„Die fetten Jahre in Bautzen sind vorbei“
Bautzens Finanzbürgermeister Robert Böhmer kann in schwierigen Zeiten einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Vom Stadtrat gab es dafür jüngst grünes Licht. Pressefoto
Der Bautzener Stadtrat hat jetzt eine gewichtige Entscheidung getroffen. In Zeiten von Corona und fehlenden Einnahmen war ein ehrgeiziger Haushaltsplan zu verabschieden. Damit dieser in Kraft treten kann, muss das Landratsamt noch sein Okay geben. Im Oberlausitzer Kurier spricht Finanzbürgermeister Robert Böhmer darüber, was der Etat für die Spreestadt bedeutet und welche Investitionen dennoch angeschoben werden sollen.
Herr Dr. Böhmer, wie haben Sie die Entscheidung des Stadtrates zum Haushalt aufgenommen?
Robert Böhmer: Ein Haushaltsplan ist eine komplexe Angelegenheit. Seit Monaten arbeitete die Verwaltung daran, ihre Ziele in Zahlen zu fassen und die Stadt voranzubringen. Selten war dieser Prozess so schwierig, wie in der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Gesamtsituation. Wie Sie wissen, mussten wir trotz vieler Sparbemühungen ein Loch von dreieinhalb Millionen Euro stopfen. Hätten wir in den zurückliegenden Jahren nicht solide gewirtschaftet, wäre uns das wohl kaum gelungen. Städten wie Pirna, Bischofswerda oder Zittau ist das nicht geglückt. Also ja, ich freue mich über den Beschluss und bei nur drei Gegenstimmen ist die Tatsache durchaus eine Erfolgsmeldung wert. Immerhin haben die Stadträte über einen gewaltigen Investitionsplan von etwa 45 Millionen Euro entschieden.
Bei der Abstimmung haben sich aber auch elf Stadträte enthalten.
Robert Böhmer: Das stimmt. Die Gründe lagen aber an anderen Stellen, so zum Beispiel bei der Entscheidung, die Planungen zur Spreequerung zwischen Protschenberg und Ortenburg weiter voranzutreiben. Der Oberbürgermeister und die Mehrheit des Stadtrates haben sich bisher eindeutig zur Brücke bekannt. In einer Zeit, in der die finanziellen Spielräume geringer werden, wird dieses Bekenntnis aber auf die Probe gestellt.
Dreieinhalb Millionen Euro aus der sogenannten Rücklage sind eine Menge Geld. Wird die vorhandene Reserve in der Haushaltsplanung auch künftig eine Rolle spielen können?
Robert Böhmer: Fakt ist: Die fetten Jahre sind vorbei. Ich sehe seit einiger Zeit die wirtschaftliche Entwicklung in und um Deutschland aus einem sehr kritischen Blickwinkel. Dazu kommt, dass es vor allem die Kommunen sein werden, die die Lasten der derzeitigen Coronapolitik tragen müssen. Leider steht im Keller des Bautzener Rathauses keine Gelddruckmaschine, wie es in Berlin und Brüssel der Fall zu sein scheint. Und leider sind auch die Ersparnisse der Stadt Bautzen endlich. Ein „höher, schneller, weiter“ wird es absehbar nicht mehr geben. Und wir werden auch den einen oder anderen „Weißen Ritter“ im Zaume halten müssen, der gern Wunschträume erfüllen würde. Solange die Stadt weniger Steuern, Beiträge und Landesmittel einnimmt als Aufgaben zu finanzieren sind, müssen wir uns strikt auf die unmittelbaren Herausforderungen konzentrieren.
Haben sich nun auch die Bürger auf Einschnitte gefasst zu machen? Soziale Träger mussten offensichtlich schon mit dem aktuellen Haushalt ihre Projekte kürzen. Darüber hinaus steht demnächst die Diskussion um neue Elternbeiträge für die Kinderbetreuung an.
