Ein Votum für eine Wiedergeburt
So könnte das künftige Wendische Haus am Bautzener Lauengraben einmal aussehen. Visualisierung: Stefan Mundt
Bautzen. Mit seinem Aufruf „Rekonstruiert bitte das Wendische Haus!“ macht derzeit der Stadtbild Deutschland e.V. auf einen Jahrzehnte währenden Missstand im Herzen der Spreestadt aufmerksam. Der Verein plädiert dafür, eine Rekonstruktion des 1945 zerstörten Originalgebäudes am Lauenareal vorzunehmen. Im Hinblick auf die Quellenlage bestehe die für eine solche Maßnahme optimale Situation, dass die originalen Baupläne im Sorbischen Kulturarchiv noch vorhanden seien. Aufgrund moderner Bauvorschriften wären im Vergleich zum Vorkriegszustand natürlich gewisse Modifizierungen erforderlich, sagte Manuel Reiprich, Bundespressesprecher des Stadtbild Deutschland e.V. „Wegen der artgleichen Nutzung sind aber für die neue Version keine prinzipiellen Unvereinbarkeiten zwischen Fassadengestaltung und innerer Ausformung zu erwarten.“
Anfang Dezember hatte das Sächsische Ministerium für Kultur und Tourismus in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Landkreis Bautzen und der Stiftung für das sorbische Volk über das Bauprojekt „Sorbisches Wissensforum am Lauenareal“ informiert.
Demnach bestehen Planungen, auf der Brache einen Neubau zu errichten, in den insbesondere das Sorbische Institut e. V. mit Sorbischem Kulturarchiv und Sorbischer Zentralbibliothek sowie das Sorbische Museum integriert werden sollen.
Der Verein Stadtbild Deutschland regt in dem Zusammenhang an, den geplanten Neubau als Rekonstruktion des Wendischen Hauses zu realisieren. Dieses war 1945 infolge letzter Kriegshandlungen zerstört und die Fläche nach Kriegsende beräumt worden.
„Das Argument gegen solche Vorschläge ist meist, dass derartige Projekte mit erheblich höheren Baukosten verbunden seien“, erklärte Manuel Reiprich. „Doch zeigen aktuelle Projekte wie beispielsweise die Neubauten am Dresdener Neumarkt, dass dieser Mehraufwand, was die Gesamtkosten eines Projektes angeht, wenig ins Gewicht fällt. An dieser Stelle verweisen wir auch auf den kürzlich fertiggestellten Neubau des Zinzendorf-Gymnasiums in Herrnhut, der einer weitgehenden äußeren Rekonstruktion des Vorkriegszustandes nahekommt und trotzdem heutigen Nutzungsbedingungen gerecht wird.“
Schon zuvor hatte ein Vorschlag aus der Bautzener Bürgerschaft in der Stadt die Runde gemacht. „Ich plädiere dafür, dass dort ein Parkhaus für Bewohner der Altstadt sowie für Pendler und Touristen entsteht“, sagte Heiner Schleppers, der auch ein Stadtratsmandat in den Reihen der Christdemokraten bekleidet, im vergangenen Herbst im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier. Der Clou an der ganzen Sache: Eine Fassade im Stil des ehemaligen Wendischen Hauses soll nach seinen Vorstellungen das Parkdeck zum Lauengraben hin abschirmen. „Bautechnisch wäre das machbar. Andere Kommunen haben sich auf ähnliche Weise beholfen. So sorgen wir dafür, dass historische Architektur an den Straßenrand zurückkehrt und dahinterliegend etwas Nützliches entsteht.“ Schneller als vom Schliebenparkplatz aus ließen sich auf diese Weise Örtlichkeiten in der Altstadt zu Fuß ansteuern, betonte der langjährige Unternehmer. Auf die Frage, inwieweit die Stadtverwaltung einem solchen möglichen Vorhaben Chancen einräumt, teilte Baubürgermeisterin Juliane Naumann mit, dass die Parknutzung notwendig und zulässig sei. Allerdings lasse ich zur Errichtung eines Parkdecks pauschal keine Antwort geben.
Der Stadtbild Deutschland e.V. hingegen zeigt sich zuversichtlich, dass auch er mit seiner Idee Gehör in Bautzen findet. „Wir teilen die hohe Wertschätzung für die sorbische Tradition und Kultur und sind davon überzeugt, dass sich die gebotene Anerkennung durch die Wiedererstehung dieses architektonischen Schmuckstücks gegenständlich manifestieren wird – und das in sehr direkter Anknüpfung an die Vorkriegsnutzung des Gebäudes.“
Kommentare zum Artikel "Ein Votum für eine Wiedergeburt"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Warum wurde nach heutigem Stand dagegen entschieden? Gab es gar keine Chance auf eine Rekonstruktion der Außenfassaden?
