Ein Herrenhaus, in dem das pralle (Dorf)Leben tobt
„Weißt du noch, wie es begann?“ Ines und Stefan Triebs haben einen Bildband über die Sanierung gestaltet.
Ines und Stefan Triebs haben das Herrenhaus in Saritsch teilsaniert und erfüllen es jetzt mit ihrer Familie mit Leben.
Eine junge Familie hat sich in Saritsch einen Lebenstraum erfüllt und lässt das ganze Dorf daran teilhaben. Ein Beispiel, das Schule machen könnte.
Saritsch. Herrenhäuser und die dazugehörigen Güter bildeten einst das wirtschaftliche Herz eines jeden Dorfes. Im Wandel der Zeiten wurden ihnen unterschiedliche Bedeutungen zugemessen. Ursprünglich der Lebensmittelpunkt des Gutsherren und seiner Familie, mussten viele Besitzer ihre Anwesen nach 1945 verlassen. Manche der zumeist stattlichen und und zuweilen auch prachtvollen Gebäude fielen der Abrissbirne zum Opfer; andere, die mehr Glück hatten, fanden neue Nutzungen. Nach der politischen Wende 1990 schließlich erlebten zahlreiche Herrenhäuser, zumeist aus einem desolaten Zustand heraus, einen zweiten Frühling. Für andere kam jede Hilfe zu spät.
Exemplarisch für diese Entwicklung steht das Herrenhaus Saritsch. Bis 1990 wurde es von der damaligen Gemeinde Saritsch noch intensiv genutzt: Beispielsweise als Kulturzentrum, Jugendclub, Gemeindeamt, Konsum-Verkaufsstelle, Schwesternstation... 1992 ließ die Gemeinde Saritsch im letzten Jahr vor ihrer Eingemeindung nach Neschwitz das Dach neu eindecken – ein Glücksumstand und die Voraussetzung dafür, dass das Herrenhaus auch die folgende Zeit des jahrelangen Leerstandes einigermaßen gut überstand.
Stefan Triebs kennt das Herrenhaus und den ihn umgebenden Gutshof bereits seit seiner Jugend. 2009 erfüllten er und seine Frau Ines sich den Wunsch nach „eigenen vier Wänden“ durch den Kauf des Gebäudes. Kurz zuvor hatte es die Gemeinde Neschwitz nach zehn Jahren von einem Immobilienmakler zurückgekauft. Dessen Ankündigungen, Mietwohnungen einzubauen, waren keine Taten gefolgt. „Mit dem Kauf des Hauses begann für uns ein Abenteuer, das seitdem unser Leben bereichert und auch ein Stückweit prägt“, blicken Ines und Stefan Triebs heute auf diese weit reichende Entscheidung zurück. Die erste Herausforderung bildete die Suche nach einem Architekten, der ihre Leidenschaft für das historische Gemäuer teilte und mit entsprechendem Herzblut an die Aufgabe heranging: „Mit Michael Hümmeler aus Kaschwitz fanden wir einen Baufachmann, der diese Anforderung auf ideale Weise erfüllte.“ Gemeinsam gingen Bauherren und Architekt daran, das „große Werk“ behutsam, aber zielstrebig voranzutreiben.
„Das Saritscher Herrenhaus weist einige Besonderheiten auf, die es in der Region einzigartig machen“, weiß Stefan Triebs. „Meist haben die Guts- und Herrenhäuser in unser Region barocke Kastenfenster. Unser Haus ist einem italienischen Stadtpalast nachempfunden und verfügt über Rundbogenfenster. Es wurde vermutlich vom Zittauer Stadtbaumeister Schramm entworfen. Darauf deuten Elemente am Haus hin, die man am Rathaus und an der Baugewerkschule in Zittau wiederfindet.“ Beginnend 2012, sanierte Familie Triebs – neben den Eheleuten gehören dazu noch drei Söhne im Alter von (heute) sieben, neun und elf Jahren – als „1. Bauabschnitt“ eine der beiden Haushälften einschließlich der imposanten Eingangshalle als eigene Wohnstätte. Gleichzeitig wurden die Frontfassade erneuert sowie neue Fenster und Türen eingebaut. Großen Wert legten Ines und Stefan Triebs auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit und wählten dafür einen innovativen Ansatz: „Die Innendämmung wurde zusammen mit einer Wand- und Fußbodenheizung in Lehmputz eingebettet. Das spart Heizenergie, lässt den Luftaustausch zu, hält das Mauerwerk trocken und erzeugt – besonders wichtig – ein sehr angenehmes Raumklima.“ Die Eingangshalle erinnert an die für Görlitz typischen Hallenhäuser, die der Neißestadt immerhin einmal zu einem Weltkulturerbetitel verhelfen sollten. Familie Triebs nutzt sie unorthodox zum Tischtennis spielen – ein schönes Beispiel, wie historische Bausubstanz mit Leben gefüllt werden kann. Eine Solarthermieanlage und eine Pflanzenkläranlage komplettieren den 1. Bauabschnitt, der mittlerweile abgeschlossen ist.
Zu einem 1. Abschnitt gehört gewöhnlich auch ein 2. – und so ist es auch beim Herrenhaus Saritsch. Immerhin harrt noch eine ganze Haushälfte ihrer Nutzbarmachung. Überlegungen dafür gibt es schon, aber noch keine konkreten Pläne. Immerhin haben Ines und Stefan Triebs in einem Erdgeschossraum – da, wo sich früher die Konsum-Verkaufsstelle befand – eine kleine Galerie eingerichtet, die den passenden Namen „Konsumgalerie“ erhielt. „Hier zeigen wir im Sommerhalbjahr zwei verschiedene Ausstellungen, wobei wir auf eine Mischung aus Malerei und Töpferei setzen“, erklärt Ines Triebs. Dies habe sich bewährt und komme sehr gut an. Viele Saritscher freuen sich, dass in ihrem Herrenhaus wieder Leben eingezogen ist und dass sie selbst über die Galerie daran teilhaben können. Ines und Stefan Triebs wiederum legen großen Wert darauf, die Öffentlichkeit über das Herrenhaus Saritsch zu informieren. Ihre umfangreichen Recherchen zur Geschichte des Hauses spiegeln sich in einem selbst gestalteten Bildband und auf einer Website (www.herrenhaus-saritsch.de) wider. Auch Postkarten von Saritsch gibt es dank ihrer Initiative wieder. Einen Bekanntheitsschub verleiht darüber hinaus die Auszeichnung mit einem Sonderpreis der Kategorie „Wiederbelebung historischer Gutsanlagen“ innerhalb des Landeswettbewerbs „Ländliches Bauen.“ Die Jury würdigt vor allem „die Rücksichtnahme auf das Ensemble des Ritterguts“, dessen Raumstruktur und Gebäude noch fast ursprünglich erhalten sind. Und mehr noch: „Es ist auch eines der wenigen Rittergüter, in denen noch gewirtschaftet wird.“ Denn auf dem Hof hat die Saritscher Agrar GmbH ihren Sitz, deren Geschäftsführer Stefan Triebs ist. Und so schließt sich der Kreis …