Robert Böhmer: Es ist klar und verständlich, dass die anscheinenden Einsparungen in den sozialen Bereichen für Aufregung sorgen. Fest steht aber, dass sowohl die soziale als auch die Kinder- und Jugendarbeit in Bautzen noch immer auf einem sehr hohen Niveau freiwillig geleistet werden. Darum sind wir auch offensiv auf alle freien Träger zugegangen, um für alle erträgliche Lösungen zu finden, so unter anderem über Finanzierungen aus Mitteln der städtischen Stiftungen. Diese Stiftungen wurden von unseren Vorvätern eigens für soziale Projekte angelegt. In der Öffentlichkeit diskutiert und mit gefährlichem Halbwissen angefüttert bot die Debatte aber einen Nährboden zur Spaltung der Gesellschaft. Aus meiner Sicht ist das der falsche Weg. Die Stadt musste und muss in allen Bereichen sparsam sein. Im sozialen Bereich, beim Personal, im Bau, bei den Investitionen – alle Vorhaben kamen auf den Prüfstand. Wir mussten Mittel kürzen, Investitionen verschieben und an einigen Stellen sogar komplett verzichten. Niemand darf die Augen davor verschließen, dass die Kommune die finanzielle Last der kommenden Jahre nicht ausschließlich aus Steuergeldern finanzieren kann. Wir werden über Beiträge und Gebühren sprechen müssen. Die Elternbeiträge können jedoch nicht dazu verwendet werden, Löcher im Haushalt zu stopfen. Sie werden auf Wunsch des Stadtrates jedes Jahr neu auf Grundlage der Betriebskosten des Vorjahres erhoben. Den Großteil dieser Kosten macht das Personal aus. Das Gesetz gibt einen bestimmten Betreuungsschlüssel vor und für uns ist es selbstverständlich, dass das eigene und das Personal der freien Träger gerecht bezahlt wird.
Zurück zum aktuellen Haushalt. Können Sie uns einige wichtige inhaltliche Punkte benennen?
Robert Böhmer: Der aktuelle Haushaltsplan sieht Ausgaben in Höhe von 87,2 Millionen Euro vor. Allein für die Finanzierung der Kinderbetreuung in städtischen und Einrichtungen freier Träger gibt die Stadt 21 Millionen Euro aus. Für die Sanierung beispielsweise der Albert-Schweitzer-/Adolph-Kolping-Straße, des Karl-Thomas-Weges, der Stützmauer Fischergasse/Neutor und der Treppenanlage am Ortenburghang sind 3,5 Millionen Euro geplant. In den Hochwasserschutz fließen 2,9 Millionen und in die Digitalisierung der städtischen Gymnasien 882.000 Euro. Mit 700.000 Euro wird die Sanierung der Kita „Friedrich Schiller“ vorbereitet und mit 650.000 Euro das Stadtteilzentrum an der Dr.-S.-Allende-Oberschule. Bis 2024 plant die Stadt 43,5 Millionen Euro für Großprojekte ein. Die sind aber ohne Fördergelder vom Land und vom Bund nicht umsetzbar. Aktuell hofft Bautzen auf Mittel aus dem Strukturwandelfonds. Auf diese Weise ließe sich ab 2021 die Sanierung der Kita „Friedrich Schiller“ planen. Auch der Bau eines Stadtteilzentrums mit Sporthalle an der Allende-Oberschule könnte vorbereitet und in Salzenforst ein neues Gebäude für die Feuerwehr gebaut werden. Im Jahr darauf ließe sich die lang ersehnte Drei-Feld-Sporthalle im Sportzentrum Müllerwiese auf den Weg bringen. Erste Gewissheit zu den Strukturmitteln gibt es aber nicht vor September 2021.
Welche Dinge hätten Sie gern darüber hinaus verwirklicht gesehen?
Robert Böhmer: Wenn ich einen Wunsch hätte, dann natürlich zuerst den, dass die Geschäfte wieder normal öffnen können und sich nicht Babynahrung ins Regal stellen müssen, um Sportschuhe unters Volk zu bringen. Dass die Unternehmen wieder richtig loslegen und die Kinder ordentlich beschult werden und glücklich im Verein ihre Freunde treffen dürfen. Haushaltspolitisch könnte ich Ihnen darüber hinaus sicherlich eine lange Liste vorlegen. Das ist aber eigentlich nicht die Frage. Ich bin als Bürgermeister für die Finanzen zuständig. Ich muss dafür sorgen, dass Steuergelder sparsam, verantwortungsvoll und zukunftsorientiert eingesetzt werden. Es ist nicht das private Geld der Lokalpolitiker, das hier verteilt wird, sondern das Steuergeld aller Bürger. Und die Stadt muss auch noch in fünf Jahren, aber erst recht für künftige Generationen, handlungsfähig bleiben. Darum ist gewissermaßen schon ein Wunsch in Erfüllung gegangen. In der Sitzung des Stadtrates fand nämlich ein Antrag der FDP-Fraktion eine Mehrheit, in dem der Stadtverwaltung ein Konsolidierungsauftrag erteilt wurde. Demnach soll der Haushalt durch mehr Einnahmen gefestigt werden. Die Mehrheit der Stadträte hat also erkannt, dass eine solide Haushaltsführung kein Selbstläufer ist.