„Europäische Kirmes“ in neuer Dimension

De Gäste begaben sich unter den Klängen des Blasorchesters der Grube Turów (Türchau) zum Festplatz, um hier gemeinsam die traditionelle „Europäische Kirmes“ zu begehen. Foto: Rolf Hill
Ganz im Zeichen der Verständigung der Menschen des Dreiländerecks und darüber hinaus stand die „Europäische Kirmes“ im ehemals zur Amtshauptmannschaft Zittau und seit dem Ende des unseligen Zweiten Weltkrieges zur Gemeinde Bogatynia (Reichenau) in Polen gehörenden Dorf Kopaczów (Oberullersdorf).
Kopaczów (Oberullersdorf). Bereits zum 15. Mal fanden ehemalige und heutige Bewohner des zweigeteilten Ortes, Bürgermeister, Geistliche mehrerer Konfessionen, Veteranen aus Traditionsverbänden, Mitglieder des Internationalen Kinder- und Jugendparlaments „Neiße“ sowie weitere interessierte Menschen an der Grenzbrücke über den Ullersbach ein. Vom dortigen Fußgängerübergang zum benachbarten Oldrichov na Hranicich (Ullersdorf) begaben sich die Gäste unter den Klängen des Blasorchesters der Grube Turów (Türchau) zum Festplatz, um hier gemeinsam die traditionelle „Europäische Kirmes“ zu begehen. Nach den offiziellen Grußworten legten die Bürgermeister des Städteverbunds „Kleines Dreieck“ bzw. deren Stellvertreter am Denkmal einen Kranz nieder.
Die dreisprachige Inschrift des Mahnmals ist symbolisch für den Geist des Treffens: „Dieses Denkmal soll die drei Völker zu einem verbinden und die Bürger in den Orten am Dreiländerpunkt Polen, Tschechien und Deutschland zu einer Gemeinschaft zusammenführen. Dem Gott zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung. Die Einwohner, die Vergangenheit nicht vergessen und Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft haben.“

Auf der Nachbarschaftsbank nahmen Thomas Krusekopf aus Zittau, Monika Oleksak aus Bogatynia und Josef Horinka aus Hrádek nad Nisou Platz. Foto: Rolf Hill
Gemeinsam mit ihren Amtskollegen Josef Horinka aus Hrádek nad Nisou (Grottau) und Thomas Krusekopf aus Zittau pflanzte danach die stellvertretende Bürgermeisterin von Bogatynia (Reichenau), Monika Oleksak, ein von ihr gespendetes Kirschbäumchen. Damit ist die Zahl der neuen Gehölze im „Europäischen Obstgarten“ bereits auf fünf angewachsen. Dessen „Stammvater“ ist übrigens ein Birnbaum, der schon seit der Zeit hier steht, als das noch der Pfarrgarten war. Unmittelbar daneben lädt nun eine, ebenfalls vom Internationalen Kinder- und Jugendparlament „Neiße“ übergebene „Nachbarschaftsbank“ zum Verweilen ein. Selbstverständlich gehört zur Kirmes auch der Gang ins Gotteshaus. Und wie stets war der in der Kirche St. Josef von den katholischen, evangelischen und hussitischen Geistlichen zelebrierter ökumenische Festgottesdienst überaus gut besucht. Reichlich Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch alter Erinnerungen und Neuigkeiten aus jüngster Zeit bot das anschließende Picknick im Park. Für einen vergnüglichen Programmpunkt sorgten, die Mädchen und Jungen des Internationalen Kinder- und Jugendparlaments „Neiße“ mit ihrem mehrsprachig aufgeführten fingierten Gerichtsprozess zum Thema „Von der Erde verschluckt“, der an die Zeiten möglicher dörflicher Rechtsprechung durch den Oberullersdorfer Dorfschulzen erinnert.
„Ich war immer ein Visionär“, resümierte der 83-jährige Leipziger Dietmar Brendler, der mit recht als „Vater“ der „Europäischen Kirmes“ gilt. Er war es, der im Jahre 2002 gemeinsam mit dem damaligen katholischen Pfarrer von St. Josef und weiteren Mitstreitern die Idee zur Wirklichkeit werden ließ. Inzwischen hat dieses Fest über die Grenzen und Generationen hinweg, dank vieler aktiver Gleichgesinnter, eine völlig neue Dimension erreicht. „Das hätte ich am Anfang nie gedacht“, räumte Dietmar Brendler ein. „Schließlich sind wir selbst, die Betroffenen von Krieg und Vertreibung aus der Heimat, immer weniger geworden. Umso wichtiger ist es, unser Vermächtnis an die junge Generation weiterzugeben.“ Und mit dem für ihn typischen Schmunzeln fügt er hinzu: „Ich habe dazu jedenfalls noch jede Menge Ideen.“