Update: Eine ganze Branche sendet unaufhörlich SOS
Zahlreiche Gastronomen machten am Freitag vor dem Bautzener Rathaus mit leeren Stühlen auf ihre brenzlige Lage aufmerksam. Es wird befürchtet, dass die Spreestädter und deren Gäste künftig auf bestimmte Angebote verzichten müssen.
Bodo Siegert, der den jüngsten Gastwirte-Protest mit ins Leben gerufen hat, erklärt dem Landtagsabgeordneten Marko Schiemann den Ernst der Lage. Fotos: RK
Bautzen. 120 unbesetzte Stühle vor dem Rathaus der Spreestadt als Sinnbild für die dramatische Situation, die eine ganze Branche eint: Am Freitagvormittag haben Dutzende Gastronomen und auch Hoteliers auf die Auswirkungen der coronabedingten Einschränkungen hingewiesen. Sie zählen zu den Verlierern der jüngsten Entwicklung. Laut Mitinitiator Bodo Siegert beteiligten sich an der Aktion 60 Unternehmen – darunter auch Betriebe anderer Handwerkszweige. Unterstützt werde der Protest von bis zu 200 Unternehmen aus Bautzen und dem Umland.
So ernst ist die Lage
Die Gastronomie verfüge weitestgehend über keine Einnahmen – und das schon seit Wochen. Damit spielte der Unternehmer vor allem auf die nicht inhabergeführten Betriebe an. „Diese sind quasi eingefroren“, sagte er Alles-Lausitz.de. Um ein Liefergeschäft aufrechtzuerhalten, müssten täglich Kosten in Höhe von rund 500 Euro einkalkuliert werden. Man bräuchte einen Umsatz von 700 bis 1.000 Euro, damit sich dieses Modell rechnet. Dieser sei vor dem Hintergrund der aktuellen Lage jedoch nicht möglich, da auch keine Touristen in die Spreestadt kämen. Lokale, die hingegen von Familien geführt werden, hätten es einfacher, die Aufwendungen zu schultern. Bodo Siegert schätzt, dass in Bautzen infolge der Corona-Krise etwa ein Drittel des gastronomischen Angebots wegbrechen könnte. Vor dem Hintergrund sieht er die Stadt in der Pflicht, Gegenmaßnahmen zu treffen. Als Beispiele führte er an, Parkgebühren zu erlassen, Sondernutzungsgebühren zu kürzen oder ganz darauf zu verzichten sowie den Hebesatz für die Gewerbesteuer zu senken. „Das sind Sachen, die werden uns helfen“, versicherte der Gastronom, der gleichzeitig die Fäden im Tourismusverein mit zieht. „Je mehr von uns überleben, desto besser ist das für eine Stadt wie Bautzen.“
Henry Wunderling, der den neu gegründeten Oberlausitzer Köche Verein während des öffentlichen Protestes vertrat, wandte sich in erster Linie mit einem Aufruf an die Politik: „Hier sind Kollegen dabei, die mit Außerhaus-Verkauf ums Überleben kämpfen, aber das kann es ja nicht sein. Wir müssen wirklich sehen, dass die gastronomischen Einrichtungen wieder aufmachen können – indem unter den bekannten Hygieneregeln ein gewisser Abstand zwischen den Personen gewahrt wird.“ Darüber hinaus gab er zu bedenken, dass die Gastwirtschaften bereits seit Jahren einen gewissen Hygienestandard vorhalten, der sich entsprechend ausbauen lasse. „Damit könnten wir eine jede Menge bewirken.“
Verbandschef gibt sich optimistisch
Der Branchenverband Dehoga sieht indes einen Hoffnungsschimmer am Horizont, nachdem sich am Donnerstag der Koalitionsausschuss in Berlin auf eine bis Ende Juni 2021 befristete Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie und die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes verständigt hat. Von der Landesregierung erwartet er eigenen Angaben zufolge unverzüglich einen Rettungsfonds für den Mittelstand. „Vor allen Dingen die Umsetzung der schon lange überfälligen Reduzierung der Mehrwertsteuer ist ein wichtiges Signal“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Dehoga Sachsen, Axel Klein. „Wir danken besonders unserem Ministerpräsidenten für seinen Einsatz auf Bundesebene und wissen, dass er sich auch für eine dauerhafte Senkung einsetzen wird.“ Denn erst wenn wieder Umsätze generiert werden, könne diese ihre Wirkung entfalten.
Polizei hat wachsames Auge auf Protestveranstaltung
Begleitet wurde die Aktion auf dem Hauptmarkt von einem Polizeieinsatz. Mehrere mit einem Mund-Nasen-Schutz maskierte Beamte beobachteten die Protestveranstaltung, zu der sich nicht nur zahlreiche Pressevertreter eingefunden hatten. Bautzens Polizei-Chef Mario Steiner bat die Initiatoren im Anschluss zum Rapport an den Straßenrand. „Mir ist bis jetzt nichts bekannt, dass es unangenehme Folgen für den Verein gibt“, teilte Stunden später Bodo Siegert auf Anfrage mit. In Sachsen gilt aufgrund eines von der Staatsregierung beschlossenen Erlasses nach wie vor ein Versammlungsverbot. Es sei denn, es liegt eine Ausnahmegenehmigung vor. Auch auf diese Weise soll eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus verhindert werden.