Ein Zug der Waggonbauer in die Innenstadt
Die 15. Mahnwache begann als Kundgebung und wurde dann als Demonstrationszug fortgesetzt. Foto: Uwe Menschner
Niesky. „Niesky handelt“ – unter diesem Motto stand am Dienstagnachmittag die 15. Mahnwache der Nieskyer Waggonbauer. Anders als die vorherigen 14 Veranstaltungen fand sie nicht vor den Toren des Werkes statt, sondern begann als Kundgebung auf dem Platz der Jugend, aus dem sich dann ein 300-köpfiger Protestzug durch die Innenstadt formierte.
„Niesky handelt“ – diesen Aufruf konnte man im doppelten Sinne verstehen: Einerseits als Zeichen dafür, dass die Waggonbauer das fortgesetzte Schweigen der Tatravagonka-Geschäftsführung zur Zukunft ihres Betriebes nicht hinnehmen und das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen. Andererseits auch als Bekenntnis der Geschäftsleute und Händler in der Nieskyer Innenstadt zum größten Industriebetrieb ihrer Stadt. „Es gibt nicht ein Geschäft, das keine Beziehungen zum Waggonbau hat“, so der Nieskyer Citymanager André Schulze, der die Aktion koordinierte. „Überall wurde mir gesagt: Mein Vater hat dort gearbeitet, mein Bruder arbeitet dort. Jeder hat in so einer kleinen Stadt etwas mit dem größten Betrieb zu tun.“ Falle der Waggonbau als Arbeitgeber fort, dann müsse man mit dem Wegzug vieler betroffener Familien rechnen, was unabsehbare Folgen für die Kaufkraft in der Stadt habe.
„Die Händler machen mit Plakaten, die Motive aus der Geschichte des Waggonbaus zeigen, auf ihre Solidarität aufmerksam“, so André Schulze. Die Idee dazu sei von den Geschäftsinhabern selbst gekommen: „Sie haben gesagt: Lasst uns als Thema für unsere nächste Aktion den Waggonbau nehmen, der betrifft uns alle.“
Zu diesen Geschäftsinhabern zählt auch Friedhelm Flögel, der in der Ödernitzer Straße eine Metallwarenhandlung mit Schlüsseldienst betreibt. Bereits Minuten, bevor der Umzug sein Geschäft erreichte, stand er vor der Ladentür und hielt nach dem Demonstrati-onszug Ausschau. „Ich habe eine sehr enge familiäre Bindung zum Waggonbau“, erklärt er. „Mein Vater, meine Brüder und auch ich selbst haben dort gearbeitet.“ 1990 übernahm Friedhelm Flögel die vom Vater noch zu DDR-Zeiten gegründete Firma, „die Beziehung und der Zusammenhalt mit dem Waggonbau blieben aber erhalten.“
Seit 1917 wurden in Niesky bei Christoph & Unmack (ursprünglich gegründet 1835) Schienenfahrzeuge wie Güter-, Post-, Reisezugwagen, Straßenbahnen hergestellt.
Vonseiten der Tatravagonka AG als Eigentümerin der ELH Waggonbau Niesky GmbH gibt es laut Betriebsratschef Peter Jurke nach wie vor keinerlei Anzeichen, dass man bereits sei, mit den Beschäftigten über die Perspektive des Betriebes zu sprechen. Stattdessen blute dieser immer mehr aus – sowohl personell als auch materiell.“ Mit Thomas Kralinski, Staatssekretär im Sächsischen Wirtschaftsministerium, sprach diesmal auch ein Vertreter der Staatsregierung zu den Waggonbauern und ihren Unterstützern: „Gerade im Zeichen der Energiewende kann Deutschland unmöglich auf seinen einzigen Hersteller von Güterwaggons verzichten. Wir unterstützen den Waggonbau Niesky mit allen unseren Möglichkeiten.“