Eine Vertrauensarbeit über viele Jahre
Die Junge Welt ist die „Gute Stube“ des Vereins. Maik Beier hat gerade den Pinsel geschwungen, um eine radikale Verunstaltung des Kassenhäuschens zu übermalen. Foto: TSK
Görlitz’ führender Fußballballklub Gelb-Weiß, ist sportlich hinter dem GFC Rauschwalde derzeit nur die Nummer zwei. Doch der schon totgeglaubte NFV baut daran, sich einen neuen Ruf aufzubauen. Der Verein stellt am 21. März mit einem Nachwuchsschnuppertag den Weg vor, wie er über soziale Verantwortung auch wieder sportliche Erfolge erzielen will.
Görlitz. Im September 2016 zog der NFV-Gelb-Weiß Görlitz 09 seine 1. Mannschaft aus dem Landesligapielbetrieb zurück.
Zum Verhängnis war dem Verein der vermeintliche Einsatz ausländischer Spieler geworden, obwohl diese beim Sächsischen Fußballverband ordnungsgemäß angemeldet und freigegeben worden waren. Nach dem völligen Absturz ist der Verein mit dem Aufstieg 2019 immerhin wieder in der Oberlausitzliga, quasi der Kreisoberliga im Landkreis Görlitz, angekommen und rangiert hier derzeit auf dem 11. Tabellenplatz. Doch auch das ist freilich weiterhin zwei Klassen unterhalb der Sachsenliga – oder anders gesagt: Ligaalltag ist die 8. Spielklasse. Auch wenn man nur die deutsche Seite von Görlitz betrachtet, so ist die Neißestadt mit ihren dann nur 56.000 Einwohnern, die größte Stadt im gesamten Nordostdeutschen Fußballverband, die weder sechst-, geschweige denn siebtklassig Fußball spielt! Auch im Westen Deutschlands findet man vergleichbar tief spielende Städte mit gleichem regionalem Gewicht als Ober- oder Mittelzentrum nicht. So gesehen ist es eigentlich sogar bescheiden, wenn NFV-Vorsitzender Harald Twupack davon spricht, dass man in einigen Jahren schon gerne einmal wieder Landesklasse – also auch nur siebtklassig – spielen würde. Er ist froh, dass der Klub seine schwerste Krise überhaupt lebend überstanden hat.
„Als sich unser neuer Vorstand 2017 bei benachbarten Vereinen in der Region vorstellen wollte, haben uns die allermeisten die kalte Schulter gezeigt“, sagt er zur Beschreibung, wie viel Porzellan damals zerschlagen gewesen sei. Und so ist der Weg zurück in die Gemeinschaft auf Augenhöhe eine Vertrauensarbeit vieler Jahre.
„Mir geht es darum, dass wir wieder als fairer Gesprächspartner wahrgenommen werden, uns stückweise wieder einen guten Ruf aufbauen“, betont Twupack, dessen Gesichtszüge noch ernster werden, als er sagt: „Wir haben Seriosität reingebracht und reichem jedem die Hand“.
Zu dieser Seriosität gehöre, dass man sich auch an den Kodex halte Ausbildungsentschädigungen für Nachwuchsspieler zu zahlen, die einen Stück ihres Weges bei anderen Vereinen gegangen sind. „Das macht leider nicht jeder Verein“, stellt er fest und damit klar, dass dies auch zur Vergangenheit der Gelb-Weißen gehört.
Überhaupt sei der Fußball zunehmend ein Spiegelbild der Gesellschaft geworden. Davon können auch Manfred Künne, Trainer der E1-Jugend und René Leszczynski, Trainer der E2-, B- und A-Jugend ein Lied singen, die mit am Tisch in der Geschäftsstelle sitzen. Dachdeckermeister René Lescczynski war einst als Trainer bei der Holtendorfer SV tätig und sieht vor allem die strukturellen Unterschiede. „Gelb-Weiß ist in der Stadt schon etwas anderes als Stadtrandvereine oder die Klubs von den Dörfern“. Twupack präsiziert dies: „Es gibt schon zunehmend Eltern, die ihre Kinder bei uns quasi an der Pforte abgeben und wieder abholen. Wir als Klub sind also zunehmend mehr als nur Fußballlehrer, sondern auch Teil einer gesellschaftlichen Aufgabe.“ Das gesamte Gefüge sei aufgrund des geänderten Freizeitverhaltens dabei „hoch kompliziert“ geworden.
