Eine Existenzgründung in Zeiten der Krise
Claudia Lübeck hat sich während der Krise einen lang gehegten Wunsch erfüllt – und keinen Grund, etwas zu bereuen.
Das Nageldesign ist eines von mehreren Standbeinen, auf denen Claudia Lübecks Existenzgründung beruht.
Claudia Lübeck aus Großröhrsdorf hat einen Schritt gewagt, den im Moment wohl viele scheuen. Und auch wenn es nicht einfach war, bereut sie nichts.
Großröhrsdorf. Einmal gab es ihn, diesen Moment des Zweifelns. „Ich saß da und dachte: Was habe ich mir nur aufgeladen? Die ganze Verantwortung, die Verschuldung, die Familie – kann ich das alles überhaupt schaffen?“ Claudia Lübeck lächelt, als sie diese Sätze sagt, und ihre Augen strahlen. Denn: Er ging vorbei, dieser Moment. Und hinterließ weiter nichts als die Gewissheit: Ich schaffe das! Ein knappes halbes Jahr ist es nun her, dass sich die (Neu-)Großröhrsdorferin mit ihrem Salon „Beauty And Glow“ selbstständig machte. Viele Jahre der angestellten Tätigkeit in mehreren Unternehmen lagen da bereits hinter ihr. Jahre, in denen sie ständig darauf bedacht war, nicht still zu stehen, Neues zu lernen, auf dem aktuellsten Stand zu bleiben. Und am Ende doch immer wieder an dieselben Grenzen stieß. „Ich sah keine Möglichkeiten mehr, mich weiter zu entwickeln.“ Dabei trug Claudia Lübeck schon immer den Wunsch in sich, selbstständig zu arbeiten, ihre eigene Chefin zu sein. „In Dresden ist der Markt aber dicht, dort gibt es keinen Platz mehr für eine Neugründung“, hat sie erfahren müssen.
In Großröhrsdorf jedoch stellten sie und ihr aus Bretnig stammender Mann auf ihren Streifzügen fest: Hier gibt es ja noch gar kein Nagelstudio! Das kreative Gestalten von Fingernägeln war – neben der Fußpflege, der Wohlfühl-Massage und der Kosmetik – eines der Gebiete, auf denen sich die ausgebildete Kosmetikerin in 20 Jahren umfangreiches Wissen und Können angeeignet hatte. Sie sollte eines der Standbeine für ihre Selbstständigkeit bilden. Die Corona-Zeit nutzte Claudia Lübeck, um sich in Sachen digitale Medien fit zu machen, baute mehrere thematische Websites auf. Zu dieser Zeit war sie noch in Dresden angestellt, doch der Weg führte die Familie (zu der noch ein Sohn, 14, und eine Tochter, 12, gehören) oft nach Großröhrsdorf. „Unsere Tochter war es, die eine passende Wohnung für uns fand“, erinnert sich Claudia Lübeck mit einem Schmunzeln.
Die Kinder teilten auch gleich beim Besichtigungstermin die Räume auf – “da war eigentlich schon alles klar.“ Im gleichen Haus stand im Erdgeschoss eine frühere Gewerbeeinheit leer: „Dies war nun die Gelegenheit, auf die ich so lange gewartet hatte. Es passte alles, ich wusste auch sofort, wie ich die Räume aufteilen würde.“
Die Corona-Krise war halbwegs ausgestanden, die so genannte Lieferketten-Krise im vollen Gange. „Es begann schon damit, dass die Wasserleitung nicht bis in den hinteren Teil der Gewerbeeinheit reichte. Es war uns nicht möglich, einen Handwerker zu finden, der uns die Leitung verlegt.“ Über die Kontakte des Vermieters gelang es, dieses Problem zu lösen. Ein anderes bestand darin, dass mehrere Schichten von Fußbodenbelag einfach nur aufeinander geklebt worden waren und mühsam entfernt werden mussten.
Der vorhandene saalartige Raum musste mit Trockenbauwänden aufgeteilt werden. „Wir haben vieles in Eigenleistung gemacht, die ganze Familie und Freunde haben mitgeholfen. Sonst hätte ich es nicht schaffen können.“ Claudia Lübeck hatte nämlich ein großes Ziel: „Das Weihnachtsgeschäft wollte ich schon gern mitnehmen.“ Auch die Lieferung von Möbeln und Empfangstresen entwickelte sich zum Nervenspiel, der Tresen kam zwar pünktlich, erwies sich aber als defekt. „Da hab ich dagesessen und geheult, war mit den Nerven ziemlich am Ende.“ Ein anderer Anbieter war in der Lage, einen neuen Tresen zu liefern. Am 31. Oktober schließlich konnte Claudia Lübeck die Eröffnung ihres Salons feiern.
Zwischenzeitlich ist nach der Corona-Krise nun auch die Lieferketten-Krise weitestgehend vorbei, aktuell dominiert die Energie-Krise. „Doch darüber mache ich mir keine großen Gedanken, denn wenn man danach geht, gibt es nie einen richtigen Zeitpunkt zum Gründen. Irgendeine Krise ist immer“, sagt die frisch gebackene Unternehmerin und lacht. Und sie hat auch allen Grund dazu: Das Geschäft läuft, der Terminkalender ist voll. „Erstaunlicherweise vor allem mit Kosmetik- und Fußpflegeterminen, gar nicht so sehr mit der Nagelgestaltung.“ Dabei hatte doch deren ursprüngliches Fehlen in Großröhrsdorf den Ausschlag gegeben, es hier zu versuchen. Doch so ist es, das Leben einer Selbstständigen – es bringt immer wieder Überraschungen. „Ich hatte auch damit gerechnet, dass in dieser Krisenzeit die Geldbörsen verschlossener sind als normalerweise. Doch bisher bestätigt sich das überhaupt nicht.“ Im Gegenteil: Die Menschen haben Freude an Schönheit und Wohlbefinden und lassen dafür auch etwas „springen.“ Und so ist Claudia Lübeck bereits auf der Suche nach professioneller Verstärkung, „denn es war schon wieder so weit, dass ich zu wenig Zeit für die Familie hatte.“
Selbst über Expansion denkt sie nach, „doch das hat noch Zeit.“ Insgesamt zieht die Großröhrsdorferin folgendes Fazit: „Ich habe alles richtig gemacht und bereue nichts.“ Und sie will auch anderen Menschen Mut zur Selbstständigkeit machen, allerdings nicht „blauäugig“: „Man sollte sich zuvor schon intensiv mit seiner Idee beschäftigen, den Markt und den vorhandenen Bedarf erforschen.“ Dies – gepaart mit fachlichem Wissen und Können sowie einer Prise Enthusiasmus – bildet eine gute Voraussetzung. Auch und gerade in Zeiten der Krise.