Elektrifizierung von Bahnlinie: Bund gibt Sachsen einen Korb
Auf der Bahnstrecke Görlitz - Dresden werden wohl noch in einigen Jahren Dieselzüge verkehren. Eine Elektrifizierung mit Mitteln aus dem Strukturwandeltopf soll es vorerst nicht geben. Foto: Symbolbild
Region. Die Bundesmaßnahmen zum Strukturwandel in den sächsischen Braunkohleregionen stehen fest. Wie die Staatsregierung heute mitteilte, haben sich der Bund und die vier vom vorzeitigen Braunkohleausstieg betroffenen Länder auf diese verständigt. Dem Freistaat Sachsen stehen insgesamt rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung, um die Strukturentwicklung im mitteldeutschen und im Lausitzer Revier zu unterstützen. Über die Verteilung von rund 6,5 Milliarden Euro dieser Mittel entscheidet das sogenannte Bund-Länder-Koordinierungsgremium, in dem neben der Bundesregierung auch die Regierungen der vier Kohle-Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen vertreten sind. Die Sächsische Staatsregierung hat heute bekanntgegeben, in welche konkreten Projekte im Freistaat diese Förder-Milliarden fließen sollen.
Auch wenn aufgrund des begrenzten Finanzrahmens und eigener Schwerpunktsetzungen der Bundesressorts nicht alle von Sachsen erhofften Maßnahmen umgesetzt werden können, zeigte sich Ministerpräsident Michael Kretschmer zufrieden über die Einigung: „Knapp ein Jahr nach Verabschiedung des Strukturstärkungsgesetzes ist die Festlegung auf konkrete Bundesmaßnahmen ein weiterer Meilenstein. Die Vorhaben tragen maßgeblich dazu bei, die beiden sächsischen Braunkohleregionen fit zu machen für die Zeit nach dem Kohleausstieg.“
Wichtige Verkehrsprojekte bleiben außen vor
In der Lausitz soll demnach die Bahnlinie Görlitz – Cottbus – Berlin zu einer fernverkehrstauglichen Anbindung ausgebaut und elektrifiziert werden. Zudem konnte den Angaben zufolge die Finanzierung für einen weiteren baureifen Abschnitt der B 178 zwischen Niederoderwitz und Zittau gesichert werden. „Auf der anderen Seite ist es in den Verhandlungen mit dem Bund nicht möglich gewesen, für den Freistaat Sachsen bedeutsame Infrastrukturvorhaben in das Strukturstärkungsgesetz aufzunehmen“, bemängelte Verkehrsminister Martin Dulig. „Insbesondere beim Ausbau der Bundesautobahn A 4 sowie bei der Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden – Bautzen – Görlitz konnte eine Finanzierung über die Mittel zum Kohleausstieg nicht abgesichert werden.“ Deshalb werde der Freistaat unverzüglich in Gespräche mit dem Bund einsteigen, um die Finanzierung dieses Schienenprojektes, mindestens für die Fortführung der nächsten Planungsphasen, zu erreichen. Auch für den Ausbau der A 4 werde sich das Land mit Nachdruck beim Bund einsetzen, versicherte der Minister.
Der Bautzener Landrat Michael Harig zeigte sich enttäuscht über das Ergebnis der Verhandlungen: „Der Landkreis Bautzen sieht sich bei den beschlossenen Bundesmaßnahmen auf dem wichtigen Gebiet der Verkehrsinfrastruktur unterrepräsentiert. Ich kann nur hoffen, dass sich dennoch die hohen Erwartungen der Menschen an einen erfolgreichen Strukturwandel erfüllen lassen.“
Landespolitiker will nicht locker lassen
Erst kürzlich hatte ein Sprecher der Deutschen Bahn auf Anfrage gesagt, dass aus Sicht des Unternehmens zunächst zwischen dem Bund als Finanzierungsgeber und dem Freistaat Sachsen die konkreten Projektinhalte und die Modalitäten der Finanzierung und Projektumsetzung abgestimmt werden müssten. Die Frage der konkreten Projektinhalte sei dabei ebenso wichtig wie die nach den für die Planung und den Bau notwendigen Finanzierungsvereinbarungen. „Sobald die Aufträge für die Projekte an die DB AG erteilt worden sind, werden wir zur Planung und Umsetzung in den Dialog mit den regionalen Stakeholdern gehen. Erst dann lassen sich Fragen zum Zeitplan und zur Kostenhöhe seriös beantworten“, fügte der Bahnmitarbeiter hinzu.
Das klingt inzwischen wie ein schlechter Scherz - auch in den Ohren des Bautzener Landtagsabgeordneten Marko Schiemann. Er kündigte an, sich weiterhin für beide Infrastrukturprojekte stark zu machen. Während eines Pressegesprächs am Freitag erinnerte er die Landesregierung noch einmal daran, dass sie immer wieder signalisiert habe, dass die Baumaßnahmen zeitnah realisiert werden.
