Die Fahrschulen sind endlich zurück!
Für Fahrlehrer Enrico Lentföhr aus Görlitz und all seine Berufskollegen bricht in Zeiten der Corona-Pandemie ein neues Zeitalter an: Wer Fahrschüler ausbilden will, muss sich von seinen Kunden einen Negativtest vorzeigen lassen. Foto: TSK
Unter diesen Voraussetzungen ist die Theorieausbildung bei einer Fahrschule in Niedergurig wieder angelaufen. Foto: privat
Seit Wochenbeginn dürfen laut der neuen Corona-Schutzverordnung Fahrschulen wieder vollumfänglich öffnen. Bedingung ist jedoch unter anderem ein Hygienekonzept. Doch damit ist es nicht getan. Und genau das stellt die Unternehmen vor gewisse Herausforderungen.
Region. Es ist Schluss mit Warten. Tom aus Bautzen darf endlich zum Theorieunterricht antreten. Länger als gedacht musste sich der junge Mann in Geduld üben, doch nun will er schon bald die Prüfungen ablegen und den Autoführerschein sein Eigen nennen. Doch das Bild, was sich am Tag der Lockerungen vor ihm auftut, sieht alles andere als erstrebenswert aus. Die Fahrschüler sitzen mit gewissem Abstand im Unterrichtsraum, jeder von ihnen trägt einen Mund-Nasen-Schutz. Tische gibt es keine. Die Anzahl der Teilnehmer ist auf acht beschränkt. Aber das ist nicht das, was Tom Kopfschmerzen bereitet: „Noch zwei Tage zuvor, also bis Samstagabend, war unklar, ob ein Schüler einen Selbsttest vorlegen muss oder nicht“, erinnert er sich. „Bei uns kam schon eine gewisse Panik auf, inwieweit sich in der Kürze der Zeit ein solcher beschaffen lässt angesichts der chaotischen Versprechungen der Politik und der Realität vor Ort. Darüber hinaus war die Kostenfrage zunächst ungeklärt.“
Klaus-Peter Gössel von der gleichnamigen Fahrschule in Bischofswerda kann die Sorgen der Fahrschüler teilen. Sein Betrieb bezieht die Tests auf verschiedenen Wegen, was sich im ersten Moment durchaus als problematisch erweisen sollte, wie Birgit Gössel aus eigener Erfahrung weiß: „Über herkömmliche Apotheken gelangen wir an diese Tests nicht, da sich für Fahrschulen keine bestellen lassen. Diese Auskunft haben wir zumindest erhalten. Deshalb weichen wir auf das Internet aus oder versuchen, wie zu Beginn dieser Woche geschehen, unser Glück im Supermarkt. Doch selbst dort haben wir nur ein Paket mit fünf Tests erhalten, die wir nun unseren Lkw-Fahrschülern zur Verfügung stellen möchten. Sie sehen, wir sind momentan nur am Organisieren.“ „Das Problem ist, ausreichend Schnelltests zu haben, um alle Fahrschüler testen zu können“, unterstreicht Klaus-Peter Gössel. „Deshalb müssen die Fahrschüler das selbst organisieren. Wir unterstützen nur, wenn das nicht möglich ist. In dem Zusammenhang bieten wir an, die Schnelltests vor Beginn der Fahrstunde durchzuführen. Dazu haben wir uns zum Tester ausbilden lassen und halten die notwendige Ausrüstung vor.“ Und er fügt hinzu: „Die Kosten der Schnelltests, die wir durchführen an unseren Kunden, müssen diese tragen.“ Denn, so habe es der Gesetzgeber festgelegt: „Keiner darf ohne Corona-Schnell- oder Selbsttest fahren.“ Inwieweit sich das wiederum auf die Fahrstundenpreise auswirkt, bleibt vorerst abzuwarten. „Wir beobachten die Entwicklung. Wenn es sich erforderlich macht, müssen wir unsere Preise leider anpassen.“
Indes nimmt das Sächsische Sozialministerium an, dass ab dem 15. März die notwendige Anzahl von Tests durch den Markt zur Verfügung gestellt werden kann. Die Staatsregierung selbst sei allerdings in die Beschaffungsprozesse nicht eingebunden, wie ein Sprecher auf Anfrage wissen lässt. Die Qualität eines Testergebnisses hänge in besonderer Weise von der Sorgfalt der Anwendung ab. Das sei wiederum durch die Nutzer sicherzustellen.
