Feiern Bahn und Politik eine Selbstverständlichkeit?
Die Schnellfahrtstrecke von Berlin wird nicht über Görlitz hinaus bis Zittau oder Reichenberg (Liberec) verlängert. Hier ein Nahverkehrstriebwagen bei Rohnau (Ronów) zwischen Hirschfelde und Grunau (Krzewina Zgorzelecka)/Ostritz. Foto: Till Scholtz-Knobl
Region. Der Fahrgastverband Pro Bahn, Regionalgruppe Ostsachsen, hat den Abschluss der Finanzierungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und der DB AG zur Planung der Revitalisierung der Strecke Berlin-Cottbus-Görlitz begrüßt. Die Magistrale soll für Geschwindigkeiten von 160 km/h ausgebaut und elektrifiziert werden, zudem soll das 1946 als Reparationsleistung an die UdSSR demontierte zweite Streckengleis durchgehend wiederhergestellt werden. Neben Direktverbindungen zwischen Berlin und Görlitz würden solche damit auch zwischen Leipzig, Hoyerswerda und Görlitz möglich sein. Ein Wermutstropfen bleibe, dass die Planungen in Görlitz enden und die Entwicklung der Achse nach Zittau und Reichenberg (Liberec) nicht mitgedacht würde, „obwohl sich hierfür durch den Strukturwandel und die laufende TEN-Revision aktuell Chancen ergeben.“
Die Regionalgruppe erinnert daran, dass bei unseren europäischen Partnern die Uhren bautechnisch erheblich schneller ticken. Ingo Koschenz, Co-Sprecher der Regionalgruppe und Referent für Osteuropaverkehre des Pro-Bahn-Bundesvorstandes betont hierzu: „Der Bund hat den Ausbau der Strecken nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Dresden nach Görlitz gegenüber der polnischen Regierung im Jahr 2003 in einem Staatsvertrag fest zugesagt.“ Während in Polen schon kurz danach die Bagger rollten und die Strecke von Breslau bis zur Grenze 2019 ausgebaut und elektrifiziert wurde „passierte in Deutschland 20 Jahre nichts.“ Jetzt feiere der Bundesverkehrsminister, dass wir mit der Planung für den ersten versprochenen Ausbau anfangen. Doch wann hier tatsächlich der erste Bagger rolle, könne man noch immer nicht absehen. „Ob die für die Oberlausitz ebenso bedeutsame Strecke Dresden-Görlitz überhaupt noch revitalisiert wird, steht hingegen gänzlich in den Sternen“, so Pro Bahn. „Eigentlich ist unser Tempo kein Grund zum Feiern, sondern ein Grund zum Schämen“, heißt es im Wortlaut.
Koschenz gibt zu bedenken, dass unsere Nachbarn ihre Verkehrsverbindungen aufgrund der deutschen Trägheit inzwischen längst an Deutschland vorbeiplanen. Statt über Zittau können internationale Züge aus Görlitz nach Reichenberg und Prag beispielsweise künftig über Seidenberg (Zawidów) und durch den Friedländer Zipfel fahren. Dies sei laut Koschenz ein Beleg, dass die Schiene in Deutschland nach wie vor keine politische Priorität genieße. „Wir haben es in 80 Jahren nicht geschafft, in der Oberlausitz jene infrastrukturellen Standards wiederherzustellen, die es hier bereits vor dem zweiten Weltkrieg gegeben hat. Görlitz-Cottbus blieb eingleisig; auch hing in der Görlitzer Bahnhofshalle zwischen 1923 und 1946 der Fahrdraht schon einmal.
Kommentare zum Artikel "Feiern Bahn und Politik eine Selbstverständlichkeit?"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Das durchgehende zweite Streckengleis zwischen Cottbus und Vetschau wurde nicht als Reparationsleistung abgebaut, sondern in den 90-er Jahren durch die DB, weil man da der Annahme war, das es nicht mehr gebraucht werde. Dabei war man dann so gut gewesen, dass das verbliebene Gleis in die Mitte gerückt wurde und die Bahnübergänge schmaler gebaut wurden.
Für mich ist es daher unverständlich, dass um das wieder Herzustellen jetzt Kohlemillionen verprasst werden. Dafür hatte die DB schon Fördergelder bekommen in den 90-ern.
Warum wird nicht zuerst der Abschnitt von Görlitz bis an die Lausitz- Magistrale ausgebaut und elektrifiziert und an diese Angebunden?? Schon könnten nach 2026 die Züge von Leipzig über Hoyerswerda und Görlitz nach Polen elektrisch fahren.