Rückblick: Erst vor wenigen Jahren hatte der Autobahnbauer DEGES in Bautzen ein Büro eröffnet, um den Ausbau der Schnellstraße zwischen der Spreestadt und dem Dreieck Nossen zu planen. Wiederum war das Land Sachsen im Fall der Elektrifizierung der Bahnlinie Görlitz – Dresden in Vorleistung gegangen. Es hatte laut dem CDU-Landespolitiker zwölf Millionen Euro für Planungsleistungen vorgestreckt.
Das alles darf nicht umsonst gewesen sein, meint er. „Beide Projekte sind von politischer und europäischer Bedeutung. Ich hoffe, dass das deutsch-polnische Verhältnis jetzt nicht darunter leidet.“ Bereits 2003 schloss die Bundesrepublik eine Vereinbarung mit den polnischen Nachbarn über die Elektrifizierung der Bahntrasse nach Dresden. Marko Schiemann: „Ich erwarte von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, dass er den Erklärungen, die er wiederholt bei Besuchen in Görlitz und Bautzen abgegeben hat, jetzt auch Taten folgen lässt.“ Selbst Unternehmer aus der Region würden es nicht akzeptieren, wenn die zwei Verkehrsprojekte weiter nach hinten verschoben werden. Dabei berief sich der CDU-Mann auf Telefonate, die er jüngst mit ihnen geführt habe. Vielmehr müsste in den kommenden zehn Jahren mit einer Realisierung begonnen werden. In der Elektrifizierung der Bahnlinie Görlitz - Dresden werde ein bedeutender Klimaschutzansatz gesehen - und das in allen politischen Lagern.
Bautzens Stadtoberhaupt zeigt sich bestürzt über erzielte Vereinbarungen
Zudem offenbaren für die AfD die Bundesmaßnahmen zum Strukturwandel in der Oberlausitz das verkehrspolitische Versagen der Bundesregierung. „Wenn die Politik den Wirtschaftsstandort Oberlausitz ernsthaft halten und gute Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen will, damit Arbeitsplätze entstehen, muss in Infrastruktur investieren werden“, betonte der Landtagsabgeordnete Frank Peschel. Die Nicht-Elektrifizierung der Bahnstrecke Görlitz - Dresden bezeichnete er als einen „großen Fehler“. Bereits nach der Ölkrise 1979/1980 sei die Bahnlinie für eine Elektrifizierung vorgesehen gewesen. „Nicht nur für den Fernverkehr ist diese Strecke wichtig, auch für den Nahverkehr. Eine S-Bahn-Linie wäre enorm wichtig, um einerseits die Autobahn zu entlasten, anderseits auch die Attraktivität der Städte im Oberland und Bischofswerda zu erhöhen sowie die Nutzung des ÖPNV zu stärken“, fügte Frank Peschel hinzu.
Die Linken wiederum schieben den Schwarzen Peter der sächsischen Landesregierung zu. „Es ist völlig unverantwortlich und unverständlich, dass der Ministerpräsident ausgerechnet die Elektrifizierung der Bahnstrecke Görlitz - Dresden aus dem Maßnahmenpaket streicht. Die Elektrifizierung ist bereits 2003 in einem Staatsvertrag festgehalten und sollte längst fertig gestellt sein. Polen hat seinen Teil längst erledigt, Deutschland hat noch nicht einmal damit begonnen.“
Dass die Elektrifizierung der Bahnlinie sowie der Ausbau der A 4 in den Bundesmaßnahmen nicht auftauchen, bezeichnete Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens als ein fatales Signal an die gesamte Lausitz und als ein politisch höchst fragwürdiges Zeichen an die Menschen in der Region. Der Umgang der Verantwortlichen mit dem Strukturwandel dürfe und könne nicht unwidersprochen stehen bleiben. „Die Verschiebung von sinnvoll eingesetzten Mitteln, wie für die Elektrifizierung der Hauptwirtschafts- und Personenachse Dresden – Bautzen - Görlitz zugunsten der wenig nachgefragten Achse Görlitz – Weißwasser – Berlin für über eine Milliarde Euro, ist irritierend. Hier geht politisches Kalkül vor wirtschaftlicher Weitsicht. Dem stelle ich mich entschieden entgegen. Es fehlt jegliche Transparenz den Kommunen gegenüber.“ Ministerpräsident Michael Kretschmer habe ihm auf die Frage nach dem Stellenwert der Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden – Bautzen – Görlitz erklärt, dass die Planungskosten in Höhe von einer Milliarde Euro zu hoch angesetzt seien. Damit würden diese unnötig andere Projekte blockieren. Hingegen sind der Stadt Bautzen eigenen Angaben zufolge lediglich Kostenschätzungen von maximal 500 Millionen Euro bekannt.