Unternehmer wünschen sich ein Einlenken der Politik
Sebastian Bertram, Inhaber einer Fahrschule in Bautzen, kann die jüngsten Reglungen durchaus nachvollziehen. Jedoch kritisiert er die Art der Umsetzung: „Wie immer in dieser Corona-Pandemie hat man leider keine Vorbereitungszeit bekommen. Freitag wurde beschlossen, Samstag die Verordnung veröffentlicht und am Montag soll alles funktionieren.“ Doch er betont auch: „Wir setzen natürlich diese Vorgaben um, da es um die Gesundheit aller geht.“ Was die Kostenentwicklung, die mit den Selbsttests einhergeht, anbelangt, zeigt er sich hingegen gelassen. Die schätzt der Unternehmer als gering ein, „da sich der Kunde um die Testung kümmern muss“. Das Ergebnis habe tagesaktuell zu sein. Fahrschüler würden mit ihrer Unterschrift rechtsverbindlich erklären, dass sie negativ getestet wurden. Sebastian Bertram zeigt sich froh darüber, dass er nun endlich wieder seinem Job als Fahrlehrer nachgehen kann. Noch vor Kurzem bestimmte sein Leben ein quälendes Bangen. Ständig sah er sich mit der Frage konfrontiert, wie lange sich die von oben verordnete Zwangspause finanziell durchhalten lässt. Er ist einer von vielen, die bis jetzt keine Hilfen bekamen. „Ich wünsche mir von der Politik mehr Unterstützung der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Vor allem wenn man auch Angestellte hat“, meint der Spreestädter. Zugleich stellt er klar: „Es ist gut, dass es das Kurzarbeitergeld gab. Aber was ist mit mir als Unternehmer?“
Klaus-Peter Gössel kann das nur unterstreichen. Auch der Schiebocker hofft noch immer auf die von Berlin in Aussicht gestellte finanzielle Unterstützung. „Hilfen haben wir bis jetzt noch keine erhalten“, erklärt er. „Von der Politik wünschen wir uns, dass, wenn Lockdowns erforderlich sind, vorher untersucht wird, in welchen Bereichen es sinnvoll ist und nicht mit der Sense alles abgemäht wird. Die vergangenen Wochen und Monate waren erdrückend ohne Arbeit. Hinzu kam, dass die Einnahmen weggebrochen, die Ausgaben aber weitergelaufen sind. Vor allem aber haben wir keinen Grund für die Schließung der Fahrschulen gesehen. Sie hatten und haben ein Hygienekonzept, das konsequent umgesetzt wurde und wird. Uns ist keine Fahrschule bekannt, durch die Corona verbreitet wurde. Wir haben eine Perspektive von der Politik erwartet, wie es weitergeht. Stattdessen gab es immer wieder nur Vertröstungen bis zur nächsten Ministerrunde.“
Nachdem nun aber der Druck auf die Bundesregierung und die Länderchefs, ein Stück weit Normalität im Lande wieder herzustellen, ein gewisses Maß erreicht hat, sehen sich die Entscheidungsträger offenbar dazu gezwungen, Hals über Kopf Lösungen herbeizuführen, wie die Geschäftswelt zu reagieren hat. „Das was wir wissen ist, dass wir fortan verpflichtet sind, uns einmal wöchentlich testen zu lassen. Die Rede war von kostenlosen Tests. Wir werden, so denke ich, noch erfahren, wo das dann stattfinden soll. Mehr weiß ich noch nicht“, erklärt am Dienstag ein noch sichtlich im Dunkeln tappender Enrico Lentföhr, der seine Fahrschule am Südausgang des Görlitzer Bahnhofs betreibt. Wie sich der neuen Corona-Schutzverordnung entnehmen lässt, sollen die Tests ab dem 15. März verbindlich sein. Der Neißestädter ist sich dabei noch nicht einmal sicher, ob diese auch den Fahrschülern abverlangt werden. „So habe ich das aber erst einmal verstanden“, meint er. Doch ob die Tests kostenlos sein werden, sei ohnehin nur eine untergeordnete Facette der ganzen Problematik. Er habe die Entwicklungen um Begründungen der Corona-Maßnahmen schon lange mit Unverständnis verfolgt und führt aus: „Ich bin der Meinung, dass mit diesen Tests, die jetzt regelrecht erzwungen werden, die positiven Tests in die Höhe schießen werden, vermutlich auch sollen. Es riecht geradezu danach, dass man mit hohen Zahlen dann im Grunde nur wieder neue Begründungen schaffen möchte, um die derzeitige Strategie fortzusetzen.“
Dem widerspricht eine Sprecherin des Bautzener Landratsamtes vehement: „Die Annahme, dass Behörden bewusst mehr testen, um die Inzidenz in die Höhe zu treiben, entbehrt jeglicher Grundlage. Das Gegenteil ist der Fall. Entdecken wir Fälle schnell, können wir Infektionsherde eindämmen und einen Anstieg der Fallzahlen verhindern, der am Ende zu verschärften Maßnahmen führen würde. Diesem Prinzip folgt auch die Strategie des Freistaates.“ Der zieht künftig bei einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner die Notbremse. An dieser „roten Linie“ mache er Lockerungen und Schulöffnungen fest.
Auch wenn sich zur Wochenmitte vor allem im Landkreis Bautzen schon wieder eine Verschärfung der Lage abzeichnete, da dort die Zahlen erneut gestiegen sind, will Tom sich nicht beirren lassen. Er freut sich darauf, hoffentlich schon bald seinen Führerschein einstecken zu können. Und auch sein Fahrlehrer hat einen großen Wunsch: Wie seine Berufskollegen möchte er den Normalzustand zurück.