Ein Stück echte Arbeitswelt im Klassenzimmer
Der Innungsobermeister der Bautzener Tischlerinnung, Ulrich Lange (links) besuchte gemeinsam mit Tischlermeister Christoph Heinke die Schüler der Dr.-Salvador-Allende-Schule, um bei den Schülern das Interesse am Handwerk zu wecken. Foto: Benjamin Vogt
Mit dieser Starterbox soll der erste Kontakt zwischen den jungen Leuten und dem Handwerk entstehen. Foto: Benjamin Vogt
In vielen Bereichen wird aktuell gejammert, dass es immer schwieriger wird, passenden Nachwuchs zu finden. Dabei schlummern in der Region viele Potenziale für den zukünftigen Arbeitsmarkt. Auch wenn diese oft kreativ geweckt werden müssen.
Bautzen. In einer Zeit, in der ohne Pause Informationen auf die Menschen einprasseln und diese durch die Technik auch noch ständig präsent und verfügbar sind, wird es immer schwerer, aus dieser Fülle das herauszufiltern, was wichtig und relevant ist. Denn vieles, was da einströmt, ist nicht nur wenig förderlich, sondern oft eher das Gegenteil. Das gilt sicher besonders für die Generation, die in dieser ständigen Informationsflut aufgewachsen ist und dabei vonseiten der Gesellschaft auch noch wenig Orientierungshilfe angeboten bekommt, wenn es darum geht, für das eigene Leben das wirklich wichtige mitzunehmen.
Der alte Spruch „Prüfet alles und das Gute behaltet“ ist angesichts der Flut an Bildern, Videos und Texten, die Tag für Tag die Bildschirme füllen, in einem vollständigen Sinne gar nicht mehr umsetzbar. Besonders auch, wenn es keine festen Kriterien mehr gibt, nach denen geprüft werden soll.
Wenn sich also die älteren Bürger über die Jugend beschweren, dass diese nicht mehr arbeiten will, sondern nur noch mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld verdienen möchte, muss man sich vielleicht mal die Zeit zu Besinnung gönnen, um herauszufinden, wo die Gründe dafür liegen könnten. Denn selbst wenn diese Einstellung tatsächlich stimmen würde, müsste man sich fragen, wo die Ursachen für diese Sichtweise liegen. Und dabei kann man wohl die eine Sache nicht ignorieren, die maßgeblich das Leben der jungen Leute prägt: das Internet mit seinen Bildern, Filmchen und Geschichten, die ein Bild vom Leben erzählen, was in den seltensten Fällen alltagstauglich ist.
Denn wenige „Influencer“ und dergleichen präsentieren das „normale“ Leben, sondern nur ein Bild davon. Diese Konstruktion wird nicht nur durch eine gekonnte Auswahl erzählt, sondern auch technisch noch reichlich aufgemotzt und geschönt. So das viele jungen Menschen mit einer Erzählung vom Leben aufwachsen, die, um es kurz zu machen, schlicht eine Lüge ist.
Warum diese lange Vorrede? Man kann die Umstände gut oder schlecht finden. Wenn man sie schlecht findet, muss man sie ändern. Und das geschieht nicht durch jammern und lamentieren, sondern durch Kreativität und Engagement. Und wenn man beklagt, dass die jüngere Generation keinen richtigen Bezug zur Realität habe, ist es dann nicht sinnvoll, diesen Kontakt zur Realität einfach mal herzustellen? Das wird sicher nicht erfolgreich sein, wenn man sie zu ihrem Glück zwingen will, um sie in die fertige Form der eigenen Vorstellungen zu pressen. Aber man kann ihnen ein Stück der Welt zeigen und vor allem auch, wie sie diese selber mitgestalten können. Denn das ist doch wohl etwas, was jeder Mensch will: eine Aufgabe, die ihn fordert, aber ihm auch zeigt, was er kann. Eine Arbeit, die sicher nicht immer paradiesisch ist, aber die einen Sinn hat und die in ihrem Vollzug ein Mitgestalten an der Welt ist. Denn das muss man auch erkennen: viele haben weder im Elternhaus noch in der Schule die Möglichkeit, ihre Interessen zu entdecken oder eine Leidenschaft zu entwickeln, weil sie zwar theoretisch ständig auf dem neuesten Stand des Weltgeschehens sind, aber in unserer oft verwalteten Welt wenige Möglichkeiten haben, sich praktisch auszuprobieren.
Eine Aktion, die dieses Problem ein Stück weit angehen will, fand am Freitag, 9. Dezember, in der Dr.-Salvador-Allende-Schule statt. Die Tischlerinnung Bautzen hatte über eine Beteiligung am Sächsischen Mitmachfonds „SIMUL+“ für das Projekt „Starterkit Tischlerberuf“ ein Preisgeld gewonnen. Damit konnten Holzkisten gefüllt werden, deren Inhalt zur Beschäftigung mit dem Werkstoff Holz anregt und die Informationen zur Tischlerausbildung beinhaltet. Die Kisten sollen die Möglichkeit bieten, für den Werkunterricht, zur Berufsorientierung oder bei Ganztagsangeboten verwendet zu werden. Neben einem Holzartenquiz, Bastelmaterial und Teilen für eine Spardose gibt es dazu einen USB – Stick mit Informationen und Farben zur Gestaltung der Kiste selbst.
Mit dieser Aktion will man natürlich auch was für die Nachwuchsgewinnung machen, wie der Obermeister der Bautzener Tischlerinnung Bautzen, Ulrich Lange, erklärt. Denn auch das Tischlerhandwerk sucht nach jungen Leuten und will hier die Möglichkeit geben, einfach mal reinzuschnuppern. Und durch diesen Kontakt wird sicher das eine oder andere Potenzial erst geweckt. Denn woher soll ein Schüler denn wissen, dass er eine Begabung in diesem Bereich hat, wenn er es noch nie ausprobieren konnte oder es ihm noch nie jemand gezeigt hat. Und so sind solche Veranstaltungen vielleicht auch gerade für diejenigen unter den Jungen eine Möglichkeit, ihren (echten) Weg zu finden, die in der Schule nicht die besten Leistungen haben, aber dafür in einem speziellen praktischen Bereich gut und gerne arbeiten.
Natürlich kann man sagen: „Früher hat es sowas auch nicht gebraucht“. Aber früher gab es auch viel weniger Möglichkeiten für die Jugend, sich vom wahren Leben abzulenken und sich in einer gemütlichen Scheinwelt einzurichten, aus der viele oft erwachen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Deswegen ist es gut, dass es auch vonseiten des Handwerks inzwischen einen Aufbruch hin zu flexibleren Formen der Nachwuchsgewinnung gibt. Denn die Jugend ist heute nicht besser oder schlechter, als in vergangenen Generationen. Der Mensch bleibt in seinen Grundbedürfnissen und seinem Sein ja doch immer gleich. Und statt sich zu echauffieren, sollte man diese Energie lieber nutzen, um gerade auch den jungen Leuten zu zeigen, dass die Realität der einzige Ort ist, in dem echtes und erfüllendes Leben stattfindet. Trotz aller digitalen Versprechungen, die sich im Endeffekt als Träume herausstellen werden.