Die Bücherstube Schirgiswalde schlägt ein neues Kapitel auf
Ute Strohbach (rechts) freut sich, dass sie mit Anja Sorkalle eine gute Nachfolgerin für die Bücherstube gefunden hat. Foto: B. Vogt
Schirgiswalde.„Die Buchhandlung hat mich durchs Leben getragen“ sagt Ute Strohbach von der Bücherstube Schirgiswalde. Und so ist Sie jetzt vor allem eins: dankbar. Nicht nur, weil sie so viele Jahre, trotz Höhen und Tiefen, mit ihrer Buchhandlung durchgehalten hat, während ringsum viele schließen mussten. Sondern auch, weil sie nun, wenn sie im Februar 2023 in den wohlverdienten Ruhestand geht, ihr Lebenswerk nicht aufgeben muss, sondern es weitergeben kann. Das ist auch deswegen eine schöne Sache, weil es im nächsten Jahr ein besonderes Jubiläum in der Stadt gibt: denn dann gibt es bereits seit 100 Jahren einen stationären Buchhandel in Schirgiswalde.
Am 3. Dezember 1924 wurde eine Buchhandlung von Louise Swoboda auf der Sohlander Straße gegründet. Der Verkauf erfolgte damals aus der Wohnung heraus. In den zwanziger Jahren zog das Geschäft in die damalige Rosengasse, die heutige Hentschelgasse und später auf die Hauptstraße, wo das Geschäft bis zum Tod der Inhaberin im Jahre 1969 verblieb. Anfang der 1970-er Jahre gab es dann einen Neustart durch die Unionbücherstube unter dem Namen „Wort und Werk“. Diese Buchhandlungen gab es verteilt über das ganze Gebiet der DDR und waren durch die VOB Union ein Bestandteil des Unionverlages der Ost-CDU. Seit 1984 war auch Ute Strohbach in diesem Laden tätig. Als dann die Wende kam und parteieigene Verlage nicht mehr vorgesehen waren, wurde der Verlag für 4.000.000 DM am 7. Februar 1991 von der Frankfurter Allgemeine Zeitungs Verwaltungsgesellschaft aufgekauft. In den 1990-er Jahren wurde der Ostverlag von den neuen Besitzern immer mehr zurückgebaut, bis dann in der zweiten Hälfte der 90-er keine Bücher mehr erschienen und er 1999 auch aus dem Adressbuch des deutschen Buchhandels verschwand. Als dann mit dem Ende des Verlags auch die Kette „Wort und Werk“ zu ihrem Ende kam, musste auch in Schirgiswalde eine neue Lösung gefunden werden. Und so übernahm Ute Strohbach als ehemalige Leiterin die Buchhandlung. In den folgenden Jahren konnte sie damit nicht nur weiter ihren Traumberuf ausüben, sondern auch für Beständigkeit sorgen. Diese Kontinuität wird auch von den Kunden belohnt: „Viele Kunden kommen aus Tradition“ freut sich die Noch-Inhaberin.
Aber dadurch wuchs wohl auch immer mehr die Sorge, wie es denn weitergehen soll, wenn die Einzelkämpferin sich eines Tages zur Ruhe setzen wird. Vielleicht hatte sie sich innerlich schon etwas damit abgefunden, dass es nach ihr keine Buchhandlung mehr in Schirgiswalde geben soll. Aber dann stand sie plötzlich in der Tür und stellte sich vor: Anja Sorkalle. Die gebürtige Görlitzerin ist in ihrer Heimatstadt hinsichtlich Büchern auch keine Unbekannte. Denn obwohl sie schon seit einer geraumen Zeit in Sohland an der Spree wohnt, pendelt sie nach wie vor jeden Tag in die Neißestadt, wo sie die Filialleiterin der Comeniusbuchhandlung ist. Bis jetzt. Denn ab dem 1. März 2023 ist sie die neue Buchhändlerin von Schirgiswalde. Sie hatte gehört, dass Ute Strohbach eine Nachfolgerin sucht und ist einfach mal vorbeigefahren.
Jetzt freut sie sich über die Chance, etwas eigenes aufzubauen. Auch wenn sie jetzt schon von ihrer Kundschaft in Görlitz hört, dass einige sie vermissen werden, wie auch ihre dort ansässige Mutter sie dann wohl seltener zu Gesicht bekommt. Aber nicht nur der kurze Arbeitsweg, sondern auch die Freiheiten einer Selbstständigkeit überwiegen einfach. Besonders dankbar ist sie auch für die große Unterstützung, die sie vonseiten ihrer Familie erfährt.
Die christliche Ausrichtung der Buchhandlung soll auch unter der neuen Inhaberin erhalten bleiben. Einen Artikel will sie dabei noch ausbauen: den Herrnhuter Stern. Diesen gibt es jetzt schon, in der Weihnachtszeit wird er aber oft zum Mangelartikel. Ansonsten bleibt es bei dem breiten Sortiment, welches von Büchern, über Regionalartikel, Kalendern und Karten bis hin zu Devotionalien reicht.
Für die Schirgiswalder und alle anderen Kunden aus dem Oberland gibt es also die gute Nachricht, dass der Buchhandel weitergeht. Und es so im nächsten Jahr ein großes Jubiläum zu feiern gibt. Bis dahin ist aber noch reichlich zu tun. Im Januar und Februar wird die Buchhandlung zunächst einen Abverkauf durchführen, bis sich im März die Türen für einen Monat schließen werden. Am ersten April (kein Scherz) wird es dann die Neueröffnung geben. Dann kann Ute Strohbach getrost in den Ruhestand gehen. Und Anja Sorkalle wird ein neues Kapitel des Schirgiswalder Buchhandels aufschlagen.