Ein Wintergarten für die Legehennen
Michaela Pfeiffer (links) und Ingrid Tischer sortieren im Legehennenbetrieb in Schönbach die Eier an der Bandanlage.
Die Hennen verbringen nur einen Teil ihrer Zeit in der Voliere, ihnen steht auch eine Freifläche zur Verfügung.
Der Preisträger eines Landeswettbewerbs zeigt, dass auch konventionelle Landwirtschaft tiergerecht sein kann. Er gönnt seinen Hühnern sogar vier Wochen Urlaub.
Schönbach. Ein Jahr – und dann ist Schluss. Das Leben einer Legehenne bietet im Normalfall nicht viel Vergnügliches. Auf engem Raum auf einem Gitterrost stehen, dicht umringt von anderen Hühnern, und immerzu Eier legen. So stellt sich Otto Normalverbraucher das Leben in einem Legehennenbetrieb vor – und so gestaltet es sich wohl oft auch.
Nicht so jedoch auf dem Bauernhof von Patrick Pietzschke. Hier können die circa 12.000 Hühner frei entscheiden, wo sie sich aufhalten: Ob in der mehr-etagigen Voliere, im Freien oder gar im dazwischen liegenden Wintergarten. „Ja, wir haben tatsächlich einen Wintergarten für unsere Tiere“, schmunzelt der Inhaber eines Legehennenbetriebes in Schönbach bei Löbau. Freilich nicht mit Topfpflanzen und Liegestühlen, dafür aber mit viel Auslauf in einem vor Wind und Wetter geschützten Bereich.
„Der Landwirtschaftsbetrieb Pietzschke tut viel, um das Wohlbefinden seiner Tiere zu steigern“, würdigt auch Annett Bugner, Referatsleiterin im sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL). Deshalb hat der Oberlausitzer Landwirt auch den Sieg im Landeswettbewerb „Tiergerechte und umweltverträgliche Haltung“ zuerkannt bekommen.
„Mit Blick auf eine tiergerechte Haltung der Legehennen hat sich dieser Betrieb stets weiterentwickelt“, würdigt auch Staatssekretär Frank Pfeil.
Ein Ergebnis dieser Entwicklung besteht darin, dass bei Patrick Pietzschke für die Hühner nach einem Jahr noch nicht Schluss ist. „Normalerweise ist nach einem Jahr als Legehenne das Kalzium in den Knochen verbraucht. Die Eier werden dünnschalig und sind nicht mehr für die Vermarktung geeignet“, so der Oberlausitzer Bauer. Die dann nicht mehr nützlichen Tiere werden entsorgt – und das im wahrsten Sinne des Wortes: „Früher war eine ausgediente Legehenne immer noch als Suppenhuhn gut. Doch daran besteht heutzutage kein Interesse mehr. Wir müssen sogar noch für den Abtransport bezahlen“, erklärt Patrick Pietzschke.
Doch dieser erfolgt in seinem Betrieb nicht schon nach einem, sondern erst nach zwei Jahren.
Und das geht so: „Wir lassen die Hühner durch Licht, Wasser und eine spezielle Diät einen künstlichen Herbst erleben. Dadurch stellen sie die Eierproduktion ein und können sich vier Wochen lang erholen. In dieser Zeit bekommen sie zur Regeneration besonders kalkreiches Futter.“ Wenn dann der Schalter wieder auf „Sommer“ steht, können die Hühner noch einmal zehn Monate lang etwa 80 bis 85 Prozent der ursprünglichen Legeleistung erbringen. „Theoretisch wäre es sogar denkbar, auf dieselbe Weise noch ein drittes Jahr dranzuhängen“, so Patrick Pietzschke. „Doch daran haben wir uns nicht herangewagt, da wir das Ausfallrisiko nicht eingehen können. Wir vermarkten direkt an den Großhandel, da muss die Lieferung zuverlässig erfolgen.“
Für Frank Pfeil stellt der Schönbacher Betrieb ein gelungenes Beispiel dafür dar, wie auch in der konventionellen Landwirtschaft durch Innovation und Einfallsreichtum das Wohlbefinden der Tiere auf einem hohen Niveau gehalten werden kann. „Große Auslaufflächen, die moderne Beleuchtung, eine Befeuchtungsanlage sowie intensive Bemühungen um die Gesundheit des Bestandes haben den Ausschlag dafür gegeben, diesem Hof den Wettbewerbssieg zuzuerkennen“, so der Staatssekretär im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium. So gebe es hier beispielsweise kaum Kannibalismus unter den Hennen – ein weit verbreitetes Phänomen, in dessen Folge sich die Tiere gegenseitig „anpicken.“
Freilich ist auch Patrick Pietzschke nicht wunschlos glücklich: „Wir könnten uns problemlos noch um einen Stall erweitern. Doch aufgrund der Erfahrungen mit dem bereits erfolgten Neubau verzichte ich darauf.“ Der sei nämlich – aufgrund der Lage im Landschaftsschutzgebiet – ein „nervenaufreibender Kampf“ gewesen.