„Wenn ein Jugendlicher geht, reißt der oft Freunde gleich mit“, gibt Rene Leszczynski zu bedenken. Die Ausbildung der Jugendleiter stellt für einen Verein jedoch einen Kraftakt dar. Die Lizenzen für Trainer werden für drei Jahre ausgestellt, für Fortbildungen müsse immer wieder Geld aufgewendet werden. Die Aufbauarbeit eines ganzen Jahrgangs kann also über Nacht Makulatur sein, wenn ein Spieler sich abwerben lässt, die Ausbildung anderenorts beginnt oder ihm nur die Nase anderer im Verein nicht mehr gefällt und dabei andere mitzieht, die ihn zu einem anderen Verein begleiten.
Harald Twupack sieht den Weg der Sisyphusarbeit aber als unausweichlich an. „Wir haben Gott sei Dank engagierte Übungsleiter, einen fleißigen harten Kern“, erstmals stehe nun auch eine A-Jugend auf dem Spielfeld. Das Durchschnittsalter von 21,5 Jahren der ersten Mannschaft zeige bereits, welchen Weg der Verein eingeschlagen habe.
Dabei habe man die schwierigsten Aufgaben der Wiederaufbauarbeit hinter sich. Zur vielschichtigen Krise der Region gehörte auch, dass Bombardier 2018 seine Endmontagehalle aufgab und damit zugleich die Stromversorgung in der Vereinsbaracke gekappt war. So stand der Klub am 1. Juni 2018 auch ohne Warmwasser da. „Wir sind ¼ Jahr gerannt und haben dann mit dem Sponsor Stadtwerke eine neue Leitung legen können“. Das „Licht im Tunnel wird größer“, meint er so auch mit Blick auf die Unterstützung von Partnern, die wieder Vertrauen finden. So konnte die Diakonie St. Martin als neuer Hauptsponsor im Nachwuchsbereich gefunden werden.
Soziale Verantwortung passt auch bestens zu den gesellschaftlichen Brüchen. „Es war eine helle Freude den Eifer mitzuerleben, den man gespürt hat, als Jugendspieler und Eltern aus unserem Verein Pakete gepackt haben und diese am Heiligen Abend Behinderten der Diakonie Sohland am Rotstein überreichten“. Ein neues Gemeinschaftsgefühl habe man auch beim Adventssingen oder dem Neujahrsempfang mit der Hand greifen können. Während der Verein aufgrund seiner Vergangenheit in Görlitz noch auf skeptische Gesichter stoße, bildet die zweite Mannschaft heute eine Spielgemeinschaft mit dem SV Reichenbach. Auch hier bildet sich neue Gemeinschaft. Es gab zwei Feriencamps in Reichenbach – beim zweiten Camp über fünf Tage gab es über 60 Teilnehmer. Aber auch in Görlitz arbeiten die Gelb-Weißen am Image. Es besteht ein Ganztagsangebot an der Melanchthon-Grundschule, in Königshufen soll ein solches folgen.
Dass das „Wir“ heute wieder klappt, spürt man auch am Vereinsgelände. „Für viele Mitglieder, Fans und Freunde ist die Junge Welt so etwas wie eine zweite Wohnstube“, sagt Harald Twupack. Der Verein wolle hier auch beharrlich bleiben und sein Schmuckstück nie aufgeben. Um die steilen Traversen und das richtige Fußballstadionerlebnis ohne störende Laufbahn wird der NFV weithin beneidet. Dieses Ambiente ist vielleicht gar eine Grundvoraussetzung, will der Klub einmal wieder in höhere Sphären zurückkehren und ist in sich der Beweis, dass der Verein eigentlich kein gewöhnlicher Fußballklub sein kann. Weil das Vereinsgelände so zur Identität beiträgt, beteiligen sich dieser Tage viele auch an der Ertüchtigung des Hartplatzes, der bei Veranstaltungen aller Art noch eine wichtige Rolle spielen soll. Zuletzt war das Kassenhäuschen an der Parsevalstraße mit Schmierereien verschandelt. Dies hat der Klub zum Anlass genommen, dieses in den Vereinsfarben neu zu streichen.
