Eine Branche probt ihr Comeback
Mit dieser Piktogrammübersicht wird in Restaurants und Hotels auf die ab sofort geltenden Corona-Regeln in den jeweiligen Häusern hingewiesen. Foto: privat
Mecklenburg-Vorpommern preschte vor, nun zieht der Freistaat nach. Pünktlich zum Start ins Wochenende dürfen Restaurants und Hotels nach wochenlanger coronabedingter Zwangspause erstmals wieder Gäste begrüßen. Allerdings haben die Unternehmen in dem Zusammenhang ein Hygienekonzept vorzuhalten. Einige Branchenvertreter erzählten uns, wie sie die Regelung umsetzen und welche Auswirkungen sie befürchten.
Ab sofort dürfen sachsenweit Gaststätten wieder besucht werden, Hotels können Übernachtungsgäste empfangen. Um vor dem Hintergrund der wiedererlangten Freizügigkeiten die Ausbreitungsgefahr des Corona-Virus möglichst gering zu halten, hat der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Sachsen in einem an seine Mitglieder gerichteten Papier Hilfestellungen bei der Ausarbeitung eines Hygiene- und Infektionsschutzkonzeptes gegeben. Demnach sind Gäste darauf hinzuweisen, dass das gemeinsame Sitzen im Restaurant ohne Einhalten des Mindestabstands von 1,50 Meter nur den Personen vorbehalten ist, denen gemäß der geltenden Corona-Schutzverordnung der Kontakt untereinander erlaubt ist. Dazu zählen Familien beziehungsweise in häuslicher Gemeinschaft Lebende. Sie dürfen mit einem weiteren Hausstand zusammen am Tisch Platz nehmen. Ein Mindestabstand gilt hingegen überall dort, wo es keine ausreichenden Trennvorrichtungen im Bereich von Oberkörper und Kopf gibt, also auch an Stellen im Lokal, an denen sich keine Sitzplätze befinden. Das gilt ebenso für den WC-Bereich. Durch Zugangsbegrenzungen an den Eingängen soll gewährleistet werden, dass die maximale Belegungszahl zu keinem Zeitpunkt überschritten wird. An den Eingängen sind zudem Verhaltenshinweise und Desinfektionsspender anzubringen. Gleiches gilt für die Toiletten. Selbstbedienungen mit offenen beziehungsweise losen Speisen an Buffets sind im Rahmen der Allgemeinverfügung derzeit untersagt. Das Personal, das eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen hat, reicht den Gästen das Besteck. Wo es möglich ist, sollen Restaurantbesucher kontaktlos mit Karte bezahlen. Indes wird in Sachsen momentan nicht verlangt, dass Gäste ihre Kontaktdaten hinterlassen, um so eine mögliche Corona-Infektion nachverfolgen zu können. Es wird vielmehr auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen gesetzt. Auch in Hotels gelten umfassende Abstands- und Desinfektionsregeln. Bei Kontakt mit Gästen ist ein Gesichtsschutz zu tragen, sofern sich der gebotene Mindestabstand in bestimmten Situationen nicht einhalten lässt. An der Rezeption lassen sich zudem Plexiglaswände aufstellen. Obstkörbe verschwinden.
Region. Der Freistaat gibt sich seit Freitag freizügiger. Ab sofort sind Gaststättenbesuche sowie Übernachtungen in Hotels und anderen Herbergsbetrieben wieder gestattet. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass die jeweiligen Betriebe ein entsprechendes Hygiene- und Abstandskonzept vorhalten. Dieses kann von den kommunalen Ordnungsämtern auf seine Einhaltung überprüft werden.
„Wir versuchen, uns an den Bundesländern zu orientieren, deren Gastronomie ja schon angelaufen ist“, erklärt Saskia Schwarzweller. Sie leitet den Servicebereich in einem Gasthaus an der Thomas-Mann-Straße in Bautzen. „Die Regeln unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander.“ Demnach sind Abstände von mindestens anderthalb Metern herzustellen. Zudem haben Mitarbeiter des Hauses eine Maske zu tragen.
„Desinfektionsmittel und Spender mit Sensor sind bestellt“, meint Monika Lukasch, Chefin eines sorbischen Restaurants in der Bautzener Altstadt. „Da wir doch auf eine gewisse Individualität setzen, fertigt mein Mann eigene naturbelassene Spenderständer an.“ Mit den erfolgten Lockerungen können sie und ihr Team sich nun voll und ganz auf die Spargel-, Rhabarber- und Erdbeersaison konzentrieren. Diese zähle zu den kulinarischen Höhepunkten eines jeden Jahres. Rückblickend betrachtet bereut sie es nicht, keinen Abholservice angeboten zu haben. „Wir haben uns bewusst gegen einen solchen entschieden, da wir der Meinung sind, dass wir dem Gast nur im Restaurant die gewohnte Qualität bieten können. Unser größter Wunsch ist jetzt, dass die Familie, die Mitarbeiter, Freunde und Gäste gesund bleiben und wir keinen zweiten Shutdown erleben.“
Für Daniel Mager indes stellt die Umsetzung der geforderten Hygienemaßnahmen nicht nur einen zusätzlichen Kostenfaktor dar. Der Geschäftsführer eines Hotels am Pulsnitzer Stadtrand verbindet das Ganze auch mit einem höheren Personal- und Verwaltungsaufwand. „Darüber hinaus müssen wir durch Abstandsregelungen und Personenzahlbegrenzungen weiterhin mit einem deutlichen Umsatzausfall rechnen, der leider nicht wie in anderen Branchen nachgeholt werden kann.“ Im gleichen Atemzug zählt er die Maßnahmen auf, die im Haus getroffen wurden, um wieder einen Publikumsverkehr zu ermöglichen: „Unser Team wurde mit Waldblick-Mundschutz-Masken ausgestattet und es wurden noch mehr Desinfektionsmöglichkeiten für Mitarbeiter und Gäste geschaffen. Unser Frühstücksservice ist für unsere Hotelgäste mit mehreren Servicekräften da, um unsere Speisen und Getränke direkt an den Tisch zu servieren. Wir haben unsere Tischabstände vergrößert. Unser Küchenteam arbeitet gerade an neuen Speisekarten als Aufsteller, die unseren Gästen kontaktlos das Auswählen der Speisen und Getränke ermöglichen wird.“ Sein innigster Wunsch lautet, dass die Menschen dennoch wieder Lust auf einen Restaurantbesuch und touristische Inlandsreisen bekommen und diese Möglichkeiten auch intensiv nutzen.
