„Die Krise mit Herz und Verstand gemeinsam durchstehen“
Wer in Zeiten von Corona vor die Tür möchte, braucht einen triftigen Grund. Dazu zählt unter anderem der Einkauf in einem Lebensmittelmarkt. Foto: Symbolbild/NGG
Aufgrund der Schulschließungen infolge der Viren-Krise kann die 48-jährige Katja Gerhardi aus Bautzen ihrer Tätigkeit als Gymnasiallehrerin nur eingeschränkt nachgehen. In der Zeit, die ihr zur Verfügung steht, engagiert sie sich ehrenamtlich für einen guten Zweck. Foto: Norman Paeth
Die Corona-Krise hält auch die Menschen in der Oberlausitz weiterhin in Atem. Zuletzt stiegen die Fallzahlen weiter an. Inzwischen sind auch hierzulande mehrere Todesopfer zu beklagen. Vor diesem Hintergrund und wegen eines Erlasses der Staatsregierung dürfen viele ihre eigenen vier Wände nicht mehr dauerhaft verlassen oder weil sie aufgrund einer Infektion mit dem neuartigen Virus unter Quarantäne gestellt wurden. Alles-Lausitz.de hat sich mit einigen Bautzenern über ihre Situation in diesen schwierigen Zeiten unterhalten. Auf diese Weise gab uns Gymnasiallehrerin und Stadträtin Katja Gerhardi einen Einblick in ihren ganz persönlichen Corona-Alltag.
Wie gehen Sie mit der Situation um und welche Schwierigkeiten gibt es zu meistern?
Katja Gerhardi: Die Auswirkungen der Corona-Epidemie sind sehr weitreichend und machen auch vor meiner Familie nicht halt. In erster Linie mache ich mir Gedanken um meine Eltern, die beide zur Risikogruppe zählen und 500 Kilometer entfernt wohnen. Diese Sorge um die älteren und chronisch erkrankten Mitbürger teile ich mit vielen Familien. Ich arbeite derzeit im Homeoffice und habe gleichzeitig drei Kinder zu Hause zu betreuen. Auch das ist eine Herausforderung, der sich viele Familien im Augenblick zu stellen haben. Aus meinem Bekannten- und Freundeskreis kenne ich die teilweise massiven Existenzsorgen von Inhabern und Mitarbeitern von Geschäften und Unternehmen. Ich sehe auch, wie Menschen in ganz unterschiedlichen Bereichen an der Leistungsgrenze arbeiten - aus Verantwortung für die Allgemeinheit. Ihnen gilt unser Dank und Respekt!
Wie behelfen Sie sich in der Situation und auf welche Hilfe können Sie bauen?
Katja Gerhardi: Eigentlich kann und möchte ich diejenige sein, die Hilfe anbietet. So habe ich zum Beispiel meine Unterstützung bei der gemeinsamen Aktion der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde Sankt Petri angeboten und zusammen mit Monika Vetter im Internet eine Spenden- und Gutscheinkampagne für hiesige Händler auf betterplace.me ins Leben gerufen. Dank der Initiative einiger Lehrer und Schüler konnte eine Idee, die ich der Presse entnahm, nämlich Briefe an Bewohner von Seniorenheimen zu schreiben, umgesetzt werden. Als kleines positives Zeichen wäre es auch schön, wenn die bundesweite Kindermutmachaktion „Regenbogen gegen Corona“ demnächst in Bautzen Verbreitung fände.
Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie?
Katja Gerhardi: Ich denke, dass die Menschen ihr Leben in den nächsten Wochen zum Teil neu ordnen und strukturieren müssen. Es wird ein Umdenken in der persönlichen Setzung von Prioritäten erfolgen müssen. Wir werden uns Gedanken machen müssen im Hinblick auf die Gestaltung unserer Beziehungen zu anderen Menschen. Wir werden zu Entscheidungen zwischen individuellem Bedürfnis und Rücksichtnahme herausgefordert. Wir müssen lernen, Unsicherheit und die Beschneidung unserer persönlichen Freiheiten auszuhalten. Unsere Wohlstandsgesellschaft muss ein Stück Verzicht üben. Das wird sicher ein anstrengender Lernprozess, der aber auch die Chance einer Besinnung birgt. Ich rechne aber auch mit der Kraft des menschlichen Verstandes, unserer Anpassungsfähigkeit und der Flexibilität, neue Wege zu denken und auch zu gehen. Dabei entstehen sicherlich Visionen die helfen, diese Krise zu bewältigen.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Wochen, die ohne Frage nicht leicht werden?
Katja Gerhardi: Natürlich wünsche ich mir, dass die Ausbreitung des Virus schnell eingedämmt werden kann und unser Gesundheitssystem den Herausforderungen standhält. Für Bautzen wünsche ich mir hingegen, dass sich alle wichtigen Entscheidungen die anstehen, trotz gestiegener Anforderungen einerseits und massiver Einschränkungen von Arbeitsprozessen andererseits treffen lassen. Nicht alles kann reibungslos und wie gewohnt ablaufen. Dafür hoffe ich auf Verständnis. Diese Situation ist für alle neu und es gibt keine Erfahrungswerte, auf die man sich beziehen kann. Den Entscheidungsträgern, auf deren Schultern eine immense Last der Verantwortung ruht, wünsche ich Kraft und Besonnenheit. Darüber hinaus erhoffe ich mir gelebte Nächstenliebe und einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander. Ich persönlich glaube, dass die Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun sowie die Rücksichtnahme auf andere die größte Hilfe ist. Möge man die sachlich fundierten Hinweise unserer Experten ernst nehmen und ihnen Folge leisten. Ich hoffe sehr, dass diese Krisenzeiten dazu führen, dass Egoismen nicht ausgelebt werden, sondern die Menschen Solidarität zeigen und zusammenrücken.
Wie werden sich aus Ihrer Sicht Bautzen und die Region nach der überstandenen Krise verändern und warum?
Katja Gerhardi: Eine solche bisher nie dagewesene Pandemie führt uns wie im Brennglas Stärken und Schwächen unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems vor Augen. Ich denke schon, dass wir uns grundsätzlich alle - im Kleinen wie im Großen - ehrlich der Frage zu stellen haben, was uns wirklich wichtig ist und welche Dinge wir künftig vielleicht verändern müssen. Als Stichpunkte nenne ich an dieser Stelle nur einmal die Privatisierung des Gesundheitssystems, die wirtschaftliche Abhängigkeiten oder die Digitalisierung. Ich hoffe, dass unser Stadtbild weiter lebendig ist und Händler und Unternehmer schnell Hilfe bekommen. Für Bautzen konkret verändert sich die Sicht auf unsere oft als gespalten beschriebene Stadtgesellschaft vielleicht dahingehend, dass wir sagen können: Diese Krise haben wir gemeinsam gut durchgestanden. Mit Herz und Verstand. Das wäre doch etwas sehr Schönes.