Ich kann dem Kommentar von Stephan nur zustimmen. Eine moderne Denkweise lässt sowohl Neubauten als auch Rekonstruktionen immer als mögliche Optionen zu. Nur einige ältere Leute, die sich selbst oft fälschlicherweise als "modern" sehen, sind grundsätzlich gegen Rekonstruktionen. Es gibt durchaus gelungene Architektur, die der Moderne zuzurechnen ist, die Chance dafür, dass zeigt die Erfahrung auch in Bautzen, ist aber sehr klein. Das genaue Gegenteil gilt für Rekonstruktionen, die sind meist gelungen.
Unabhängig von der Nutzung wäre der Kornmarkt heute weitaus schöner, wenn nicht das Kornmarktcenter gebaut worden wäre, sondern die noch vorhandene Lessingschule ihren Teils noch existierenden Fassadenschmuck wieder erhalten hätte und vielleicht sogar das alte Stadttheater rekonstruiert worden wäre (historische Fotos kann jeder im Netz mit der aktuellen Situation am Lauengraben vergleichen). Dann hätte Bautzen einen schönen Platz mehr (im Vergleich zu anderen Städten mit ähnlicher historischer Bedeutung hat Bautzen recht wenig schöne Plätze - Hauptmarkt, Fleischmarkt und Postplatz sind die einzigen, die sind aber klein, der Bautzener Kornmarkt als großer Platz, der heute das eigentliche Zentrum Bautzens darstellt, fällt im Vergleich deutlich ab, was nicht an den Altbauten, sondern an den Neubauten liegt).
Beim Kornmarktcenter konnte man aber wenigstens mit der neuen Nutzung den Neubau rechtfertigen, beim Wendischen Haus entfällt dieses Argument. Meiner Ansicht nach ist es aber noch wichtiger, gerade auch im Sinne der Denkmalpflege die historischen Häuser an der Goschwitzstraße zu erhalten - insbesondere die potentiell tolle und historisch bedeutende Alte Posthalterei (das sind immerhin noch Originale und der Erhalt von Denkmälern steht über Rekonstruktionen)- und nicht zu unwichtigen zugebauten Hinterhäusern des Sorbischen Wissensforums zu degradieren, sondern in ihrer Würde wieder herzustellen. Deshalb sollte das Raumprogramm des Wissensforums auch nicht überfrachtet werden, nur weil man unrealistische Forderungen an die Nutzfläche steht. Ein Teil der Funktionen kann durchaus im aktuellen Haus der Sorben bleiben, die 5 Minuten Fußweg dürften ja keinerlei Hindernis darstellen und wären Potential zur Aufwertung der Goschwitzstraße und könnten möglicherweise bis zur Karl-Marx-Straße ausstrahlen.
Die moderne Architektur hat es in mehr als hundert Jahren nicht vermocht, Schönheit zu erzeugen. Ihre Befürworter sind zumeist ältere Menschen, die sich gedanklich nicht mehr umstellen oder auf Neues einlassen möchten.
Jüngere Menschen, die mehrere Baustile unvoreingenommen miteinander vergleichen, befürworten in der Regel Rekonstruktionen.
Es wäre also ein Zeichen des Aufbruchs, die verbrauchte Moderne endlich hinter sich zu lassen und Gebäude wieder vorrangig nach ihrer Ästhetik zu beurteilen. Und schön ist das Wendische Haus ohne Zweifel.
Dieses Projekt ist sehr wichtig für die Stadt und sollte umgesetzt werden. Moderne Architektur passt an diese sensible Stelle in der Altstadt nicht. Es gibt genug Neubaugebiet, wo ohnehin modern gebaut wird. Die Rekonstruktion an dieser Stelle hingegen ist eine einmalige Chance.
Ich bin immer für Rekonstruktionen alter Gebäude, vor allem wenn sie das Vorhandene komplettieren. Auch Bautzen braucht Gebäude, die typisch für die Stadt sind, gesichtslose Allerweltsarchitektur steht doch schon überall. (Siehe Kornmarkt Center gegenüber)
Die Identität und Einzigartigkeit einer Stadt lebt von ihren alten Gebäuden, nicht von den Modernen.
Also: natürlich: Wiederaufbau des tollen Gebäudes nach altem Vorbild!!!
....„Mit seinem Aufruf „Rekonstruiert bitte das Wendische Haus!“....“ Ohje da sind sie wieder, die grauharigen Wühlköpfe, denen nichts besseres einfällt als in den Mottenkisten der Vergangenheit nach der Zukunft zu suchen.
Ist es denn so schwer mal was Neues zu wagen und moderne Architektur zu fordern. Gegenüber steht doch ohnehin was Neues in Form des Kornmarkt-Centers. Und dann auch noch ein Parkhaus - gibt es doch schon 200m weiter am Theater - manoman...
Und wer oder was ist eigentlich „ Stadtbild Deutschland e.V.?
Nicht bauen. Die Stadt braucht das Geld für andere wichtige Sachen