Es macht also wieder Spaß und schafft Gemeinschaft, an einem Aufbauwerk mitzugestalten. Da man Gemeinschaft von klein auf erlebten sollte, wirbt der NFV mit einem Schnuppertag am Sonnabend, dem 21. März von 15.00 bis 18.00 Uhr in der Sporthalle Windmühlenweg 8 in Görlitz für seine Nachwuchsarbeit. Die Schnupperkinder haben dort die Möglichkeit, verschiedene Spielformen kennenzulernen und beim Koordinationsparcours ihr sportliches Geschick zu testen. Vor allem: Bei allen Spielen und Aktionen können Gästekinder mitmachen und bei den NFV- Mannschaften mitspielen!
15.15 bis 15.45 Uhr: Spiel F- gegen G-Junioren gemischt,
15.45 bis 16.00 Uhr: Torwandschießen, Tombola, Glücksrad,
16.00 bis 16.30 Uhr: Spiel E1- gegen E2-Junioren gemischt,
16.30 bis 17.00 Uhr: Fußballabzeichen, Torwandschießen, Tombola, Glücksrad,
17.00 bis 17.30 Uhr: Spiel D1- gegen D2-Junioren,
17.30 bis 18.00 Uhr: Fußballabzeichen, Torwandschießen, Tombola, Glücksrad
Während des Schnuppertages stehen die NFV-Übungsleiter und Trainer mit Rat und Tat zur Verfügung, um Fragen zum Verein und zum Nachwuchsbereich zu beantworten. Für das leibliche Wohl wird gesorgt sein.
Für die Kleinen ist am Schnuppertag wie auch im Verein für viel Spaß gesorgt. Manfred Künne und René Leszczynski betonen dabei, dass sich der Verein ab Jahrgang 2008 und jünger auch der Leistungsorientiertheit verschrieben sehe. Ab der D-Jugend versteht sich der Klub als Ausbildungsverein, immerhin besteht z.b. auch ein Vertrag mit der SG Dynamo Dresden. Zugleich ist man ja auch DFB-Stützpunkt.
Laut seinem Leitbild steht Ausbildung über dem kurzfristigem Erfolg. Dabei wolle man Motivation zum lebenslangen Fußballspielen in der jeweils höchst möglichen Spielklasse erreichen. Im Wettkampf unter Gleichberechtigten werde der Verein jedoch weiterhin auf Augenhöhe setzen. „Ich will eine saubere Klinge schlagen“, betont der Vereinsvorsitzende, der verspricht, dass im 111. Jubiläumsjahr zum Niederschlesienpokal Ende Dezember auch ein großer Name aus Berlin dabei sein werde. Welcher Klub das sein wird, verrät Twupack allerdings noch nicht.
Die Junge Welt ist die „Gute Stube“ des Vereins. Maik Beier hat gerade den Pinsel geschwungen, um eine radikale Verunstaltung des Kassenhäuschens zu übermalen.
Kommentare zum Artikel "Eine Vertrauensarbeit über viele Jahre"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Leider glaub ich solchen Worten nicht
Ich als Übungsleiter seit über vielen Jahren musste und muss immer wieder erleben wie dieser Verein versucht andere Spieler aus anderen Vereinen abzuwerben mit haltlosen Versprechen und ich selber musste im Spieljahr 2019/2020 auch selber erleben wie mit Betrug versucht wurde Spiele zu beeinflusst und das im Nachwuchs wo es eigentlich nur um Spaß und Freude am Sport geht.
Thema DFB Stützpunkt wenn versucht wird mit Äußerungen wie, kommt zum Verein dann könnt ihr erst auf die Sportschule wechseln sagt alles.
Gruß André