„Diesen konservativen Flügel hat die CDU geschreddert“
Jan Fleischhauer nimmt in Kosel sicher auch vor dem CDU-Anhang kein Blatt vor den Mund. Foto: Markus Hurek
„Unsere Welt ist schnell und hat scheinbar verlernt beständig zu sein. Extreme stehen im Fokus. Doch welche Werte tragen unsere Gesellschaft? Was heißt heute eigentlich „konservativ“?“, fragt der neue Kreisvorsitzende des CDU-Nachwuchses (JU) im Landkreis Görlitz Clemens Kuche. Ein echter Star am Himmel der Politkolumnisten, Jan Fleischhauer, soll diese Frage in Kürze beantworten.
Kosel. „115 Millionen Euro gibt die Regierung pro Jahr für den Kampf gegen rechts aus. Trotzdem wächst laufend die Zahl der Nazis. Was heißt: Entweder braucht’s noch mehr Geld. Oder die Programme dienen vor allem der Beschäftigung arbeitsloser Politologen“, ist aktuell auf der Seite von Jan Fleischhauer zu lesen, der nach 30 Jahren beim Spiegel als konservativer Redaktionsexot mit seiner millionenfach geklickten Videokolumne „Schwarzer Kanal“ letztlich 2019 doch zum Focus wechselte. Der „Windmacher fürs Kleinbürgertum“ (taz) ist am 20. März um 18.30 Uhr zum traditionellen Heringsessen in der Fastenzeit in der Sweet Water Station, Krebaer Str. 9, in Niesky-Kosel vom Ring Politischer Jugend Sachsen e.V. in Kooperation mit der Jungen Union Sachsen und Niederschlesien und der Jungen Union Görlitz eingeladen zum Thema „Was heißt heute eigentlich konservativ?“ zu sprechen. Vorausgesetzt, die aktuelle Coronasituation schließt eine entsprechende öffentliche Veranstaltung nicht aus. Verbindliche Anmeldungen werden bis 16. März per E-Mail an info@ju-goerlitz.de, bei facebook oder telefonisch unter 03581/406463 entgegengenommen. Vorab hatte Till Scholtz-Knobloch die Gelegenheit, Jan Fleischhauer zu seinem Besuch in der Niederschlesischen Oberlausitz zu befragen.
Sie wohnen im fetten Münchener Speckgürtel in Pullach. Ein Besuch in der Oberlausitz, ein nach den jüngsten Wahlergebnissen quasi kontaminiert wahrgenommenes Gebiet, ist auch für Sie ein echtes Kontrastprogramm?
Jan Fleischhauer: Mir war es gar nicht bewusst, dass in ein politische kontaminiertes Gebiet komme. Ich reise viel durch Deutschland und nehme es wie es kommt.
In Ihrer Focus-Videokolumne „Der Schwarze Kanal“ teilen Sie gerade satirisch aus: Der Corona-Virus werde grüne Hochburgen der Städte besonders treffen. Das klingt fast nach Genugtuung?
Jan Fleischhauer: In meiner Videokolumne mache ich mich natürlich auch lustig über diesen moralischen Anspruch, den vor allem die Grünen vor sich hertragen. Und halbsatirisch habe ich darauf hingewiesen, dass das von den Grünen getragene Lebensmodel, was das Corona-Risiko angeht, besonders anfällig ist: Beide Elternteile arbeiten; die Kinder sind tagsüber selbstverständlich in der Kita; abends kommt der Pizzabote, weil man wieder keine Zeit gefunden hat. Je mehr Außenkontakte, desto größer die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken. Da ist das klassische Familienmodell mit der Frau als Hausfrau und Mutter im Augenblick klar überlegen.
Nun ist der Osten Deutschlands eine ganz andere Welt. Kann sich der Westdeutsche hier politisch überhaupt richtig reindenken?
Jan Fleischhauer: Na ja, in Thüringen hat schon etwas – das sage ich mal mit der Arroganz des Westlers – der Schwanz mit dem Hund gewackelt. Dass die ganze Bundesrepublik vier Wochen lang auf ein eher kleines Bundesland mit 1,7 Million Wahlberechtigten starrte, hatte eine gewisse Komik. Ich glaube, das politische Desaster, vor allem bei der CDU in Thüringen, ist auch dem Umstand geschuldet, dass man von Anfang an keinen Plan hatte. Irgendwie wollte man mitregieren oder jedenfalls ein Zipfelchen der Macht erhaschen. Da hat man nach links und nach rechts geblinkt und am Ende hatte man sich total verfahren.
Wobei die Mehrheit der Medienkommentare das Links blinken schon gerne herbeikommentieren wollen…
Jan Fleischhauer: Man kann sicher erstaunt sein, dass in Redaktionen gut Zweidrittel der Redakteure für Sozialdemokraten und vor allem für Grüne votieren. Die einzige Zeitung in Deutschland mit Namen, die davon ausgeschlossen ist und keine rot-grüne Mehrheit hat, ist sicher die FAZ. Da gibt es auch Rot-Grüne – im Feuilleton. Aber im Polit- und vor allem im Wirtschaftsteil würden wir immer noch eine Mehrheit für die FDP oder CDU feststellen. Aber es ist schon laut Umfragen eine Besonderheit unseres ganzen Berufsstandes, dass die Mehrheit der Journalisten sich politisch eher links verortet.
