in so einem Moment nicht schon einer Aufgabe des Patienten gleich und erfolgt gar keine wirkliche Notfallbehandlung mehr? Werden Alkoholiker und Rauschgiftsüchtige ebenso von diesem Notarzt behandelt? Vor allem: Ist es gerechtfertigt so eine Aussage zu treffen, wenn man den Patienten erst wenige Minuten kennt?“. Unabhängig der Einstellung zur Impfung an sich könnten letztlich auch persönliche Gründe relevant sein. „Oder vielleicht könnte es ebenso sein, dass man im Grunde genommen nie gegen das Impfen war, aber als sich im Freundes- und Bekanntenkreis Nebenwirkungen häuften, eine kritische Sicht einsetzte.“
Rita S. will dabei gar keinen gesellschaftlichen Streit über die Impfung führen, sondern versucht die Diskussion auf Mindeststandards des menschlichen Umgangs herunterzubrechen und sich in den Notarzt hineinzuversetzen: „Nun könnte man meinen, er handelte aus Stress. Dann muss aber auch die Überlegung erlaubt sein, ob er in diesem Job wirklich gut aufgehoben ist.“ Zu dieser Einschätzung habe sie neigen müssen, nachdem besagter Notarzt am nächsten Morgen in der Praxis des behandelnden Hausarztes anrief „und tatsächlich noch einmal nachfragte, wie es denn sein kann, dass der Patient nicht geimpft ist. Man könnte den Glauben an Ärzte, an Krankenhaus- und medizinisches Personal nach dieser Geschichte verlieren“, meint die Rothenburgerin. „Aber dann schickte uns das Leben andere Beispiele – Notärzte und Rettungsassistenten kurz nachdem ich wieder zu arbeiten begann und ein Kunde einen Schlaganfall in unserem Geschäft erlitt. Alle waren durchweg freundlich und routiniert in ihrem Tun. Das gleiche galt auch für eine andere Notaufnahme in der Familie.“ Nicht zuletzt habe es auch hilfsbereite und aufopferungsvolle Krankenschwestern und Pfleger gegeben, „die meinen Vater im Krankenhaus betreuten und von denen wir einige besonders ins Herz schlossen.“
Ihnen gilt Rita S.’ Dank, denn sie hätten sich „in diesem so furchtbar kaputtgesparten System die Hacken für meinen Vater wundgelaufen. Und wenn uns als Familie eines völlig egal war und ist, dann ist es die Frage, ob dieses Personal geimpft ist oder nicht.“ Wenn jedoch Hinterbliebene sich fragen müssten, ob wirklich alles Menschenmögliche getan wurde, um das Leben eines Ungeimpften zu retten, dann müssten Zweifel bleiben. Rita S. meint: „Wir leben mittlerweile in einem Land, in dem niemand aufgrund seiner Herkunft, seiner Religion oder auf Grund seiner Hautfarbe diskriminiert werden darf. Gut so! Aber aufgrund eines Impfstatus soll das möglich sein? Wo sind wir nur hingekommen?“
Rita S beteuert: „Ich kenne den Namen des Notarztes, weiß, in welchem Klinikum er arbeitet. Ich verzichte bewusst auf eine Anzeige bei der Ärztekammer wie auch auf eine offizielle Beschwerde bei seinem Arbeitgeber. Weil ich versuche Mensch zu sein.“
Kommentare zum Artikel "Der Schock sitzt tief: „Verabschieden Sie sich von Ihrem Mann!“"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Obwohl schon über ein Jahr her, ist das Thema "Beschwerde" besonders im Medizinischen Bereichs aktueller denn je.
Kommentar der Redaktion:In Deutschland hat sich eine Beschwerdekultur entwickelt, die Besorgiserrregend ist. Jeder der sich ungerecht Behandelt fühlt, sich Missverstanden glaubt oder schlicht seinen Willen nicht bekommt, wird durch einfachste Mittel und auf einfachstem wege seinen Frust los. Dazu bedient sich der Beschwerdeführer nicht selten den Lokalen Printmedien denn die sind bekanntlich sehr Dankbar über jede erdenkliche Story um Leser zu Akkumulatoren.
Dabei ist es ihnen völlig gleichgültig ob diese Beschwerde gerechtfertigt ist oder einfach nur eine Art "Rache" aus Frust ist. Mögliche Unanehmlichkeiten des Betroffenen sind dabei völlig gleichgültig. Auffallend ist, das sich die Beschwerden nahezu immer gleich gestalten.
Angefangen mit der Unfreundlichen Ansprache hier wurde die Dame " Angeblafft" über die Wütende Antwort hin zu unerhörten Aussagen im Beisein des Patienten der natürlich kurz darauf Verstorben ist. Weiter geht's mit der Vermutung, das dieser Notarzt seinem Beruf nicht gewachsen ist und natürlich der Vergleich mit wesentlich toller Erfahrungen aus anderen Situationen. Der Abschluss ist dann von dem Hinweis gekrönt, das man ja die Person kenne und wisse, wo sie arbeitet aber eine weitere Beschwerde nicht verfolgt, weil man ja im Grunde ein vernünftiger und objektiver Mensch sei der niemanden etwas Böses wolle aber anderen Patienten diese schreckliche Erfahrung ersparen wolle.
Vielleicht aber erspart sich die Dame auch einfach nur die Unannehmlichkeiten welche kommen könnten, wenn der Betroffene Arzt eine Stellungnahme über die Dinge aus seiner Sicht an die Ärztekammer oder dem Dienstherr auf die vorgetragene Beschwerde verfasst. Eine Zeitung fragt nicht, sie Druckt....
Sehr geehrter "Dienstleister", der Autor kann sich an die damalige Berichterstattung gut erinnern. Eine Melange aus berechtigtem Schutz des damaligen Dienstleisters, der ärztlichen Versorgung und ebenso der Angehörigen hat die Formulierungen entsprechend gesetzt.
Der Vorwurf mangelnder Recherche und Einordnung in die Verlotterung einer Beschwerdekultur ist schnell erhoben, doch auch Sie haben für sich in ihrem Vorwurf nicht Ihren Klarnamen gewählt.
Die Redaktion hat vor einem Jahr erst gefragt und dann gedruckt /veröffentlicht.