Dissens um Gedenktafel in Weinhübel
Istzustand des Bürgerhauses Weinhübel. Foto: Bürgerrat
Görlitz. Wie kürzlich bekannt wurde, kommt Bewegung in die Sanierung des ehemaligen Kulturhauses in Görlitz-Weinhübel. Der Bauantrag sei genehmigt worden, ist zu vernehmen und der Eigentümer habe weiterhin vor, dort mit seiner Frau einzuziehen. Der frühere Saal wird wohl zur geräumigen Wohnküche für das Ehepaar. Der Bauherr hofft, im September nächsten Jahres fertig zu sein und einziehen zu können.
Im Hinblick auf diese Ausgangslage hat der Bürgerrat Görlitz-Weinhübel nun Stellung bezogen und schreibt: „Seit über zwei Jahren steht die Idee: Die Gedenkplatte zur Erinnerung an die Widerstandskämpfer gegen Faschismus und Krieg, die am ehemaligen Kulturhaus in Weinhübel angebracht ist, soll an die in der Platte bezeichnete historischen Stelle versetzt werden. Nämlich an den Ort des Geschehens, in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Tuchfabrik, an den verliebenden Überresten der Posottendorfer Brücke (Anmerkung der Redaktion: Weinhübel hieß bis 1936 Posottendorf-Leschwitz), wo nur noch die Grundmauern und eine Metallstele mit Bildern an das Gebäude und seine Historie erinnern. So die Idee des Weinhübler Bürgerrates, die gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Dorfanger Weinhübel besprochen wurde. Auch die Talsperrenverwaltung, unter deren Obhut das Gelände der ehemaligen Tuchfabrik an der Neiße steht, hat nichts dagegen.“
Die Stadtverwaltung sein ebenfalls mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden. Wörtlich heißt es weiter: „Stadtplaner Hartmut Wilke erkundigte sich und meinte, dass ein Nachweis, zum Beispiel eines Fotos, welches beweist, dass an Stelle der Platte einst ein Fenster am ehemaligen Kulturhaus eingebaut war, würde die Denkmalschutzbehörde doch vielleicht noch umstimmen können. Seitdem herrscht jedoch Funkstille, obwohl der Weinhübler Bürgerrat in seinen monatlichen Beratungen mit den Protokollen dazu die Stadtverwaltung stets aufmerksam macht. Sogar genaue Vorstellungen liegen bereits vor, genauso wie die Zusage und Genehmigung des Hauseigentümers, die Platte nicht zu benötigen und deren Entfernung bereits schriftlich genehmigt hat. Nun erwarten die Mitglieder des Bürgerrates ein positives Signal, um dieses Projekt endlich voranzubringen.“
Verbindung zwischen Gedenktafel und Ort
Auf Anfrage der Redaktion teilt Annegret Oberndorfer für die Stadt Görlitz mit: „Es gab zu diesem Thema einen ständigen Austausch zwischen Stadtverwaltung Görlitz und dem Bürgerrat Weinhübel. Aus der Sicht des Sachgebietes Denkmalschutz hat die Gedenkplatte ihren Platz an dem jetzigen Ort, dem ehemaligen Kulturhaus, mit dem sie zudem baulich unmittelbar verbunden ist. Diese Stellungnahme vom Juni 2021 wurde im April dieses Jahres erneut im Rahmen der Machbarkeitsprüfung der Stadtteilprojekte bekräftigt.“
Die Aufnahme eines Objektes in die Liste der Kulturdenkmäler des Freistaates obliege dem Landesamt für Denkmalpflege als Fachbehörde. „Die Denkmalliste ist über die Webseite des Landesamtes für Denkmalpflege für jedermann objektgenau einsehbar“, so Annegret Oberndorfer. Dort sei das ehemalige Kulturhaus an der Seidenberger Straße 40 in Weinhübel mit der Stichwortzeile aufgeführt: „Gasthof mit Saal und Gedenktafel für die Opfer des Faschismus“.
Die Hervorhebung der Gedenktafel in der kurzen Zeile lasse insofern darauf schließen, „dass der Verbindung der Tafel mit dem ehemaligen Kulturhaus eine besondere Bedeutung zuzurechnen ist. Dies gilt auch dann, wenn sich die Begründung dafür nicht sofort und nicht ohne weitere Recherchen erschließt.“
Stadt Görlitz betont: „Nicht alleine zuständig“
Die Stadt Görlitz als Untere Denkmalschutzbehörde könne denkmalschutzrechtliche Entscheidungen nicht allein treffen, denn des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes müsse die Untere Denkmalschutzbehörde das Landesamt für Denkmalpflege als Fachbehörde um Einvernehmen zu einer Entscheidung ersuchen. Komme das Einvernehmen zustande, werde die Entscheidung mit diesem Inhalt getroffen; kommt das Einvernehmen nicht zustande, ist dies ein Dissens, bei dem die Landesdirektion Sachsen als obere Denkmalschutzbehörde für die Entscheidung zuständig sei.
Annegret Oberndorfer stellt abschließend für die Stadt Görlitz heraus: „Die Abwägung zu einer gegebenenfalls zu ändernden Positionierung des Amtes für Stadtentwicklung als Teil der Görlitzer Stadtverwaltung bezüglich des Standortes der Gedenktafel dauert an, denn die hierfür nötigen Recherchen sind noch nicht abgeschlossen.
Der Eigentümer eines Objektes, das als Kulturdenkmal gelistet ist, kann seine Überlegungen zum Umgang mit Teilen des Objektes in eine Diskussion einbringen. Gleichwohl muss er davon ausgehen, dass er das Objekt bewusst so erworben hat, wie er es vorfand – hier also mit der bereits vorhandenen Gedenktafel. Es mag sein, dass er sich offen für die Weitergabe des Teils – die Gedenktafel – an einen anderen Ort, an einen anderen Eigentümer, zeigt. Sofern sich jedoch eine denkmalseitig zwingende Verbindung zwischen der Gedenktafel und dem Gesamtobjekt erweist, wird der Eigentümer den Weiterbestand der Ausgangssituation hinnehmen und im Weiteren für deren angemessene Erhaltung sorgen müssen.