Hans-Georg Maaßen äußerte kürzlich in einem Interview, dass seines Eindrucks Journalisten die Politiker vor sich her trieben und nicht wie einst umgekehrt. Haben sich auf diese Weise Standpunkte nicht längst verschoben?
Jan Fleischhauer: Wir vergessen im Rückblick, dass Helmut Kohl – der wohl auch von Maaßen bewunderte Einheitskanzler – den Sozialstaat so ausgebaut hat wie kein Sozialdemokrat vor ihm. Norbert Blüm durfte schalten und walten wie er wollte. Und wenn das Geld fehlte, hat man Schulden gemacht. Das war letztlich klassisch linke Politik. Der Unterschied war: Helmut Kohl hat durch seinen Habitus konservativ gewirkt, anders als Angela Merkel. In der CDU gab es immer den Sozialflügel und die Herz-Jesu-Marxisten, aber natürlich auch den konservativen Flügel, angeführt vom Hessischen Recken Roland Koch. Und diesen konservativen Flügel hat die CDU geschreddert. Ich glaube, das ist das, was der CDU so geschadet hat. Das ist ja auch das, was ganz im Ernst dazu geführt hat, dass einer wie Alexander Gauland die CDU verlassen hat. Er fühlte sich schlecht behandelt. In diesem Fall war es der damalige Generalsekretär Herrmann Gröhe, der diesen ja auch für die CDU erfahrenen und auch verdienten Mann von oben herab behandelt hat. Gauland hat in der Wut sein CDU-Parteibuch zerrissen und dann aus Rache eine neue Partei mitgegründet – Gaulands AfD ist ja eine andere als die Lucke-AfD. Ein bisschen ist der Gauland wie der Lafontaine von rechts. Sein eigentliches Sinnen ist es der CDU maximal zu schaden. Das hat er ja bislang ganz erfolgreich ins Werk gesetzt.
Wieso ist der Konservatismus in Deutschland über Jahrzehnte so pragmatisch gewesen – ohne große gesellschaftliche Visionen? Widerspricht die Entwicklung eines offensiv vorgetragenen Gesellschaftsmodells an sich dem konservativen Denken?
Jan Fleischhauer: Das Konservative hat kein utopisches Endreich, auf das es zulaufen soll. Auch keine Pläne und Projekte, die herzerwärmend sind oder wo man emphatisch sagen könnte: Yes, die Zukunft ist mit uns. Das ist der strategische Nachteil, den das Konservative immer hatte, denn es ist eine Geisteshaltung, die eher von einer kalten Gelassenheit getragen wird. In dieses Bild passt Angela Merkel dann wieder gut hinein. Das Unaufgeregte ‚Ich habe die Sachen im Griff, ihr müsst euch keine sorgen machen“, das entspricht einem konservativen Wert.
Wo aber steht die CDU nach Merkel?
Jan Fleischhauer: Wir sehen, dass die richtigen Leute an der Spitze den entscheidenden Unterschied machen. Wenn man den Weg der SPD geht, sich eine Führung zu wählen, die komisch und skurril wirkt, erkennt sich die Mehrheit der Deutschen nicht wieder. Ich hab das schon mal geschrieben: Auf mich wirkt Saskia Esken wie eine sadistische Gemeinschaftskundelehrerin, die einem die Fünf ins Zeugnis drückt.
Und wie es immer so ist mit Sätzen, für die man gescholten wird: „Was trifft, trifft auch zu“, wie es bei Karl Kraus heißt. Bei der CDU kann sich schnell wieder etwas ändern, wenn die CDU zu einer Führung findet, in der sich die Mehrheit der Deutschen im Habitus, im Programm und der Art der Artikulation wiedererkennt. Da habe ich zum Beispiel große Zweifel bei Friedrich März. Er ist in einem bestimmten Flügel der Partei ein wahnsinnig beliebter Politiker, wie Bernie Sanders gerade in den USA. Armin Laschet ist gewissermaßen das langweilige Modell Joe Biden. Ich glaube, dass polarisierenden Figuren wie Friedrich März am Ende große Mühe haben Kanzler zu werden. Das ist als Oppositionsführer eine ganz gute Nummer, aber nicht, wenn man sich anschickt das Land zusammenzuhalten. Ich bin kein Laschet-Fan, im Gegenteil, vieles an ihm finde ich lau. Aber unabhängig davon, wie ich es finde, ist wahrscheinlich diese gemäßigte Sozialdemokratie, die die CDU ja auch immer vertrat – ein eher mehrheitsfähiges Programm.
Kommentare zum Artikel "„Diesen konservativen Flügel hat die CDU geschreddert“"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Vielen Wählern geht es nicht um Parteiprogramme! Zumal sie sowieso nichts wert sind, weil man anschließend koalieren muss. Wichtig sind die Kandidaten und was sie ausstrahlen. Allerding wird dieser Strahl von den Mitarbeitern der *Lügen-Presse* beleuchtet und so kann nur ein falschen Bild bei den Verbrauchern bzw. Wählern ankommen. Gegenwärtig ist der Stand bei der CDU, dass Markus Söder CSU Bundeskanzler werden sollte!