„Das Sächsische Ministerium für Regionalentwicklung konnte nicht erklären, woher die Verdopplung der bisherigen Planungskosten kommt. Die Elektrifizierung bleibt somit ausgeschlossen aus den Bundesmaßnahmen.“ Gleichzeitig sei das gesamte Förderverfahren Strukturwandel aus Sicht der Kommunen überdimensioniert und der aktuelle Zeitrahmen von Antragstellung bis Bewilligung von mindestens 18 Monaten nicht zumutbar. Die Kommunen müssen nach Ansicht des Bautzener Stadtoberhauptes in erheblichen Größenordnungen in Vorleistung gehen, was vor allem für kleinere Gemeinden nicht leistbar ist. Die aktuelle Kommunikation mit den Kommunen seitens der Landesregierung sei stark ausbaufähig. Alexander Ahrens forderte vor diesem Hintergrund: „Die gesamte Region muss jetzt geschlossen zusammenstehen und fernab jeden Parteibuchs eine klare Antwort formulieren.“
Kommentare zum Artikel "Elektrifizierung von Bahnlinie: Bund gibt Sachsen einen Korb"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Das kommt davon, wenn der Verkehrsministerposten seit Bestehen der Bundesrepublik fast durchgängig von autofanatischen Personen (meist CSU Flitzpiepen) besetzt wird, die ggf. zuletzt beim Schulausflug mit 14 Jahren mal einen Zug von innen gesehen haben. Auf diese und viele weitere Ministerstellen gehören nicht lobbyhörige Leute, die ausschließlich an ihrem Machterhalt interessiert sind, sondern Fachkräfte, die nicht nur Miliarden teure prestigeträchtige Projekte vorantreiben sondern den Bestand gleichermaßen modernisieren. Lt. Fachaufsatz der TU Dresden würde die Elektrifizierung aller noch existierenden Dieselstrecken in Deutschland lächerliche 25 - 30 Mrd. € kosten. Allein die neue 2. Stammstrecke der S-Bahn München und der geplante Brennernordzulauf (auf weiten Strecken unterirdisch unter grünen Wiesen, damit die armen Bauern im Alpenvorland nicht von vorbeirauschenden ICEs auf ihren knatternden Treckern gestört werden) auf sollen akt. 8 bzw. 15. Mrd. € kosten. Fazit - den Fachkräftemangel - insbesondere in der Politik - gibts also schon viel länger.
Solange es keinen nennenswerten Güterverkehr auf der Strecke Görlitz Dresden gibt, sondern einen völlig ausufernden LKW Verkehr auf der Autobahn nach Dresden, wird es keine Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Dresden geben.
Die Verlagerung eines Teiles des Güterverkehrs ehrlich auf die Schiene wäre eine echte Verkehrswende und eine Investition in die Zukunft unserer Kinder.
Aber ich glaube, unsere politischen Entscheidungsträger trauen sich noch nicht, diese notwendige Wahrheit auszusprechen !
Fahrt mal in der Schweiz auf der Autobahn und sucht Lkw. Es gibt dort kaum welche. Sucht mal Dauerbaustellen auf den Schweizer Autobahnen(außer der Nordumfahrung von Zürich). Es gibt kaum welche. Rollt einfach mal durch die Schweiz. Ihr werdet es lieben. Kaum über die Grenze in Deutschland fahren die Lkw Stoßstange an Stoßstage und in den Dauerbaustellen, auf denen sich keinerlei Personal tummelt, kippen sie samt Anhänger gerne mal um. Nebenan ist auf den zweigleisigen Bahnstrecken Ruhe und besinnliche Stille, ab und an ruckelt eine Ferkeltaxe mit Dieselantrieb vorbei. In der Schweiz rollen die Lkw-Auflieger auf Waggons über vollelektrifizierte Strecken pünktlich, sicher und schnell durch das Land und das in schnellem Takt. In Deutschland machen Bekloppte Infrastrukturpolitik und finden sich dabei noch großartig. Es sind Schaumschläger und Nichtskönner. Hört auf, einfach nur zuzuschauen und zu meckern. Steht endlich auf. Sagt deutlich, dass es reicht!
Ja das war doch klar, die Oberlausitz bleibt abgehängt...
Über die Polen regen wir uns auf ?dort sind schon die Nebenstrecken elektrifiziert.
Hauptsache Scheuer lässt in Bayern die Straßen bauen, der Osten ist ganz weit weg.
In der Lausitz wir es wieder viele Arbeitslose geben und viele werden wegziehen... Hauptsache Deutschland erfüllt das Klimaziel?