Die Nachwehen des Breitbandausbaus
Im Herbst 2018 erfolgte in Schmochtitz der Auftakt für das mit Abstand größte Infrastrukturprojekt des Landkreises Bautzen. Dieses steht inzwischen beim Bund der Steuerzahler in der Kritik. Foto: Archiv
Der Bund der Steuerzahler spricht von Fehlplanungen beim Breitbandausbau im Landkreis Bautzen. Demnächst will sich eine TV-Sendung dem Thema widmen. Während des Drehs im Februar sollte auch die Kreisverwaltung zu Wort kommen. Doch die habe abgelehnt, so der Bund der Steuerzahler. Der Oberlausitzer Kurier hakte bei der Beigeordneten des Landrates, Birgit Weber, noch einmal zum Thema nach.
Der Bund der Steuerzahler hatte unter anderem bemängelt, dass im nachträglich in Angriff genommenen Cluster 10 die Anschlüsse viel teurer in der Umsetzung werden als bei den vorangegangenen Clustern 1 bis 9 und dies auf den Einsatz von veraltetem und ungenauem Kartenmaterial zurückgeführt. Was ist nicht schlüssig an der Argumentation des Bundes der Steuerzahler?
Birgit Weber: Der Landkreis hat zu jedem Zeitpunkt die jeweils zur Verfügung stehenden Unterlagen bestmöglich aufbereitet. Bei den im Laufe des Verfahrens erkannten Abweichungen wurde abgewogen, inwieweit und ob überhaupt diese in die bestehenden Projekte integriert werden konnten. Nach Rücksprache mit den Fördermittelgebern war eine nachträgliche Integration nicht möglich. Der Landkreis Bautzen hat im Sinne der 60.000 betroffenen Haushalte entschieden, die bereits laufenden Verfahren nicht zu stoppen, da weder die Verhältnismäßigkeit gegeben noch das zu erwartende vergaberechtliche Risiko abschätzbar war. Die höheren Kosten für das Cluster 10 (2020) im Verhältnis zum Cluster 1 bis 9 (2016) haben ihre Ursache nicht in der Anzahl der Adressen, sondern darin, dass weitere Anschlüsse etwa für Schulen und Bildungseinrichtungen sowie Unternehmen in Gewerbegebieten gefördert werden konnten. Darüber hinaus wurden Adressen berücksichtigt, bei denen ursprünglich gemachte Zusagen von Telekommunikationsanbietern nicht eingehalten wurden.
Woraus resultieren im Vergleich der Cluster 1 bis 9 und des Clusters 10 die vom Bund der Steuerzahler benannten, unterschiedlichen Anschlusskosten?
Birgit Weber: Die steigende Anzahl von Breitband-Ausbauprojekten führte dazu, dass die am Markt verfügbaren Kapazitäten – vor allem im Bereich Tiefbau – deutlich knapper wurden.
In der Folge mussten die Bieter in den Ausschreibungsverfahren deutlich höre Kosten einkalkulieren. So lagen die durchschnittlichen Kosten pro Anschluss in vergleichbaren sächsischen Projekten, die circa ein Jahr später in die Ausschreibung gingen als im Landkreis Bautzen, ungefähr drei- bis fünfmal höher als im Durchschnitt der Cluster 1 bis 9.
Welche Adressen beziehungsweise Anschlüsse sind in Cluster 10 zusammengefasst und warum wurden diese nicht schon in den vorangegangenen Ausbaustufen berücksichtigt?
Birgit Weber: Die im Jahr 2019 gegebenen Förderbedingungen ermöglichten den Anschluss von Adressen, die 2016 noch als nicht förderfähig einzustufen waren. Das betrifft besonders Schulen und Bildungseinrichtungen sowie Unternehmen in Gewerbegebieten, für die eine individuelle Aufgreifschwelle festgelegt wurde, die es im Jahr 2016 noch nicht gab. Zusätzlich wurden im Cluster 10 Adressen berücksichtigt, die im Jahr 2016 als versorgt einzustufen waren, da hier von verschiedenen Telekommunikationsanbietern Meldungen vorlagen, die einen Ausbau ohne den Einsatz von Fördermitteln vorsahen. Da diese nicht innerhalb der vorgegebenen Frist von drei Jahren realisiert wurden, sind diese Adressen im Jahr 2019 wieder als unterversorgt und somit förderfähig anerkannt worden. 297 Adressen sind von den im Laufe des Verfahrens in Cluster 1 bis 9 erkannten Abweichungen betroffen. Bezogen auf die im Jahr 2016 in der Bedarfs- und Verfügbarkeitsanalyse untersuchten 85.500 Adressen entspricht das einem Anteil von circa 0,35 Prozent. Zum damaligen Zeitpunkt durften Förderanträge nicht kontinuierlich, sondern nur zu den vom Bund vorgegebenen Zeitpunkten – sogenannten Calls – eingereicht werden.