„Die Aufwendung für eine Wiedereröffnung sind aufgrund der Restriktionen von Abstand halten, Verringerung der Tischanzahl und dem höheren Reinigungsaufwand nicht gering“, unterstreicht Tobias Haidan. In Grubschütz managt er ein Landhotel. „Zudem können wir nicht den Umsatz erzielen, den wir in den vergangenen Jahren unter normalen Umständen hatten. Dies ist wichtig, um Reserven für die Wintermonate zu haben.“
Vor diesem Hintergrund befürchtet unter anderem Carola Arnold eine Schließungswelle, die sich allerdings erst im nächsten Jahr richtig bemerkbar machen wird. „Das Fachkräfteproblem wird sich anders darstellen und der Markt wird zeigen, ob unsere Gäste bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Der Gastronom wird noch mehr auf die Zahlen achten müssen. Wer nicht in der Lage ist, Rücklagen zu bilden oder zu halten, geht sehr schwierigen Zeiten entgegen.“ Die das sagt, ist selbst Unternehmerin. Noch vor Beginn der Corona-Pandemie bot die Gastronomin in einem Umgebindehaus in ihrem Heimatort Cunewalde diverse Veranstaltungen an. Doch damit ist es bis auf Weiteres vorbei. „Hier ist alles eng und kuschelig. Abstände von anderthalb Metern sind da kaum machbar. Ökonomisch gesehen ist es ein Desaster und vor allem geht das Flair, was unsere Gäste lieben und schätzen, total verloren. Dazu die unmögliche Mundschutzpflicht für das Personal. Nein das bringt uns nichts. So habe ich mich schweren Herzens entschlossen, noch nicht zu öffnen.“ Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf. Womöglich werden in nächster Zeit die Corona-Schutzverordnung weiter gelockert und Vorgaben teilweise zurückgenommen. Um dann entsprechend gerüstet zu sein, feilt Carola Arnold eigenen Angaben zufolge schon jetzt an Konzepten für den Herbst, den Winter und das kommende Jahr.
Ähnlich wie sie denkt der Bautzener Barbesitzer Matthias Schneider, dass das „Sterben“ in der Gastronomie erst noch kommt – nämlich wenn viele die Welle, die sie jetzt mit Krediten und privaten Einlagen verschoben haben, später nicht wieder glätten können. „Es wird in Zukunft verstärkt Ausländer in der Gastronomie sowie mehr Fast Food geben, aber auch die teuren Restaurants mit gehobenem Standard. Die gute billige bürgerliche Dorfgaststätte kann sich auf lange Sicht nicht mehr halten“, mutmaßt er.
Genau hier greift der Handlungsansatz der Bautzener CDU-Stadträtinnen Monika Vetter und Katja Gerhardi. Sie trommeln zu einer Hilfsaktion. In Zusammenarbeit mit dem Tourismusverein Bautzen sammeln sie auf der Internetplattform betterplace.me Spenden. Von diesen Geldern sollen bei ortsansässigen Gastronomen Gutscheine gekauft werden, die dann an Corona-Helden wie Pfleger(innen), Verkäufer(innen) und Ärzte oder auch an Familien verschenkt werden. Ziel der Aktion sei es, den Gastwirten aktuell Einnahmen zu ermöglichen und langfristig wieder Menschen in die Restaurants, Cafés und Kneipen zu bringen und somit die Wirtschaft zu stärken. „Damit für die Gaststätten die Einlösung der Gutscheine nicht zur ungewollten Belastung wird, fördern wir in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsförderungsamt jeden eingelösten Gutschein noch einmal mit zehn Euro Bonuszahlung“, erläutert Katja Ger-hardi. „Innerhalb weniger Tage sind bereits knapp 3.000 Euro Spendengelder eingegangen, darunter auch viele Spenden aus dem Stadtrat und von allen drei Bautzener Bürgermeistern.“ Zielsumme der Aktion seien 25.000 Euro. „Wir hoffen, damit einen Beitrag leisten zu können, dass Bautzen weiter lebenswert und facettenreich bleibt, und auch in Zukunft viele Menschen ein so vielfältiges gastronomisches Angebot genießen können“, fügt Monika Vetter hinzu.
In Kirschau bei Schumanns herrscht derweil Aufbruchstimmung. Mit Teamgeist, Zusammenhalt und Unterstützung untereinander sei die Zwangspause gemeistert worden, wie Geschäftsführerin Petra Schumann verrät. In den zurückliegenden Tagen seien erste Buchungen eingegangen. Auf dieser Grundlage wolle man nun „Vollgas“ geben und die Gäste wieder begeistern. Allerdings standen zuvor noch Mitarbeiterschulungen durch das Gesundheitsamt an. Damit zum langersehnten Neustart am Freitag alle Sicherheitsmaßnahmen auch umgesetzt werden.