Findet Görlitz wieder mutig zu Glaubenskraft?

Das Görlitzer Luther-Gemälde aus der Cranach-Werkstatt Foto: Görlitzer Sammlungen
Görlitz. 1525 markiert den Beginn der Reformation in Görlitz: Am 30. April wurde in der Krypta der Peterskirche erstmals das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgeteilt, begleitet von deutschen Taufen und lutherischen Predigten.
Trotz Widerstandes in der Stadtobrigkeit setzte sich die Reformation in Görlitz bekanntlich durch. Das hatte nicht allein theologische Gründe. Die Görlitzer Handwerker forderten etwa politische Teilhabe, inspiriert von Luthers Freiheitsgedanken. Kulturgeschichtlich hatte ein Großbrand ebenso erhebliche Auswirkungen, denn er vernichtete große Teile der Stadt, was den Wiederaufbau im Stil der Renaissance prägte.
Auch die Görlitzer Sammlungen pflegen ein solches Erbe. Kunsthistorikers Kai Wenzel nennt als besonders bedeutendes Zeugnis der Reformation in Görlitz das Bildnis Martin Luthers aus der Werkstatt des berühmten Malers Lucas Cranach d. Ä. Es zeigt den berühmten Theologen verbunden mit einem lateinischen Zitat und entstand 1530. Zu dieser Zeit stellte die Cranachwerkstatt solche Lutherbildnisse in Serie her. Die Reformation war letztlich auch ein Wegbereiter dessen, was heute als PR-Arbeit und Merchandising bekannt ist.
Dieses Görlitzer Gemälde hatte ursprünglich im Rathaus seinen Platz, wo es bezeugte, dass sich die Stadtregierung zu den Ideen des Wittenberger Reformators bekannte und diese aktiv umsetzen ließ. Heute befindet es sich in den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur und ist dauerhaft im Barockhaus Neißstraße 30 ausgestellt.
Am Donnerstag stellte Projektkoordinatorin Antje Hüttig das Programm zum 500-jährigen Reformationsjubiläum vor. Der Evangelische Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz organisiert unter dem Motto „Bürger.Mut.Glaubenskraft.“ zahlreiche Veranstaltungen vom 27. April bis 31. Oktober. Geplant sind Gottesdienste, Vorträge, Lesungen, Theater- und Musikaufführungen, Filmvorführungen, Schreibwerkstätten sowie thematische Spaziergänge. Wissenschaftliche Diskussionsrunden greifen historische und gesellschaftliche Fragen auf. Die Feierlichkeiten vereinen in Anlehnung an die 95 Thesen Luthers 95 Veranstaltungen an 75 Orten mit 55 Akteuren, darunter Kirchen, Museen, Theater und Kulturinstitutionen.
Besondere Höhepunkte sind ein literarischer Spaziergang, eine Gottesdienstreihe an ungewöhnlichen Orten, wissenschaftliche Podien zur Reformation und zur Weltanschauung des 16. und 21. Jahrhunderts sowie eine Sonderausstellung zur evangelischen Geschichte Schlesiens. Zum Literarischen Spaziergang durch die Jahrhunderte und Schreibwerkstätten für Jugendliche von zwölf bis 16 Jahren an fünf Terminen, jeweils Samstag 10.00 bis 13.00 Uhr, unter Anleitung des Schriftstellers und Lehrers an der Freien Evangelischen Oberschule Görlitz, Carsten Schmidt, sind Anmeldungen ab sofort möglich.
Widerstände gegen die Reformation thematisieren zum Beispiel Pfarrer Dr. Matthias Paul und Dr. Stefan Rhein mit einer Lesung zeitgenössischer Texte unter dem Leitwort: „Der Teufel ist mitten unter uns – Der Görlitzer Bürgermeister Johannes Hass (gest. 1544) und sein Kampf gegen das Luthertum“.
Auch die Görlitzer Straßenfeste greifen historische Themen auf. So wird der traditionelle Schlesische Tippelmarkt in diesem Jahr unter dem Titel „Das Marktwesen in Görlitz um 1525 bis heute am Beispiel der Töpfer“ stehen und das Görlitzer Altstadtfest unter dem Titel „Aufstand der Tuchmacher und Pönfall zu Görlitz“.
Als Vorschau ist noch bis 27. April bereits die Sonderausstellung „500 Jahre evangelisches Leben in Schlesien. Kirchfahrer, Buschprediger, betende Kinder“ des Schlesischen Museums im Foyer der Oberlausitzer Gedenkhalle (Dom Kultury) in der ul. Parkowa 1 zu sehen.
Wer sich über den historischen Ablauf der Einführung der Reformation kundig machen möchte, kann dies auch anhand eines Vortrages bereits am 7. April tun. Am Palmsonntag 1525 führte der Görlitzer Rat die Reformation ein. Wie es dazu kam und welche Auswirkungen dies hatte, beleuchtet Pfarrer i. R. Albrecht Naumann in seinem Vortrag an diesem Montag in der Stadtmission. Die Darstellung basiert auf den Forschungen von Alfred Zobel und Horst Manno und gibt Einblicke in die religiöse und gesellschaftliche Umbruchzeit. Die Veranstaltung beginnt um 9.30 Uhr in der Stadtmission in der Langenstraße 43 in Görlitz. Der Eintritt ist frei, Spenden für die Saalmiete sind erwünscht. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, in der Suppenküche ein eiMittagsmahl einzunehmen. Weitere Veranstaltungsankündigungen zum Festjahr werden Sie im Jahresverlauf immer wieder im Niederschlesischen Kurier finden. Das vollständige Programm ist in Kirchen, Buchhandlungen und beteiligten Institutionen erhältlich.