Wie hat sich beispielsweise die Situation in der Gemeinde Steinigtwolmsdorf verhalten? Medien berichteten darüber, dass auch eine Wochenendsiedlung in Ringenhain ans Netz angedockt werden sollte, obwohl ein dauerhaftes Wohnen dort gar nicht zulässig sei.
Birgit Weber: Eine Voraussetzung für die Förderung ist, dass es sich um ein Wohn- oder Geschäftshaus mit einer Adresse handelt. Die aktuelle Nutzung ist dabei unerheblich. Für die benannte Wochenendsiedlung gibt es einen bestätigten Bebauungsplan, der neben der Stromversorgung unter anderem auch die Versorgung mit Telefon regelt. Dazu muss ich anmerken, dass es bereits Hausnummern und auch Telefonanschlüsse dort gab.
Warum hat der Landkreis zu Monatsbeginn den Bund der Steuerzahler zu einer Richtigstellung aufgefordert, wenn doch bereits zuvor im vergangenen Jahr Medien von mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten in der Gemeinde Steinigt-wolmsdorf berichteten?
Birgit Weber: Wir haben mehrfach versucht, mit dem Bund der Steuerzahler hinsichtlich einer fachlichen Auswertung in Kontakt zu treten, da wir die Kritik im Schwarzbuch ungerechtfertigt finden. Wir haben keine Gesprächsbereitschaft erfahren, deshalb erfolgte schließlich die öffentliche Forderung zur Richtigstellung.
Der Bund der Steuerzahler beteuerte uns gegenüber jedoch, er habe sich der Gespräche nicht verweigert. Dass diese nicht zustande kamen, begründete der Landesverband unter anderem mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Doch kehren wir noch einmal zurück zum Thema Breitbandausbau. Inwieweit hätte man die gesamte Problematik anders lösen können?
Birgit Weber: Das Förderverfahren musste in einem sehr engen Zeitrahmen auf den Weg gebracht werden, da die Mittelvergabe durch Bund und Land nach dem sogenannten Windhundprinzip erfolgte. Es war ungewiss, ob und gegebenenfalls wie lange die zur Verfügung gestellten Mittel für einen Ausbau der Breitbandinfrastruktur, welcher im Kontext der Förderung an die gesamte Bundesrepublik Deutschland adressiert war, ausreichen würden. 2016 mussten die Fördermittel in einem befristeten Zeitraum aufgebraucht werden, das bedeutet entsprechende Ausbauprojekte waren bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen. Ob eine Übertragung von Mitteln über den Stichtag hinaus oder eine Verlängerung der Projektumsetzungszeiträume genehmigungsfähig wäre, konnte zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2016 durch keine Stelle klar beantwortet werden.
Wie wird in der Angelegenheit weiter verfahren und welche Konsequenzen werden möglicherweise im Landratsamt gezogen?
Birgit Weber: Mit der Umsetzung von Cluster 10 erfolgt für den Landkreis Bautzen ein weiterer wichtiger Schritt bezüglich der Versorgung mit zukunftsfähigen Breitbandanschlüssen. Im Ergebnis können wir dann unseren Bürgerinnen und Bürgern aber auch unseren Schulen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen durchweg hochwertige Internetanschlüsse verfügbar machen. Auch wenn nicht jeder in den Genuss eines glasfaserbasierten Anschlusses kommen kann, werden doch die aktuellen Standards und Anforderungen erfüllt. Damit hat der Landkreis Bautzen einen Standortvorteil und vor allem einen großen Vorsprung gegenüber anderen Regionen. Die Konsequenz ist, dass der Landkreis Bautzen seinen eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgt und in Zukunft für alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Voraussetzungen erreichen möchte.
Inwieweit wird es eventuell ein Cluster 11 im Landkreis geben?
Birgit Weber: Ob nach Abschluss der aktuell laufenden Projekte weitere Breitbandausbauprojekte umgesetzt werden und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So bedarf es für die aktuell durch den Bund förderfähigen „grauen Flecken“ zunächst einer sächsischen Richtlinie. Die Anforderungen aus diesen Richtlinien bedürfen einer gemeinsamen Abstimmung mit den Städten und Gemeinden. Erst danach kann über mögliche neue Projekte entschieden werden.