Feierjahr für die Großdubrauer Margarethenhütte
In der M-Hütte wurde auch mit Gips hantiert, wie Frank Jünger vom Förderverein hier demonstriert. Der wertvolle Rohstoff soll 2022 in den Blickpunkt gerückt werden. Foto: Uwe Menschner
2022 begehen die Bewahrer der Industriegeschichte in Großdubrau gleich zwei große Jubiläen. Die Planung dafür steht. Für Kopfzerbrechen sorgt jedoch eine andere Frage.
Großdubrau. Gips gibt’s in der Gipsfabrik, lautete ein beliebter Spruch unter Kindern in der DDR. Damals herrschte an dem Material, das im Bauwesen, im Handwerk und in der Kunst vielfältige Verwendung findet, kein Mangel. Fällt doch beim Betrieb von Braunkohlekraftwerken im Zuge der Rauchgasentschwefelung jede Menge Gips an. Deshalb stellt sich beim bevorstehenden Braunkohleausstieg eine bislang noch relativ wenig beachtete Frage: Wo kommt unser Gips her, wenn es keine Kohlekraftwerke mehr gibt?
„Etwa 50 Prozent der bisherigen Gipsproduktion in Deutschland fallen dann weg“, weiß Regina Bernstein. Sie ist Vorstandsmitglied im Förderverein Margarethenhütte Großdubrau e.V. Auch in diesem Betrieb, der bis 1991 zu den weltweit wichtigsten Produzenten von Elektroporzellan gehörte, wurde Gips benötigt: Für die Herstellung von Gipsmodellen, mit deren Hilfe wiederum die „Mutterformen“ für die Fertigung der Isolatoren entstanden. „Es wurde viel mit Gipsformen und Gipsplatten gearbeitet“, bestätigt Regina Bernstein, die früher selbst in der Margarethenhütte gearbeitet hat.
Die Bedeutung des Materials Gips hat auch der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler erkannt und es deshalb zum „Gestein des Jahres 2022“ gekürt. Damit sollen laut dem Verein „Gesteine, die aufgrund ihrer geologischen Entstehung und wirtschaftlichen Bedeutung bemerkenswert sind, stärker in das öffentliche Interesse gerückt werden.“ Und diesen Gedanken nimmt das Elektroporzellanmuseum Margarethenhütte zum Anlass für eine Sonderausstellung, die in diesem Jahr gezeigt werden soll. Doch der Verein plant noch mehr, denn schließlich gibt es 2022 gleich zwei wichtige Jubiläen zu feiern, wie Regina Bernstein berichtet: „Einerseits blicken wir auf 150 Jahre Elektroporzellan in Großdubrau zurück, denn 1872 wurde unter der damals noch neuen Eigentümerschaft von Hermann Schomburg mit der Fertigung begonnen.“ Zuvor war in der seit 1857 so benannten Margarethenhütte bereits mit Ton und Steinzeug gearbeitet worden. Für die Fertigung der Isolatoren nutzte Schomburg das in der Umgebung vorhandene Kaolin. Allerdings erwies sich dessen Qualität als nicht ausreichend, sodass man später auf andere Kaolinwerke setzte.
Doch zurück zu den Jubiläen: Das zweite lautet 100 Jahre HeScho – „1922 hat sich aus dem Isolatorenwerk im thüringischen Hermsdorf und dem Großdubrauer Werk die ’Hermsdorf-Schomburg-Isolatoren GmbH gegründet“, weiß Regina Bernstein. Diese Verbindung sollte lange halten, zu DDR-Zeiten war Hermsdorf Sitz des Kombinates Keramische Werke, zu dem auch der damalige VEB Elektroporzellanwerk Margarethenhütte Großdubrau GmbH gehörte. Was sich dann nach 1990 abspielte, hat als unrühmliches Kapitel Eingang in die Geschichtsschreibung zur Privatisierung der DDR-Wirtschaft gefunden, ist aber nicht Gegenstand der diesjährigen Planungen.
Das so mit Jubiläen, Ausstellungen und Projekten gespickte Jahr 2022 soll dem Elektroporzellanmuseum auch als Ausgleich für die vergangenen beiden Jahre dienen, in denen der Museumsbetrieb aufgrund von Corona über weite Strecken ruhen musste. „Da wir keine Lohnkosten und keine Miete zahlen müssen, ist die Situation bei uns nicht ganz so dramatisch. Die Betriebskosten können wir decken, und auch die kleinen Veranstaltungen, die es gegeben hat, waren finanzierbar“, erklärt Regina Bernstein. Ansonsten freut sie sich, dass ein lange gehegter Wunsch – nämlich der nach einem dichten Dach – in den letzten Jahren in Erfüllung gegangen ist. Kopfzerbrechen bereitet ihr und ihren Vereinskollegen jedoch die Zukunft des Hochspannungsprüffeldes, das 2014 von der Stromversorgung getrennt wurde und seitdem nicht mehr die zuvor beliebten „Blitzgewitter“ produzieren kann. Die imposante technische Installation ist vorhanden, aber nicht mehr nutzbar. Doch selbst so bietet das Prüffeld noch einen erheblichen Schaueffekt. „Wenn wir es wieder als Prüffeld herrichten, dann gilt es als elektrischer Raum, der nicht mehr für Veranstaltungen genutzt werden kann“, erklärt Regina Bernstein. Eine mögliche Alternative besteht aus ihrer Sicht darin, das Prüffeld als Erlebnisraum auszugestalten und die physikalisch-technischen Effekte durch Projektionen und Installationen nachzuahmen. Eine endgültige Entscheidung dazu ist vonseiten des Fördervereins noch nicht gefallen.
Klar ist jedoch die Entscheidung, die Tradition der Herstellung von Elektroporzellan auch in Zukunft zu bewahren und das Interesse daran bei den jüngsten Großdubrauern zu wecken – dem dient auch die enge und intensive Zusammenarbeit mit der Freien Oberschule. Schließlich sollen die Kinder mehr erfahren als nur: „Gips gibt’s in der Gipsfabrik.“
Service: Im Großdubrauer Wasserturm ist die Ausstellung „Großdubrau und die Margarethenhütte“ jeweils sonnabends 14 bis 17 Uhr zu sehen. Am 21. August wird im Museum selbst die Gips-Ausstellung eröffnet.